MokaEfti schrieb:Hättest du die Diskussion nur ansatzweise beobachtet
Ich hab so meine Allmy-Phasen, bin zwar manchmal für Wochen oder Monate nicht da, aber diese Diskussionen die teilweise schon seit Jahren laufen verändern sich ja nicht grundlegend.
Ist nicht das erste mal, dass ich mich hier beteilige und der Vorwurf, dass ich nicht weiß was hier diskutiert wird ist falsch.
MokaEfti schrieb:dass ein besserer Sprachgebrauch längst keine Ideologie aus den Köpfen zaubert.
Das ist ja auch nicht die Behauptung. Aber ein besserer Sprachgebrauch ist ein Weg da hin.
Inklusive Sprache zu normalisieren sollte kein kontroverses Unterfangen sein in einem Land, dass sich die Menschenwürde an erster Stelle in die Verfassung geschrieben hat.
MokaEfti schrieb:Zum anderen ist es längst nicht damit getan, Betroffene als ein leicht beschränktes, tränesrühriges Kollektiv darzustellen, deren Meinung als Betroffene immer gut und richtig und deckungsgleich ist.
Macht doch keiner. Und mag ja sein, dass es einzelne Vertreter ethnischer Minderheiten gibt, die persönlich kein Problem mit verbalem Rassismus haben, aber auch die werden nichts gegen inklusivere Sprache haben.
Ich hab so jemanden allerdings noch nicht getroffen.
navi12.0 schrieb:Es ist nicht mehr primitiv und asozial als jeden, der aus völlig harmlosen nicht rassistischen Gründen ein umstrittenes Wort benutzt als Rassisten zu bezeichnen
Die Reaktion beim Vorwurf des Rassismus gleich den Beleidigten zu spielen zeigt doch eigentlich schon was das Problem ist. Statt sich selbst zu hinterfragen und den Vorwurf ernst zu nehmen, begibt man sich in die Opferrolle und tut so als wäre der Vorwurf absurd.
Die Worte noch benutzt zu haben ist nicht das Problem. Sie weiterhin nutzen zu wollen, nachdem man über die rassistische Wirkung aufgeklärt wurde, das ist das Problem.
navi12.0 schrieb:Stichworte wie "Konservative Revolution" sollten da jeden etwas aufhorchen lassen.
Gegen solche Holzköpfe muss man sich durchsetzen, nicht ihnen nachgeben. Faschismus ist nicht die Folge von "zu radikaler" Gerechtigkeit.
navi12.0 schrieb:Deshalb genau plädiere ich ja dafür, den Menschen zunächst als Mensch zu sehen, ihn als Individuum zu behandeln
Kannst du ja machen, aber dabei darfst du nicht die historischen und systemischen Diskriminierungen unter den Tisch fallen lassen, die sich seit jeher durch unsere Gesellschaften ziehen.
Fordert man Quoten heißt das Argument Leistungsgesellschaft.
Aber der Status Quo ist doch nicht das Resultat einer fairen Leistungsgesellschaft. Denkt jemand ernsthaft, dass 50 mittelalte weiße Dudes die 50 qualifiziertesten Menschen darstellen um die 50 deutschen Dax-Konzerne zu leiten?
Das ist das Resultat einer viel perfideren Quote, die viele nicht wahrnehmen, weil sie schon immer da war und nicht explizit gemacht wird.
Aber wehe jemand will da was dran drehen, dann ist das Geschrei groß.
navi12.0 schrieb:Genau darum denke ich, dass sich die Kommunikation -so sie tiefer gehen will- von etwaigen politischen Rahmenbedingungen und parteilichen Vorgaben emanzipieren sollte.
Damit wird man der gesellschaftlichen Realität nicht gerecht. Wenn wir multikulturelle, liberale, demokratische Gesellschaften haben wollen, können wir nicht an Umständen fest halten, die an diesen Werten nie gemessen wurden.
navi12.0 schrieb:Trotzdem ist sie nur ein Vehicle, das bestimmte Informationen über bestimmte Befindlichkeiten transportiert, und erst diese Info bestimmt maßgeblich den Rest. Es ist sicher nicht die blanke Sprache, die was schafft. Es ist die Intention dahinter.
