MissMary schrieb am 17.05.2019:Bei uns an der Schule ist schon feststellbar, dass die Schüler (und auch die Eltern) in einer Konsumentenrolle wohl fühlen - guter Abschluss - gerne, aber dafür arbeiten - ungern. Das ganze System jedoch in Frage zu stellen, halte ich falsch. Bei uns ist es durchaus so, dass ein Großteil unserer (oft problematischer) Schüler einen erfolgreichen beruflichen Weg einschlägt.
Schule soll auch durchaus dazu führen, dass man ein eigenständiges und eigenfinanziertes Leben führen kann.
Machen die. ICh glaub nur nicht, dass die Schule ihnen dabei wirklich geholfen hat.
Wie gesagt: Als Beispiel geb ich dir mal einen NAchhilfeschüler von mir.
Der hat sich in Mathe richtig quälen müssen, um von der Gesamtschule auf das Gymnasium zu kommen. Und dann auf dem Gymnasium natürlich weiter. Ich konnte ihn von der 5 auf die 3 heben mit viel Energie von ihm. Aber letztendlich steht da doch die Frage, was ihm das (und auch die anderen Fächer) denn so gebracht haben?
Er ist dann erfolgreicher Physiotherpeut geworden und damit sehr glücklich. Dafür brauchte er so ziemlich nichts aus der Schule, hätte aber durchaus gebrauchen können weniger Schule zu haben weil er dann mehr Sport hätte machen können (seine Leidenschaft).
Der hätte auch ohne Schule Erfolg gehabt und wäre dabei in seiner Jugend sehr viel glücklicher gewesen.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Um sich in unserer doch relativ komplexen Welt zurechtzufinden und in der Lage zu sein, die Möglichkeiten, die du geboten bekommst, zu nutzen, brauchst du eine Grundbildung. Ein erfolgreicher Abschluss ist sogar in den meisten Fällen unabdingbar, damit die Leute weiterkommen - du hast dann nämlich verbrieft und standardisiert ein Grundwissen, auf das du aufbauen kannst - ohne Abi kein Studium, ohne Schulabschluss meist keine Lehrstelle.
Die du aber in der Schule nicht bekommst nach Klasse 7. Wie hilft mir denn z.B. Sowi dabei, Politik zu verstehen? Da redet man über 2-3 konzepte, vielleicht das Wahlsystem. Vergessen die, die es nicht interessiert, sowieso. Frag mal auf der Straße Abiturienten, meinetwegen Einserabiturienten, was der Bundesrat ist und macht. Werden sie nicht wissen.
Das, was du da standardisiertes Grundwissen nennst, ist eben gar keins. Weil der Standard, soltle er je existiert haben, so niedrig ist, dass er bedeutungslos ist. Das Abi ist als grundlage für das Studium ungeeignet. Es hilft dir nichts. Als Grundlage für die Ausbildung auch.
Du müsstest mir da erklären, in welcher Form das Abi (also jeglicher unterricht nach Klasse 7 sagen wir mal) irgendwie zwingend notwendig ist für eine Ausbildung, ein Studium oder das Zurechtfinden in der Welt.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Das ist meiner Meinung nach so ähnlich, wie wenn du eine Kreuzfahrt machst - du siehst meintwegen sieben Städte in sieben Tagen. Drei Tage chillst du auf hoher See. Du kommst heim und glaubst, du hast, dank deiner vier Stunden Stadtrundfahrt Rom gesehen. Oberflächlich stimmt das auch -du hast alle Sehenswürdigkeiten beim Fotostop gesehen. Wenn du später für eine Woche hinfährst, dann erlebst du das Flair und die Stadt in einer völlig anderen Tiefe.
So ist es auch mit dem Chemieunterricht. Ich habe z.B. Physik gehasst und fand es sinnlos. Dennoch bin ich heute froh, dass ich zumindest eine gewisse Grundkenntnis habe. Du verstehst die Welt nicht, wenn du kein Grundwissen hast. Klar kommst du irgendwie durch, aber oft erschließt sich das tiefe Verständnis bei vielen Dingen nicht - von der endothermen Reaktion bis zum Impressionismus. Du musst ja kein Experte sein. Aber eine vertiefte Grundkenntnis bringt einen schon sehr gut durchs Leben und generiert überhaupt wieder Interesse.
An unserer Schule gibt es einen Tag der Vereine - da dürfen sich alle Vereine mal vorstellen. Das kommt ganz gut an. Du darfst, wenn du dich interssierst, dann auch mal zum Probetraining, etc. Du glaubst gar nicht, wie viele Schüler auf die Art und Weise ein neues Hobby finden - sie müssen aber angestoßen werden.
