MissMary schrieb:Ich musste mich in Mathe auch quälen. Wurde ich Mathematiker? Nein! Ich wusste aber, dass ich Abi machen wollte, damals war Mathe ein Pflichtfach und es gab glücklicherweise viele Fächer, die mir mehr Spaß machten. Mathe und ich waren keine Freunde. Aber: Mathe hat mich erst mal gelehrt, in welchen Bereichen ich überhaupt keine Ahnung habe (logisches Denken, Physik).
Und ich habe mich auch durch Üben verbessert - so, dass im Abi auch eine akzeptable Abinote rauskam. Es hat mich an meine Grenze gebracht und hat mir auch gezeigt, dass ich, wenn ich in Bereichen arbeite, wo ich nicht so gut bin, durchaus was erreichen kann. Viele meiner ehemaligen Mitschüler brauchen täglich Mathe - ich, wenn ich eine Vertretungsstunde halten muss :-). So unnötig war es nicht.
Auch dein Physiotherapeut - liest und verfasst sicher auch Berichte an Ärzte - er handelt ja nicht ohne Auftrag - wichtiges Schulfach? Deutsch. Dann ist er ja nicht in der Praxis festgekettet - er muss zur Bank = Mathe, er muss überlegen, falls ihm die Praxis gehört, wie er investiert und eventuell spricht er auch mit seinen Patienten = Allgemeinbildung. Auch das lernt man in der Schule. Unsere Schüler lernen oft auch Umgangsformen etc.. Ist im Berufsleben auch nicht unwichtig.
Du wirst dich niemals an alles erinnern, aber du wirst auch nicht mehr 100% alles vergessen. Wenn ich heute mit meinen Kindern pauke oder Vertretung z.B. in Chemie mache, dann kann ich mich noch an sehr viel erinnern. Ich bin auch supergerne in die Schule gegangen ... und bin für das Wissen, was ich dort bekommen habe, sehr dankbar. Wurde ich Chemiker? Nein. Aber es hilft mir durchaus, Vorgänge zu bewerten und zu verstehen.
Thema: System. Eine Bekannte von mir ist in die USA gegangen (AuPair) und lernte dort einen jungen Amischen kennen, der gerade ein Jahr in der Stadt lebte "rumspringa" nennen die das. Der Amische fühlte sich, wie wenn er aus der beschränkten und fertigen Welt der Amischen, wo es nur schwarz und weiß gab, entkommen war und kehrte am Ende auch nicht nach Hause zurück, obwohl das bedeutete, dass die Familie sofort jeden Kontakt zu ihm abbrach. Er war u.a. dem totalitären System entkommen, weil ihm der Pflichtunterricht, der in dem Staat vorgeschrieben war, ermöglicht hatte, die totalitäre Weltsichtweise seiner Welt abstrakt zu reflektieren und zum Schluss zu kommen, dass er in einer anderer Welt leben wollte.
Wäre er nur bei den Amischen groß geworden, ohne Gegengewicht, hätte er diesen Punkt gar nie erreicht.
Ich möchte mich auf den Punkt deines Posts erstmal fokussieren, weil ich dieses Thema einmal durchgehen will, anstatt dass wir uns im Kreis drehen.
Und da will ich die Frage stellen: Inwiefern braucht man denn bei einer Bank oder um einen Arztbericht zu verfassen wissen, welches man oberhalb von Klasse 7 lernt?
Um deine Kosten mit deinem Einkommen zu verrechnen brauchst du nichts, was über grundrechenarten und prozentrechnungen und dreisatz hinausgeht. Ich jedenfalls hab das nie gebraucht. Brauchst du da algebra? Oder brauchst du da Kettenbruchzerlegungen?
Nein. Du musst da ein bisschen rechnen. Das bringt dir die Schule aber nach der Unterstufe nicht mehr bei. Eigentlich sind die kiddies in Klasse 6 oft fitter im Kopfrechnen als die darüber, weil du darüber das eigentlich nicht mehr machst in der Schule.
Genauso bei den Arztberichten (die du letztendlich als Physiotherapeut nicht schreibst, aber nehmen wir es mal als Beispiel).
Du schreibst da SAchen rein, die dir in deiner Ausbildung beigebracht worden sind. Dazu musst du halt lesen und schreiben können, ok, aber sicherlich nichts, was du irgendwie in Textanalysen oder sowas gelernt hast in Deutsch tun. Dazu brauchst du kein Schulwissen was eben oberhalb dieser absoluten basics aus der Grundschule angesiedelt ist.
