Ahmose schrieb:Leicht gesagt. So einfach wird es nicht werden. Es wird Einsparungen geben müssen, die Gesellschaft wird wieder kriegerischer werden müssen, usw, usf. Das ist gegen die Entwicklung seit 45. Da kann man nicht so einfach den Hebel umlegen, selbst wenn man wollte. Aufrüsten ist teuer und unpopulär. Damit gewinnt man keine Wahlen. Zudem steht es der Ostpolitik seit Brandt entgehen. Dennoch ist es notwendig. Aber es wird nicht so schnell geschehen.
Das ist leider die Realität.
Aber: Ich bin kein Freund davon, wieder Ausreden zu finden warum man etwas nicht machen sollte oder muss. Das ist ja hier leider in vielen Bereichen eine gewisse Unsitte oder so geworden. "Das haben wir doch schon immer so (nicht) gemacht" als Ausrede.
Wir müssen halt irgendwann mal anfangen, in eine gewisse Konsequenz zu kommen. Riesenschritte in kurzer Zeit werden es wohl nie, klar, aber eine gewisse zeitliche und inhaltliche Nachhaltigkeit wünsche ich mir dann doch. Wer nicht resoluter Abschrecken kann, hat weniger Verhandlungs- und Handlungsspielraum wenn jemand anfängt zu zündeln.
Und "alles" was das Kind in den Brunnen lassen fallen kann ist ein gewillter Aggressor, der in seinem Wahnwitz um Großmannssucht bereit ist, zu zündeln. Gerade dann, wenn er sich ausmalt, dass er es kann bzw. auf lange Sicht damit durchkommen könnte.
Naja, ich wünschte wir müssten nicht umdenken und uns im Bereich Verteidigungs- aber auch Sicherheitspolitik mal neu besinnen. Aber es scheint einfach notwendig. So manches Mindset was man bis dato ruhig pflegen konnte muss man ablegen.
So Dinge wie im Stabilisierungseinsatz bloß nicht von Krieg reden, bloß keine Drohnen (naive SPD-Drohnendebatte aus dem Elfenbeinturm die ja bis ca. 2018 oder so noch rege anhielt oder wiederkehrendes Blocker-Thema war, soweit ich mich entsinne), Bundeswehr zu stiefmütterlich behandeln, und und und. So habe ich das zumindest lange wahrgenommen gerade in meinen jüngeren Jahren.
Zugleich muss ich aber auch etwas positiv anmerken, dass sich nicht nur zwingend, aber gerade seit vollem Kriegsausbruch in der Ukraine doch so manches in den Köpfen geändert hat. Das ist gut. Endlich. Ich nehme das zumindest anhand vieler kleinerer subjektiver Wahrnehmungen und Anekdoten so wahr.
- Gefühlt ist bei vielen Sinn und Zweck von Streitkräften gerade zur Defensive wieder klarer geworden
- Gefühlt ist die sonst so stark definierte Gegenwehr klassischer politisch-ideologischer Gegner der Streitkräfte nicht mehr so wahrnehmbar wie vlt. 2000 oder 2010 (sogar die Grünen haben es eher eingesehen, Leute wie Anton Hofreiter gaben aktiv zu sich geirrt zu haben mit mancher alten Haltung)
- Gefühlt ist das Marketing der BW besser/moderner geworden und die Akzeptanz in der Bevölkerung (wo vorher partiell besonders auch gerne Ablehnung oder freundliches Desinteresse weil ggf. zeitgeschichtlich temporär weniger relevant) gestiegen
- Gefühlt ist (leider wegen dem Krieg, aus der Not und einem Zwang heraus) die politische Prioritätensetzung hier insgesamt besser geworden, wenn hier und da sicherlich noch ausbaufähig
- Nicht nur gefühlt sondern ganz real sind nach dem Krieg viele Menschen in die Reserve gegangen, wie verschiedenste Dokumentationen/Reportagen aufgezeigt haben die diese Menschen in ihrem privaten und dienstlichen (Reservisten-)Alltag begleitet haben
passato schrieb:ich krieg da auch jedesmal unbändigen Würgreiz wenn ich ansehen muss wie hier ein ums andere Mal ohne mit der Wimper zu zucken im Lügern-Lavrov Stil einfach die Täter-Opfer Rolle implizit auf den Kopf gestellt wird.
Man stelle sich mal das Szenarium vor: Eine Frau wird nachts überfallen und schafft es irgendwie mit Glück nicht vergewaltigt und erwürgt zu werden. Anschliessend verklagt sie der Attentäter weil sie ihm im Abwehrkampf das Gesicht zerkrazt hat.
Das es tatsächlich Menschen gibt, die sich dann tatsächlich auch noch vehement im übertragenden Sinne auf die Seite des Attentäters schlagen ist mir unbegreiflich. Wie ist das zu erkären? Fehlende intellektuelle Kapazität, die Zusammenhänge zu durchschauen? Hat unser Schulsystem versagt dass man nicht mehr Gut und Böse unterscheiden kann? Persönliche Vorteilsnahme? Eine wirklich bedenkliche Entwicklung.
Ich habe gerade nach aber auch vor dem Russland-Ukraine-Krieg (danach war menschliche Abscheulichkeit in der Argumentation ob vieler Kriegsverbrechen usw. aber noch deutlicher als vorher in anderen Szenarien) die ekelerregendsten, relativierenden und leugnenden Argumentationen gesehen, die einer wahren Mentalgymnastik oder reinster kremlscher Propaganda entsprachen. Twitter z.B. war voll davon.
