HeinrichB schrieb:Wie siehst Du da einen Geisterfahrer an, der zum Geisterfahrer wurde, weil er einen Ausfahrt verpasst hat? Wäre das zukünftig auch Mord?
Schwierig. Es wurde vor nicht allzulanger Zeit ein Geisterfahrer wegen Mordes verurteilt, weil er auf der Autobahn in Suizidabsicht in den Gegenverkehr gefahren ist. Es kam zu einem tödlichen Unfall. Der lebensmüde Autofahrer überlebte (welch schreckliche Dramen sich da bei Täter und Opfer abspielen, das kann man gar nicht ermessen!). Er wurde wegen Mordes verurteilt, weil es ihm gerade darauf ankam, einen Unfall zu verursachen. Um selbst zu sterben nahm er den Tod der kollidierenden Autofahrer in Kauf.
Das sehe ich als klassischen Fall des bedingten Vorsatzes. Auch wenn das Ergebnis schon ganz schön heftig ist. Schließlich hatte der Täter gehofft, nicht zu überleben. Und ich weiß nicht, wie lange er die Haft überlebt.
Beim fahrlässigen Geisterfahrer kommt es darauf an: Sagt er sich "Hurra, endlich mal ein Abenteuer, denen weiche ich als König der Landstraße allen aus!", dann sind wir wieder in Berlin und beim Vorsatz (meiner Ansicht nach: trotzdem Fahrlässigkeit). Wird er dagegen panisch ob der vielen Geisterfahrer, die ihm entgegen kommen, gibt Gas und es gibt Tote, dann fahrlässige Tötung.
kleinundgrün schrieb:Aber die Stärke unseres Strafrechtssystems ist gerade, dass es kein case law ist. Sondern dass Gesetze allgemeingültig sein sollen. Das bedeutet aber zwingend, dass es in manchen Fällen ein unbefriedigendes Ergebnis gibt.
Dann wäre das aber meine subjektive Beobachtung, die nicht zutreffen würde.
threefish schrieb:Die Praxis des bedingten Vorsatzes hat sich in der Rechtspflege gebildet.
Im Grunde auch zu Recht:
Wenn der Bankräuber die Geisel fesselt, so dass sie keine Luft mehr bekommt und sie nach ein paar Minuten erstickt, weil er sich mit dem Geld davon macht, dann
1. wollte er sie nicht töten (keine Absicht),
2. er konnte auch nicht sicher wissen, dass die Geisel sterben würde (keine Wissentlichkeit).
3. Und dem stellt die Rechtsprechung nun gleich, dass er erkennt, dass die Geisel getötet werden könnte, er dies nicht will, aber es ihm egal ist, er sich damit abfindet, weil er flüchten muss oder eben billigend den Tod in Kauf nimmt.