@allSchöner Betrag von Jakob Augstein:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/g20-ausschreitungen-das-tabu-der-gewalt-a-1158289.html...Jedes Gespräch über die Gewalt muss mit der Bekräftigung ihrer Ablehnung eingeleitet werden. Wer dieses Ritual verletzt, macht sich verdächtig.
Die Gewalt stellt in einer weitgehend tabulosen Gesellschaft eines der letzten Tabus dar. Darum hier die Klarstellung: Die Beschreibung eines Sachverhalts kommt nicht seiner Rechtfertigung gleich.
Was die Gewalt angeht, belügen wir uns selbst. Erstens loben wir die Gewaltlosigkeit, leben aber in einer auf Gewalt gegründeten Kultur. Und zweitens halten wir das Gewaltmonopol des Staats für sakrosankt, obwohl wir wissen, dass Gewalt ein Mittel der politischen Auseinandersetzung ist.
Wir sind stolz darauf, in einer immer gewaltloseren Kultur zu leben.
Aber unsere Gewaltabstinenz gilt nur im Inneren, nicht nach außen. Die entscheidende Differenz besteht in Wahrheit nicht zwischen Gewalt und Nichtgewalt, sondern zwischen Innen und Außen. Wir unterdrücken im Inneren die Gewalt, die wir nach außen üben. ...
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Gewalt schafft Fakten, an denen auch der demokratische Rechtsstaat nicht vorbeikommt. Denn auch der Staat kann sein Recht nicht um jeden Preis durchsetzen. Und zwar, weil zu seinen Prinzipien nicht nur die Rechtsförmigkeit gehört - sondern auch die Verhältnismäßigkeit. Will der Staat nicht repressiv auftreten, muss er bisweilen einlenken.
Ist der Staat also die Geisel linker und rechter Gewalttäter? Die Frage ist falsch gestellt. Gegen vehementen Widerstand lässt sich in der offenen Gesellschaft kein staatliches Handeln durchsetzen - ganz gleich, wie rechtmäßig es ist. Das ist eben der Unterschied zur Diktatur. ...