Im Gegenteil: Ich sehe die Schule als die Kreuzfahrt an. Da ist ein Animator bzw. Tourguide und der erzählt dir allerlei kram und du glaubst dann, du hast davon Ahnung. DAS kann ein YT video für interessierte auch leisten. Was es nicht leisten kann (und die schule auch nicht), ist, wenn sich menschen selbst etwas erarbeiten, weil sie es wollen. Dazu kann man sie nicht zwingen, wenigstens nicht sinnvoll.
Ein tiefes Verständnis von Impressionismus hast du ganz sicher nicht wegen einem Museumsbesuch. Das hast du, wenn dud ich ernsthaft für Kunst interessierst, dabei etwas spürst, selber ausprobiert und dann selbstständig darüber liest. Und das geschieht in der Schule nicht.
IN der Schule lernst du ein paar Stichworte über Impressionsismus auswendig und schreibst dann eine KLausur.
Man muss nicht angestoßen werden um ein Hobby zu finden. ICh weiß gar nicht, woher diese Idee kommt. Solange mand amit in Kontakt kommt (was eben ohne weiteres Optional passieren kann) merken Leute von selber, ob sie bock drauf haben oder nicht. Meinetwegen kann man sie zwingen, einmal einen Schnupeerkurs zu belegen.
Sie aber zu zwingen, sich zwei Stunden die Woche oder mehr damit zu beschäftigen ist irgendwie nicht zielführend, wenn es nur um das Kennen lernen geht. Da wissen die Kinder recht schnell, dass es langweilig ist und man sie zwingt.
Eher baut man damit beie igentlich interessierten Kindern durchs chlechten unterricht abneigungen auf.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Da widerspreche ich dir. Sogar vehement. Unterhalte dich z.B. mal mit einem Schuldenberater - viele der Probleme wären z.B. nicht entstanden, hätten die Leute mal ihre Verträge gut durchgelesen und hätten sie eine finanzielle Grundbildung gehabt. Um Dinge zu bewerten und eine Meinung zu entwickeln brauchst du ein Grundwissen.
Um einen Vertrag zu lesen, brauchst du keine finanzielle Grundbildung. Gesunden Menschenverstand bekommst du in der Schule nicht vermittelt. Welches Grundwissen bekommst du denn in der Schule, was dir hilft, einen Vertrag besser zu verstehen?
In der Schule gibt es die, die ihn sowieso verstehen würden und die, die sowieso alles unterschreiben würden.
Gruppe 1 löst dann die Textaufgaben, Gruppe 2 löst sie nicht. Lernen werden sie durch die Textaufgaben nicht, den VErtrag zu interpretieren.
Wären sie dazu schlau genug, würden sie jemand anderen fragen, der das für sie macht, wenn sie es selbst nicht können. Aber Schläue kannst du in der Schule eben nicht vermitteln.
Viele Dinge, von denen man behauptet, man lerne sie in der Schule, lernt man da eben nicht.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Ich finde es eine ungeheuere kulturelle Bereicherung. Stell dir z.B. mal vor, du fährst nach Berlin, weißt aber nichts über die Teilung, fährst an der Mauer vorbei und hast keine Ahnung, was du da siehst. Da geht dir was verloren. Stell dir vor, du stehst im Kunstmuseum vor Monets Seerosenteich und hakst ihn ab. Einfach so. Stell dir vor, es ist ein Gewitter und du weißt nicht, ob dein Auto dich vor dem Blitz schützt.
Was geht mir da verloren? Wenn es mich interessiert, dann kenne ich die Geschichte meines Landes in Zeiten von Wikipedia vermutlich wenigstens einigermaßen. Wenn es mich nicht interessiert, habe ich eine für mich sinnlose Information erhalten, die auch nicht inhärent wertvoller ist als das Wissen darüber, wie viele Einwohner Barbados hat. Und das weiß auch kaum jemand.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Meine Kinder würden heute kein Wort Französisch sprechen, wenn es der Lehrplan nicht vorgesehen hätte. Haben sie immer Lust - nein? Es gibt auch Kapitel, die mühevoll sind. Dennoch sind sie aufs gesamte Ergebnis stolz. Es gibt viele Fächer, die das Interesse meiner Kinder fördern.
Eine weitere Sprache zu sprechen ist ganz schön. Aber bis auf Englisch braucht man das eigentlich nicht (Englisch würde ich ja verpflichtend lehren). Ich finde nicht, dass jemand dazu gezwungen werden muss, eine dritte sprache zu lernen. Das machen genug leute freiwillig. Und einen guten Grund, warum eine dritte Sprache ien muss, eine vierte aber nicht ist, müsste mir da auch noch einer sagen.
