Vespasian schrieb:Würde ich so pauschal gar nicht sagen. Da wäre zum einen der derzeit beliebteste Politiker Deutschlands Pistorius, der für eine Kriegstüchtigkeit bis 2029 wirbt.
Da Putin immer mehr Waffen, Raketen und Panzer herstellen lässt und schon längst auf Kriegswirtschaft umgestellt hat, gehen die Nachrichtendienste davon aus, dass er Ende des Jahrzehnts einen Krieg gegen die NATO führen kann und dies voraussichtlich auch vorhat. Was Deutschland betrifft, so hofft er parallel und zusätzlich darauf, dass pro-Putin-Parteien sich mittelfristig durchsetzten könnten und schürt die bekannten Konflikte, die von diesen Parteien (AfD, BSW) zur Polarisierung eingesetzt werden (Flüchtlingskrise seit 2015, Brexit, Coronapandemie und Gegenmaßnahmen, "Friedensbewegung"). Wenn er den Krieg nur gegen Europa oder gar die EU führen muss, hätte er natürlich deutlich leichtere Hand. In seiner Siegesrede vom September 2022 ging er mehrfach auf Deutschland ein und hat dies als "besetztes Land" bezeichnet, in dem sich ein größerer Teil der Bevölkerung gegen den Besatzer auflehne -> er strebt, wenn möglich, die "Befreiung" an.
Ahmose schrieb:Es kommt darauf an, wie der Frieden ausgestaltet wird. Russland geht es weder politisch noch wirtschaftlich gut und sein Militär gibt nun auch kein gutes Bild ab. Wenn es eine robuste Friedenstruppe gibt, die Ukraine sicher in EU und Nato eintreten darf (und sei es nach 20 Jahren) sowie westliche Waffen im Bestand der ukr. Armee verbleiben, dann ist das nicht so schlecht für die Ukraine.
Würde mich in dieser Kombination sehr überraschen, da Putin dies immer ausgeschlossen hat. Wenn es zu einer europäischen Friedenstruppe käme, bedeutete dies keine NATO-Mitgliedschaft. Somit ist es fast sicher, dass Putin versuchen wird, in den nächsten Jahren die Ukraine erneut zu überfallen, um die Regierung durch eine Vasallenregierung zu ersetzen, da sie das schwächste Glied wäre. Insbesondere wenn sich nach dem Brexit England daran nicht beteiligt, sondern es bei einer EU-Truppe bleibt, die dann mehrheitlich aus deutschen Soldaten besteht. Somit würde Deutschland sehr wahrscheinlich direkt in einen Krieg in Europa hineingezogen werden, mit allen Konsequenzen bis hin zu den gezielten Bombardements von Geburtskliniken.
Vespasian schrieb:Es stimmt aber, dass es das nicht zum Nulltarif geben kann. Nach dem Sieg Trumps und der daran anschließenden Schnappatmung ist man jetzt wieder in vorweihnachtlicher Lethargie gefangen, statt wirklich mal zu eruieren, wie man sich europäisch ohne die USA denn in Sachen Verteidigung zukünftig aufstellen kann.
Aufgrund der NATO-Mitgliedschaft konnte Deutschland mit unter 2% des BIP Rüstungsausgaben effektiv eine Abschreckung aufrecherhalten. Fallen die USA, evtl. auch England weg, müsste sich dieser Betrag ungefähr um das 3-fache erhöhen (5-6% Minimum). Putin gibt aktuell 8% des BIP für das Militär aus. Dies müsste nicht aus einem "Sondervermögen", sondern aus dem regulären Haushalt bezahlt werden. Der aktuellen Regierung war es nicht möglich, sich auf einen solche zu einigen. In diesem Fall wäre es einer Friedenstruppe in der Ukraine vielleicht möglich, Europa zu verteidigen.
Selbst wenn die Schuldenbremse aufgeweicht würde, wäre immer noch harte Einschnitte möglich, z.B. drastische Kürzungen bei der Bildung, sofern rechtlich überhaupt möglich, außerdem Kürzungen sämtlicher Sozialleistungen, einschl. Renten, mit allen Folgen für die Wirtschaft und daraus entstehender Arbeitslosigkeit.
Die Folge wäre, dass die Populisten (AfD, BSW) aus Enttäuschung der Menschen an die Macht kämen. Diese brauchen unbedingt den Bruch mit den Westen und den Anschluss an Russland, um das Asylrecht in Deutschland beenden zu können, was beide als Teil ihres Wahlprogramms ausgeben.
Dann hätte Putin auch ohne einen direkten Überfall Deutschland gewonnen und die Staaten östlich davon wären leichte Beute, um einen neuen Block wie früher den Warschauer Pakt zu gewinnen.
Es ist natürlich auch nicht so, dass mehr Waffenlieferungen an die Ukraine automatisch bedeutet, dass die Ukraine Gebiete zurückgewinnt oder verteidgen kann, denn die Größe der wehrfähigen und -bereiten Bevölkerung ist naturgemäß begrenzt und die Urkaine ist hier am Limit. Bei Langstreckenwaffen, die Ziele in Russland treffen sollen, besteht das Risiko das Putin früher oder später Ziele in Deutschland mit Raketen angreifen wird.