Ich sag es pauschalisiert und so wie ich es empfinde: Manche Menschen sind Kleingeister bzw. schlicht "programmiert". Sie nehmen populistische konträre Standpunkte ein und werfen nuancierte oder selbstkritische Argumentationsweisen über Bord. Wie ein "Suchti" der all-in gehen muss in seiner Sucht, sei sie drogenbasiert oder sei es z.B. Spielesucht. Man kommt in eine wahre Filterblase in der im wahrsten Sinne mit stumpfen Schablonen unterkomplex in Gut/Böse eingeteilt wird.
Gerade ideologische oder politische Konträre und Populisten sind hier partiell witzig zu beobachten. Ich entsinne mich noch daran wie vor gut 10 Jahren Rechte und Erzkonservative z.B. gern sich (Pseudo-)Patriotismus auf die Fahnen geschrieben haben. Ich habe die Netzdebatten usw. ziemlich regelmäßig verfolgt und hab auch mal etwas populistischer getickt. Ich war in der selben Filterblase unterwegs wie manche heute. Ein gängiges Narrativ z.B. "Links/Grün böse weil anti-Militär, aber unsere Ehrenwerte Bundeswehr gehört doch respektiert und gestärkt!
Wie haben viele der gleichen Leute die konträr usw. waren (also oft auch anti-Westen/partiell anti liberale Demokratie usw) mental umgeschwenkt weil sie krampfhaft ihre gleichen Feindbilder wahren mussten? Simpel: Als dann sogar die Grünen im Kern kurz vor oder spätestens nach dem Kriegsbeginn 2022 umschwenkten und teils sogar pro-BW und Stärkung und Waffenlieferung waren? "Kriegstreiber" usw. riefen die gleichen dann, die vorher im Grunde noch für mehr Respekt oder Ressourcen für die Bundeswehr waren.
Was will ich mit diesen Beispielen veranschaulichen? Simpel: Manche müssen vereinfacht ausgedrückt krampfhaft einfach dagegen sein, zumindest wenn deren alten oder gleichbleibenden Feindbilder eine gewisse Haltung einnehmen. Selbst wenn man sich im zeitlichen Vergleich widerspricht.
Simpler: Die Grünen waren vorher z.B. in der Wahrnehmung eher gegen BW/gewisse Aspekte der Verteidigungspolitik und waren immer lieber für diplomatische Aspekte wie Verhandlungen? Ergo schimpfte man und gab sich ja pro BW und Stärkung aus. Die Grünen sind später neben anderen Parteien für Stärkung der BW weil ein Krieg und unklares Szenario am Horizont es erfordert? Dann ist man plötzlich nicht mehr für BW stärken usw sondern gibt sich als Pazifist und will lieber Verhandlungen.
Also im Grunde ist man immer contra-"Mainstream" und im Zweifel auch pro-Russland. Hauptsache gegen den Westen, liberale Demokratie, EU, Freiheitsrechte auch für relative Randgruppen oder Minderheiten und und und.
Das ging bei manchen z.B. auf Twitter soweit, dass man sich wahnhaft und entmenschlichend in seine konträren populistischen Standpunkte reinsteigerte und kaum noch Maß und Mitte kannte. Im Hass auf die Feindgruppen relativierten manche nicht nur, sondern glorifizierten diese Kriegsverbrechen. Ja, das ist vergleichend auf einem Level gewesen, wo diese Leute im Grunde auch Vergewaltiger und Mörder reingewaschen haben.
Und ich rede hier nicht mal von Leuten die wirklich von einem Staat wie Russland Geld für Propaganda bekommen haben, sondern Überzeugungstätern aus Filterblasen. Weil für die nicht sein kann, was nicht sein darf. Ich habe wirklich mit vielen kritisch 'diskutiert' (diskutieren impliziert irgendwo einen konstruktiv-sachlichen Austausch, es war aber eher gefühlt ein Ankämpfen gegen eine starre Meinung oder Falschinformationen). Es waren über die Jahre Hunderte bis Tausende. Bei vielen immer die gleichen Muster. Da wurden sogar recht eindeutige Kriegsverbrechen geleugnet. Du hast bei manchen selbst mit bester Beweisführung, teils aus russischen Mündern/Quellen selbst, immer gesehen wie die das abgestritten haben um im Nebensatz direkt mit whataboutism ankamen und krampfhaft auf den dann empfundenen bösen Westen, Ami, NATO, EU, Mainstream, was weiß ich wen hinzeigen. Es ist quasi so gesehen als wären diese Leute unfähig gewesen, Russland mit seinem offenkundigen Imperialismus und seiner Kriegstreiberei und seinen Kriegsverbrechen irgendwie mal bewusst und mental anzuerkennen.
Sorry für den Aufsatz im Post aber um abzuschließen gehe ich wieder auf das Vergleichsbeispiel zurück: Das ist so, als wenn du Suchtis kritisch auf ihren Habitus ansprichst und sie dann leugnen und kleinreden oder rechtfertigen.
Es gab in der Summe allein meiner Interaktionen auf Social Media nur einen Prozentsatz an Interaktionen/Menschen mit denen man in diesen Reizthemen halbwegs sachlich und halbwegs nuanciert diskutieren konnte oder wo die Leute nicht blind alles auf der russischen Seite kleingeredet oder verteidigt haben. Generell habe ich aber den Eindruck, dass viele Reizthemen und Debatten polarisierender wurden. Stumpf und kleingeistig fast; zumindest bei russischer Propaganda kamen viele dann mit cherry picking und Einzelnarrativen an die angeblich alles rechtfertigen würden, aber unterkomplex oder verzerrt widergegeben wurden.
Okay, die Regie sagt ich soll endlich zum Ende kommen
:D