Richtig ist ja: In den französischklassen kommen kaum kinder raus, die wirklich französisch reden können. Die können sich im Urlaub verständigen, ok, aber bei den meisten würde es für einen französischen film nicht reichen. Sehe nicht den Mehrwert hinter dem Zwang.
Bei Latein ist es noch schlimmer.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Wir haben sehr viele Problemfälle in der Schule. Deren Eltern leben das, was man ein reizarmes Leben nennt. Sie leben in einer Sozialwohnung, sehen keinen Aufstieg für sich, arbeiten nicht und flüchten in eine Parallelwelt, die interessant ist - Computer, Drogen, irgendwas. Unsere Schüler erleben den Alltag schon mitunter als anstrengend -die Eltern haben keine Tagesstruktur, stehen morgens nicht auf, es gibt am Monatsende nicht genug zu essen, man unternimmt in der Freizeit nichts, Kinder werden eher als Stör- und Kostenfaktor empfunden.
In einem vernünftigen pädagogischen Konzept macht z.B. die Schule Dinge mit den Kindern, die sie daheim nicht lernen: ein Instrument spielen, Schwimmunterricht, Plätzchen backen, basteln, ... Oft müssen sie auch in die Struktur "gezwungen" werden. Genau der schulische Anteil - sie lernen Dinge, die man ihnen daheim nicht vermitteln würde, dank überwachter Hausaufgabenbetreuung machen sie Hausaufgaben, erwerben einen Schulabschluss, werden vom Arbeitsamt in eine Lehrstelle gebracht, erwerben mehr Fachwissen, das schließlich dazu führt, dass sie ihren Lebensunterhalt -anders als ihre Eltern- selbst bestreiten können. Sie können dann selbst entscheiden, wie sie die Freizeit gestalten, haben aber zumindest ein paar Impulse bekommen, die sie daheim nicht bekommen hätten.
Würdest du sie sich selbst überlassen, würden sie "lernen durch Vorbild" eben auch die gesamte Zeit vor der Playstation sitzen und sich wegbeamen. So haben sie die Chance, ihr Leben anders zu gestalten.
Das Stichwort ist richtig: reizarmes leben. Das will ich eben vermeiden durch großes optionales Angebot und (in jungen jahren) noch längere Zeit abseits von zu Hause als in der Schule. Ich sehe aber eben auch die Reizarmut in der Schule.
Das was du da aufzählst, instrument, backen, basteln und sowas, das sind ja Kita sachen. Sowas macht man in Kitas. Sowas will ich durchaus auch beibehalten für Junge kinder, damit sich überhaupt erstmal eine Gemeinschaft formen kann.
Nur finde ich, dass man damit nicht aufhören sollte nach der Grundschulzeit, sondern eben nur durch alterstypischere aktivitäten ersetzen.
Ich sehe den Unterricht dabei aber als Hindernis, wenn er unfreiwillig ist. Ich sehe nicht, dass ein Kind, was mit anderen Kindern am liebsten den ganzen Tag basteln will unbedingt dazu gezwungen werden sollte, kunstunterricht zu haben. Es sollte das angebot bekommen, vllt verpflichtend einen kleinen schnupperkurs über 2 tage machen, damit es entscheiden kann. Und dann machen, was es eben gerne mag.
Natürlich mit anleitung, struktur und animation, wenn es sich einmal entschieden hat.
MissMary schrieb am 17.05.2019:Auch da widerspreche ich dir. Klar gibt es in Kindergärten, Schulen etc. Regeln, die den Ablauf sicherstellen. Die Schüler verstehen den Sinn von "du sollst deinen Nachbarn nicht vermöbeln, auch wenn er dich gerade beleidigt hat" durchaus :-). Es gibt durchaus Schüler, die kritisch denken und mitunter auch konstruktiv handeln ...
Verstehen schüler auch den sinn von 'Du musst diese Hausaufgaben machen, selbst wenn sie dir nichts bringen, weil ich als lehrer einfach behaupte, dass ich besser weiß, was dir was bringt'?
Oder verstehen Schüler, warum sie irgendwelches Spezialwissen lernen, was für ihr Leben höchstwarscheinlich keine Relevanz haben wird?
Seh ich nicht. Letztendlich sagt auch der gutmütigste lehrer durchd ie Blume, dass sie das für die Note und den Abschluss machen. Weil er kaum integer dafür argumentieren kann, dass sie das Wissen später definitiv oder auch nur warscheinlich brauchen werden.
HAt mein mathelehrer mal versucht. Wollte leuten erzählen, die bäcker werden wollten, dass sie da ganz doll viel mathe brauchen, weil man da auch mit messbechern umgeht. Ganz großes kino.