Tussinelda schrieb:deswegen heisst es ja auch Antisemitismus und nicht Rassismus.
Es heißt Antisemitismus, weil man die Juden als "semitische Rasse" zählte, wir sind hier also bereits in den Rassetheorien, da ergibt es keinen Sinn, das prinzipiell zu 2 verschiedenen Phänomenen zu erklären (und nein
@Realo, das ist nicht dasselbe bei "Arabern", weil die auch "Semiten" sind, niemand ist "Semit". Man wollte von dem Begriff später sogar abrrücken, weil man die "Araber" explizit auschließen wollte und sie nicht dazugehören. Der Begriff wird und wurde immer ausschließlich für Juden gebraucht).
Juden nach Abstammung bzw Blut zu "erkennen" und unterzuordnen ist älter als die Kolonialzeit.
Die "Blutreinheit", die die Spanier und Portugiesen anschließend bei ihrer Kolonialisierung der USA durchsetzten, beruht sogar direkt darauf.
@RealoDas ist genau das, woran die US-Forschung krankt. Es wird alles nur auf Hautfarbe bezogen bzw reduziert.
Das mag für die USA ok sein, weil es mehr oder weniger die Realität widerspiegelt, verliert aber außerhalb der Grenzen seine Bedeutung.
Die USA sind ein Einwanderungsland und dieser ganze Abstammungs- und Linguistikquark verlor dort immer mehr an Bedeutung...obwohl die sowas wie die One-Drop-Rule kennen.
Dieser ganze Abstammungs- und Linguistikmüll ist aber essenziell für die Rassetheorien in Europa bzw die Weiterentwicklungen.
Hier ist "Deutschsein" das Problem und nicht "Weißsein".
Die können sich mit Hautfarbe rassistischen Antisemitismus eben nicht erklären und müssen deshalb von prinzipiell 2 verschiedenen Phänomenen ausgehen.
Ein Nazi in den USA kann doch selbst nicht erklären, was er gegen Juden hat...die müssen auf Verschwörungstheorien zurückgreifen, weil Juden eben "Weiße" sind.
Deshalb nutzen die auch "aryan" als Synonym für "weiß". Das ist aber vollkommen sinnentstellend.
Diese Betrachtung führt zur völligen Unfähigkeit, den Rasse- und Vernichtungsantisemitismus, der im NS kulminierte, zu erklären, den Vernichtungskrieg gegen die UDSSR, die Ereignisse in Polen, Arier im Iran und in Indien usw. Von Asien haben wir dann noch gar nicht gesprochen...Yamato-Rasse etc.
Unter solchen Umständen kann man der Rassismusforschung aus den USA außerhalb der USA keine Beachtung schenken.
Realo schrieb:Wie würdest du denn, da das dein Spezialgebiet zu sein scheint, den Antisemtismus der Nazis definieren?
Was heißt definieren an dieser Stelle? Es ist Rassismus in seiner schlimmsten Ausprägung.
Tussinelda schrieb:ass bei Rassismus eine Abwertung, Minderwertigkeit, Unterlegenheit des anderen zählt, bei Antisemitismus sind es Verschwörungstheorien und Vorstellungen von der Übermacht der Juden, sie werden quasi überhöht, können dadurch für alles Böse auf der Welt verantwortlich gemacht werden.
Es gibt in der NS-Ideologie nicht Minderwertigeres als einen Juden, nicht Minderwertigeres als eine "kulturzersetzende Rasse". Die Verschwörungstheorien sind nicht Beleg für die Differenz zwischen beidem, sondern resultieren aus dem simplen Punkt, dass man die Realität mit diesen Theorien in Einklang bringen musste.
Eine Minderwertigkeit und Unterlegenheit geht hier eben mit Macht einher, auch wenn das paradox erscheint.
Realo schrieb:Für mich ist dieser Punkt (Versuch einer vollständigen Definition von Antisemitismus, der alle Komponenten und ihre Wechselwirkung erklärt) sehr wichtig, weil es darum geht zu versuchen den heutigen Antiislamismus bzw. Islamophobie umfassend zu erklären, der eigentlich prinzipiell nur ein Umswitchen vom Antisemitismus zum Antiislamismus ist; der Feind ist nicht mehr "der Jude", sondern "der Muslim".
Das ist Unfug und Projektion, die auf deutschen Komplexen beruht, weil man irgendwie auch 2019 noch versucht, den NS zu verhindern.