1.21Gigawatt schrieb:Dass die selben Argumente wie damals gebracht werden.
Statt auf die Leute zu hören die davon betroffen sind und die Sprache sich entwickeln zu lassen und anderen Gegenüber den minimalen Respekt zu erweisen und sie nicht mit beleidigenden und abwerten Begriffen zu betiteln führt man sich auf wie der letzte Arsch. Primitiv ist das und asozial.
Es ist nicht mehr primitiv und asozial als jeden, der aus völlig harmlosen nicht rassistischen Gründen ein umstrittenes Wort benutzt als Rassisten zu bezeichnen, was ganz sicher auch politisch nicht korrekt sein kann, und der gut gemeinten Bewegung hier nicht wirklich zur Ehre gereicht.
Bei solchen Auswüchsen muss sich keiner Wundern, wenn man ihm etwas deutlicher auf den Zahn fühlt. Bei aller Liebe zum moralischen handeln. So können wir auch keinen gesellschaftlichen Fortschritt forcieren, weil man sich selbst oft mehr Feinde schafft, als es den Leuten/Betroffenen letztlich dienlich wäre.
Stichworte wie "Konservative Revolution" sollten da jeden etwas aufhorchen lassen.
1.21Gigawatt schrieb:Das menschliche Gefühl ist sozial kontruiert.
Vor 800 Jahre hatten die Leute das Gefühl, dass Frauen die ihnen nicht passten Hexen waren. Heute haben sie das Gefühl die sind hysterisch, bitchig oder sonst wie nicht adequat.
Dahinter steckt genau das selbe: Gesellschaftliche Normen denen die Frau es wagt nicht zu entsprechen. Und somit ziehen sie den Zorn derer auf sich, die in den Verhältnissen die Macht haben.
Deshalb genau plädiere ich ja dafür, den Menschen zunächst als Mensch zu sehen, ihn als Individuum zu behandeln, ihn zu seinen Befindlichkeiten bzgl verschiedener Situation selbst zu befragen, damit man ihn nicht als Mitglied irgendeiner politischen Gruppe vorverurteilt.
Genau darum denke ich, dass sich die Kommunikation -so sie tiefer gehen will- von etwaigen politischen Rahmenbedingungen und parteilichen Vorgaben emanzipieren sollte. Zumindest auf der untersten zwischenmenschlichen Ebene. Nur so kann sie echt und frei von Vorurteilen sein, meine ich.
1.21Gigawatt schrieb:Nein, Sprache bestimmt maßgeblich in welchen Rahmen wir denken und fühlen können. Sie entwickelt sich natürlich mit neuen Umständen weiter, aber zieht auch jede Menge Baggage mit sich.
Trotzdem ist sie nur ein Vehicle, das bestimmte Informationen über bestimmte Befindlichkeiten transportiert, und erst diese Info bestimmt maßgeblich den Rest. Es ist sicher nicht die blanke Sprache, die was schafft. Es ist die Intention dahinter.
Es ist nicht das Wort, das so oder so gewertet werden kann, es ist die Absicht, die Botschaft hinter dem Sprachkode, die bestimmte Gefühle in dem Gegenüber wecken kann. Damit erst schafft man zwischenmenschliche Realität.
Man kann auch rassistisch handeln und Menschen diskriminieren, ohne je ein Wort zu ihnen gesagt zu haben. Auf die eigenen Intentionen solle sich also eher fokussiert werden, auf die Absichten und die Gedankenkonstrukte, nicht unbedingt zuerst auf die richtige Wortwahl. Das ist in vielerlei Hinsicht gut gemeint, aber in vielen Fällen einfach auch zu oberflächlich, um einen dauerhaften Fortschritt zu erreichen.
Die Wortwahl ist sicher in manch einer Situation nicht unbedeutend, gerade im öffentlichen Raum, aber letztlich doch nur hohl, wenn das Mindset nicht passt, und man mit schönen Worten hässliches Zeug bewirkt, weil die Absichten hässlich sind.
1.21Gigawatt schrieb:Was denkst du würde es mit unserem Denken und Fühlen machen wenn unsere Sprache keine binäre Geschlechterkonzeption mit transportieren würden?
Keine Ahnung.
1.21Gigawatt schrieb:Genau um diese Jahrtausenden alten Einschränkungen unseres Sprechens und Denken endlich zu brechen gibt es Diskussionen um Pronouns usw.
Ja hm.. die Sinnhaftigkeit solcher Bemühung hab ich noch nicht erfasst, wenn ich ehrlich sein soll. Ich meine, dass gewisse biologische Unterschiede zwischen M und W wohl nicht bestreitbar sind. Daraus ergibt sich meines Erachtens der Rest.
Dass man sowas auch niemals verallgemeinern kann, ist mir bewusst. Keine Frau ist wie eine andere, genau wie kein Mann wie ein anderer ist. Irgendwem geschlechterspezifische Eigenschaften zuschreiben zu wollen, ohne ihn persönlich zu kennen, wird also bestenfalls in einem Vorurteil- schlimmstenfalls im totalen Desaster enden. Mehr muss ich persönlich erstmal nicht wissen, um keinem da zu nahe zu treten.
1.21Gigawatt schrieb:Ob das jetzt Geschlechterrollen sind oder Rassismus, der über die Sprache transportiert und reproduziert wird, nimmt sich wenig.
Das ist mir zu monokausal auf Sprache fixiert. Siehe oben.
1.21Gigawatt schrieb:Naja, weiße Identitätspolitik ist bei uns so standard, dass die Leute es gar nicht als Identitätspolitik wahrnehmen. (Die Union kommt alle paar Monate mit ihrem Schwachsinn einer Leitkultur um die Ecke. Reine Identitätspolitik.)
Stimme ich zu.
1.21Gigawatt schrieb:Deswegen kann ich moderate und rechte Kritik an Identitätspolitik nicht ernst nehmen. Die fordern nämlich nicht weniger Identitätspolitik, sondern nur weiterhin weiße Identitätspolitik ohne Widerspruch.
Kann sein. Ich tue das nicht. Wenn du mich schon politisch verorten willst, zumindest innerhalb dieses Gedankenkonstruktes, dann auf die Position eines "universalistischen Liberalismus".