Auch dein Beispiel von dem Unternehmer, der schauen muss wie er investiert, ist nix, wobei dir Schulmathe helfen kann.
Wo lerne ich da denn, was wirtschaftlich sinn macht? Ich lerne abstrakte Sachen um Aufgaben zu lösen die recht eng gefasst sind. Ich lerne sicher nicht, wie ich ein Unternehmen aufbaue.
Dass da wirklich ein kleinunternehmer eine Kostenfunktion ausrechnet, passiert eigentlich eher selten. Der wird helle genug sein um seine KOsten zu überschlagen (und um das sinnvoll zu tun braucht man bei KLeinunternehmen keine Kostenfunktion) und große Unternehmen beauftragen dazu leute, die wirklich BWL können.
Ich sehe hier also beim besten Willen nicht, inwiefern deine Beispiel irgendwo Schulwissen erfordern sollten.
Und das ding ist: Nehmen wir an, ich will lernen was eine Kostenfunktion ist und wie das geht. Dann sind die hochgeladenen videos auf youtube oder entsprechende bücher schlichtweg BESSER als das, was mir in der Schule beigebracht wird und ich lerne das an einem Tag, weil es nicht besonders schwer ist. Aber das ist wie gesagt hier nicht der Punkt an dieser stelle. Lediglich, dass für die Beispiele, die du mir genannt hast, man kein Schulmathe oberhalb der Grundrechenarten braucht.
Für die meisten Jobs, wo irgendwas berechnet wird, gibt es ja sowieso genormte exceltabellen mittlerweile. Der Physiotherapeut jedenfalls braucht kein mathe.
MissMary schrieb:Wie kommst du denn darauf, dass das Abi als Studiengrundlage ungeeignet ist? Wie viele Studenten kennst du? Die meisten Leute kommen ganz gut durch ihr Studium, schließen das erfolgreich ab und arbeiten.
Warum soll Grundwissen bedeutungslos sein? Unterhalte dich mal mit Leuten, die die Schule vor der 7. Klasse verlassen haben. Meine Freundin arbeitet an einer Schule, die so versprengte Jugendliche wieder eingliedert. Die haben es heftigst schwer und machen oft freiwillig als erstes einen Schulabschluss nach. Warum? Weil das fehlende Wissen, was du als nutzlos ansiehst, sie davon abhält, vernünftig am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu lassen, der Einstieg ins Berufsleben fällt schwer, etc. etc.
Ich bin langzeitstudent (nicht, weil ich so unerfolgreich bin, aber weil ich ein zweites fach studiere nach meinem mathe master) und darum kenne ich hunderte studenten. Ich geb als NAchhilfelehrer sogar einigen Maschinenbauern und anderweitigen Mint studenten ebenfalls nachhilfe (solange das halt die immer gleichen HöMa kurse sind ist das leicht verdientes geld) und weiß dadurch auch, was die so normalerweise im ersten semester können und machen müssen.
Die meisten Leute kommen ganz gut durch ihr studium, weil sie im studium das, was sie in der schule angeblich gelernt haben, nochmal richtig lernen. Weil die Unis wissen, dass in der Schule eh nichts davon wirklich rumkommt. Darum lernst du selbst im vorkurs für das Mathestudium nochmal bruchrechnen, für die, die selbst das nicht können (ist derselbe vorkurs wie für maschinenbau und anderen kram wo man mint braucht).
Auf das mit der siebten klasse komme ich, weil da die wirklich grundlegenden dinge abgeschlossen sind, die man wirklich in der kindheit lernen sollte um diese Denkmuster zu schulen (wenn man nicht rechnen gelernt hat ist es wirklich sehr schwer, das nachzuholen).
Danach lernt man nur noch sachen, die man wirklich ohne weiteres auch später lernen kann.
Dassn Leute ihren Abschluss nachholen hat doch nix damit zu tun, dass sie das Wissen brauchen. Die brauchen den Abschluss zum arbeiten. Wohlgemerkt, DEN ABSCHLUSS. Nicht das Wissen.
Im Übrigen: In meinem Konzept könnten sie, wenn sie wirklich denken, das wissen zu brauchen, ja sich dieses wissen jederzeit holen. Mit weniger Hürden sogar als heute.