Tussinelda schrieb:Du meinst, was Du mittlerweile als Setting postulierst, denn anfänglich war Dein Setting ja, jemanden einfach mal zu fragen, ob es OK wäre, die Person N**er zu nennen. Da ergibt sich zwangsläufig die Frage, warum man irgendeine Person überhaupt so benennen wollen würde. Warum man eine Person das fragen sollte.
Ja, ich gebe zu, dass ich das anfangs nicht ausführlich genug kommunizierte, und durch die verkürzte Darstellung selbst den Nährboden dafür geschaffen habe, dass irgendwelche abstrusen Szenarien unterstellt werden konnten. Dachte irgendwie es wäre klar, dass es sich um eine intimere Atmosphäre handeln müsse, sonst geht das natürlich nicht wirklich.
Wie schon mehrfach erwähnt, gehe ich mit der PC durchaus konform, was den Dialog im öffentlichen Raum angeht. Einfach deshalb, weil da die Wahrscheinlichkeit groß ist, dass man jemanden ungewollt verletzt.
Im Privaten halte ich es aber lieber anders, weil mir das sonst zu oberflächlich, zu gestellt, zu sehr gespalten in "die Opfer", die sich immer und überall verletzt fühlen können, wenn ein in der öffentlichen Wahrnehmung falscher Begriff fällt, und "die Täter", die einen Eiertanz um doch schon recht häufig wechselnde Eigenbezeichnungen aufführen müssen, von denen sie sich letztlich trotzdem nicht sicher sein können, ob sie heute wirklich noch
Anklang finden. Irgendwie spaltet das im privaten Bereich mehr, als dass es die Menschen zusammen führen würde, und das ist die eigentliche Last dabei.
Nehmen wir alleine die Gruppe der POC. Ich stamme aus einer Zeit, als das NWort noch gängig war. Kurz darauf sagte man "Schwarzer", kurz später "Farbiger" dann wieder eher "Schwarzer", und heute eher POC. Wobei ich mir gar nicht sicher bin, wie die Betroffenen tatsächlich drauf reagieren würden, wenn ich diesen Begriff verwenden würde.
Meine damaligen HipHop Kumpels könnten mich heute sehr leicht für einen PC-Übertreiber halten, wenn ich das so heute anbringe. Kann ich leider nicht prüfen, die Kontakte sind längst gerissen.
Tussinelda schrieb:durch Befragung weniger einzelner Personen, auf die sich dann nämlich Dein Erkenntnisstand ausschliesslich bezieht. Außerdem klingt das sehr nach egoistischem Bedürfnis. Und Du magst das als philosophische Erkenntnisarbeit ansehen, ich sehe da nur das typische Verhalten von Menschen, die von Rassismus Betroffene quasi zwingen, sich positionieren zu müssen.
Hm, irgendwie komme ich mit meinem Anliegen nicht so ganz durch. Vllt liegt es an der Hektik hier, und ich fasse mich deshalb zu ungenau.
Ich versuche es mal Schritt für Schritt und auch etwas ausführlicher.
Schau, ich lehne einfach alles ab, was Menschen in Schubladen kategorisiert. Jede Art von identitärem Denken ist mir völlig fremd, und so wirkt auch das sehr befremdlich auf mich, wenn mir eine übergeordnete Instanz erzählen will, dass "die" so und so genannt werden wollen. Das alleine postuliert schon eine gemeinsame Gefühlsebene der besagten Gruppe, die ich so nicht glauben kann. Unter bestimmten politischen Umständen und aus Gründen der kommunikativen Ökonomie im öffentlichen Raum halte ich so eine Verkürzung/Halbwahrheit für legitim, aber unter anderen Umständen, im direkten zwischenmenschlichen Kontakt, wie weiter oben benannten, eben für zu weit gehend.
Da ist einfach nichts emanzipatorisches drin, was tatsächlich dem Rassismus entgegen wirken würde, sondern ganz im Gegenteil. Diese Art von Unterteilung in Gruppen und von Postulieren von Opfer-Täter Szenarien macht es doch einem einfachen Menschen erst recht schwer, die alten Denkmuster von Die und Wir aufzugeben, und den Menschen einfach nur als Mensch zu sehen. Das hat doch eher sogar was Reaktionäres, diese sprachliche und dadurch auch massenpsychologische Gruppeneinteilung.
Diese identitäre Denke von Täter-Opfer zementiert doch erst recht den Unterschied zwischen den Gruppen, und befeuert unterschwelligen Zwist, weil:
.. -Obacht, Stammtischparolen, um es etwas plakativ zu machen-
DIE schon wieder irgendwas von UNS wollen, und WIR uns schon wieder nach deren Befindlichkeiten richten müssen, obwohl DIE UNS so viel zu verdanken haben, immerhin lassen WIR DIE in UNSER Land. etc.
Das Szenario von DIE und WIR kann man jetzt beliebig ausbauen, und immer seltener kommt es gesamtgesellschafltich betrachtet dazu, dass man dann, wenn man einen Betroffenen trifft, sich auf ihn als Mensch einlässt, sondern es schwingt zu oft ein unterbewusstes DIE im Raum mit.
Das ist doch der eigentlichen Sache, also dem Kampf gegen den Rassismus, der ja nur dann gewonnen werden kann, wenn es keinen gesellschaftlich breit gedachten Unterschied zwischen Die und Wir mehr gibt, schon alleine aus diesen Gründen wenig zuträglich, denke ich.
Deshalb lasse ich die ganze reaktionäre Denke von Die und Wir im privaten Bereich einfach beiseite, und betrachte jeden Menschen als das was er tatsächlich ist, wenn ich ihn neu kennenlerne. Ein völlig unbeschriebenes Blatt, das ich erst mit ihm zusammen füllen muss.
Das ist der erste Schritt um eine vorurteilsfreie Intimität zwischen den Menschen zu schaffen, und genau das ist, was sich in meiner Lebenspraxis als gangbare Lösung für mich heraus kristallisiert hatte.
Ich bin mir ziemlich sicher, dass Rassismus kaum eine Chance hätte, wenn diese Vorgehensweise als Kulturgut Einzug hielte.
Die Grundvoraussetzungen dafür haben wird. Die gesetzliche Lage schützt die Minderheiten sehr gut, selbst struktureller Rassismus ist heute eher eine Frage von ökonomischer Wirklichkeit und Bildungsunterschieden, also eine Frage von sozialer Klasse, nicht mehr so sehr von Hautfarbe und Herkunft. Den Rest müssen die Menschen selbst schaffen, finde ich, indem sie einfach ihre identitäre, rückwärtsgewandte Denke zumindest im privaten auf ein Minimum reduzieren.
Dass das im großen politischen Diskurs nicht geht, ist mir klar. Dafür gibt es noch zu viele Unterschiede, und denen muss man auch irgendwie so begegnen, dass zumindest eine Mehrheit damit leben kann. Hier hat die PC durchaus gangbare Kompromisse anzubieten, richtig. Anderenorts, im Privaten ist das wie beschrieben eher eine Schranke die zwischen uns und denen hoch gezogen wird, und die uns alle mehr trennt, als uns zu einen.