Political correctness, ein gescheitertes Experiment
01.01.2021 um 14:18Meiner Meinung nach ein interessanter Artikel. Verschlimmert das Gendern die Diskriminierung? Zumindest werden Unterscheidungen und Einteilungen gemacht. Die Lebensrealität gleicht sich doch an und somit auch die Worte und was man damit assoziiert.
.Ich habe mich mit dem deutschen Gendern noch nie wohl gefühlt, dass es sich dabei aber um ein logisches Problem des Genderns handelt, wurde mir erst klar, als ich in England promovierte und dort einen anderen Feminismus kennenlernte. Das erste Mal fiel es mir auf, als ein Professor mich fragte, ob wir in Deutschland Angela Merkel wirklich als „BundeskanzlerIN“ bezeichnen und ob denn die deutschen Feministen nichts dagegen täten.(...)
Was der Professor meinte, war schlichtweg dies: Tun die deutschen Feministen denn nichts dagegen, dass es unterschiedliche Wortformen für Männer und Frauen gibt, dass also Männer und Frauen sprachlich unterschiedlich behandelt werden? Damals erklärte ich dem Professor, dass es um Sichtbarmachung geht. Dass viele Menschen, wenn sie Berufsbezeichnungen hören, das Bild eines Mannes im Kopf haben und dass wir in Deutschland weibliche Wortformen verwenden – gerade auch in Stellenausschreibungen oder offiziellen Texten – um zu verdeutlichen, dass der Beruf auch von Frauen ausgeübt wird.(...)
Wenn wir im Deutschen gendern, dann sagen wir damit: Diese Information ist so wichtig, dass sie immer mitgesagt werden muss. Und wir sagen: Nur diese Information muss immer mitgesagt werden. Es ist richtig, auf alle anderen Identitätskategorien nur dann zu verweisen, wenn sie relevant sind, nur das Geschlecht wird immer angezeigt, damit machen wir es zur wichtigsten Identitätskategorie.
Es ist (heute) selbstverständlich, dass beim Wort Lehrerzimmer oder Schriftstellerverband auch jüdische Lehrer und schwule Schriftsteller gemeint sind, ohne dass wir vom Schriftsteller*schwulen-Verband oder vom Lehrer*juden-Zimmer sprechen, nur weibliche Lehrer und Schriftsteller sollen extra genannt werden. Wenn wir gendern, sagen wir damit, diese Information darf niemals nicht gesagt werden.
Ein türkischer, ein behinderter, ein schwuler Autor, Lehrer oder Immobilienmakler kann manchmal auch einfach nur ein Mensch sein, der Bücher schreibt, Kinder ausbildet oder schimmeligen Baumarktstuck als Liebhaberstück verkauft. Nur eine Frau wird das Frausein niemals los. Und wenn sie sich doch mal als Schriftsteller bezeichnet, erinnert sie ein Kollege. Er erinnert sie daran, dass sie aufgrund ihres Geschlechts niemals Schriftsteller sein kann, sondern immer nur Schriftstellerin, eine Ableitung, eine Form, die eine Grundform braucht, um überhaupt existieren zu können.
Der einzige Weg heraus aus dem sprachlichen Dauerfrausein ist das Ausland, für mich war es Großbritannien. Denn der britische Feminismus hat auf das Problem der weiblichen Berufsbezeichnung das Gegenextrem gewählt. Der englische Gedanke ist schlichtweg dieser: Der Weg zu Gleichheit ist Gleichheit. Wer will, dass Männer und Frauen gleich behandelt werden, der muss sie gleich behandeln und das heißt, sie gleich zu benennen.Hier weiter lesen https://m.tagesspiegel.de/kultur/deutschland-ist-besessen-von-genitalien-gendern-macht-die-diskriminierung-nur-noch-schlimmer/26140402.html
Im „Guardian“ ist das generische Maskulinum progressiv
Zu dem Zeitpunkt, als deutsche Zeitschriften, vor allem die eher links-progressiven, anfingen, anstatt von „Schauspielern“ von „Schauspielern und Schauspielerinnen“, Schauspielenden, SchauspielerInnen, Schauspieler_innen und Schauspieler*innen zu schreiben, beschloss der „Guardian“ – die englische Zeitung der feministischen Linken – nur noch das Wort „Actor“ zuzulassen und „Actress“ zu streichen.Um es anders zu sagen: Während die Deutschen sich für das permanente Benennen von Geschlechterunterschieden entschieden haben, haben die Briten sich entschieden, das Anzeigen von Geschlechtlichkeit so weit wie möglich zu vermeiden. Dafür haben sie mit typisch britischer Pragmatik, die Form gewählt, die ihre Sprache sowieso als generisch hergibt. Diese Form ist im Englischen, genau wie im Deutschen, identisch mit der männlichen Form, im Deutschen wird sie durchaus kritisch als „generisches Maskulinum“ bezeichnet.
Die scheinbare sprachliche Maskulinität von generischen Berufsbezeichnungen wirft ein Henne-Ei-Problem auf: Sind die Berufsbezeichnungen inhärent männlich und brauchen daher eine parallele weibliche Form, oder sind sie inhärent generisch und wirken nur deswegen männlich, weil sie historisch nur von Männern ausgeführt werden durften?