Das ist ja ein viel diskutiertes Thema, ich würde da am ehesten auf Foucaults Wahnsinn und Gesellschaft verweisen in dem er ganz gut erklärt wie die Rationalisierung unserer Welt und die Kategorisierung über Sprache unser denken und handeln ganz maßgeblich leitet.
Sein Beispiel ist die Aufklärung und die medizinische Teilung zwischen "normal" und "wahnsinnig".
Es brauchte die wissenschaftliche Fundierung von Wissen um wahnsinniges von nicht wahnsinnigem Unterscheiden zu können.
Und mit dieser Unterscheidung wurden Menschen die als wahnsinnig eingestuft wurde als der Gesellschaft heraus genommen. Menschen die zuvor seit jeher ihre Rollen in Gesellschaften gespielt hatten.
Ganze Kulturen und Religionen gingen auf Leute zurück die man zu anderen Zeiten aus der Gesellschaft entfernt hätte. Würde heute noch jemand auf jemanden hören der Dämpfe aus nem Erdspalt inhaliert und wirres Zeug labert? Eher nicht, aber Mensch die nicht dümmer waren als wir haben danach ihr ganzes Leben gerichtet.
Anderes Beispiel sind die alten Griechen, die sich den Kopf zerbrochen haben über moralisches Handeln aber zu keiner Sekunde die Moralität der Sklaverei in Frage stellten, da der Sklave eben eine bestehende Kategorie in der gesellschaftlichen Realität war und im Denken der damaligen Zeit gar nicht in Frage aufkam ob man Sklaven gleiche Rechte einzuräumen hat.
Meine Großelterngeneration lebte in einem Deutschland in dem Juden offen diskriminiert und dann Vernichtet wurden. Die allermeisten haben sich damals auch für "die Guten" gehalten. Zwei Generationen später Frage ich mich wie denkender Menschen sowas zulassen konnten.
Man unterschätzt wie kontextabhängig und subjektiv unser Denken ist.
navi12.0 schrieb:Keine Ahnung.
Es gibt einige Gesellschaften, die keine binäre Geschlechtervorstellung haben. Thailand bspw.
Ich denke in den nächsten 50 Jahren wird sich das bei uns auch ändern.
navi12.0 schrieb:Ich meine, dass gewisse biologische Unterschiede zwischen M und W wohl nicht bestreitbar sind.
Aus der biologischer Zweiteilung ergibt sich noch lange nicht die Bedingung individuelle soziale Identitäten an einem binären Mann/Frau Bild festzumachen.
Wir priorisieren hier einen Unterschied aus historischen und kulturellen Gründen ganz enorm.
Stell dir vor wir hätten bspw. Körpergröße als entscheidendes Merkmal gewählt und die Identitäten der Menschen würden sich nach Größe richten. In manchen Tierpopulationen ist sowas zu beobachten.
Und diese Priorisierung wird hinterfragt von sowas wie der Genderforschung. Bisher habe ich noch keine gute Rechtfertigung gehört.
Und die berüchtigte "critical race theory" hinterfragt die Priorisierung der Hautfarbe (einem phenotypischen Merkmal von unzähligen) in unseren Denkmustern.
Und wenn man danach fragt warum das so ist wie es ist, ist Antwort nie ein triftiger Grund, sondern immer der Verweis auf einen chaotischen und irrationalen historischen Verlauf, der sich aktuell in einem bestimmten Status Quo befindet, der aber nicht so bleiben wird, da nie etwas blieb wie es war.
Warum reagieren die Menschen so empfindlich, wenn man ihnen sagt, dass die Dinge anders sein könnten und einige Dinge sogar anders sein sollten?
navi12.0 schrieb:Das ist mir zu monokausal auf Sprache fixiert. Siehe oben.
Die Monokausalität hast du dir dazu gedichtet. Ich hab das nie behauptet. Ich sagte nur Sprache ist wichtiger als man denkt und wir sollten deswegen diese Debatten sehr ernst nehmen.
navi12.0 schrieb:Wenn du mich schon politisch verorten willst, zumindest innerhalb dieses Gedankenkonstruktes, dann auf die Position eines "universalistischen Liberalismus".
Abgemacht.