Kreuzbergerin schrieb:wird zum Problem, wenn die Befolgung der Gebote der Religion zu einem Verstoß gegen die Gesetze des Landes, in dem die betreffenden Gläubigen leben, führt.
Wie so häufig: Es kommt darauf an.
Ein religiös motivierter Terrorist wird sich natürlich immer damit rechtfertigen, dass er religiöse Gebote befolgt und somit gegen die profanen Gesetze verstößt. Aber auch Teilnehmer an Sitzblockaden vor US-Kasernen argumentierten, dass ihr Glaube sie zum Missachten von Strafgesetzen zwingt. Oder ein Arzt, der aus religiösen Gründen eine Behandlung (Bluttransfusion) unterlässt oder ein Priester, der einen Exorzismus durchführt, an dessen Ende die "besessene" Gläubige wegen unterlassener Hilfeleistung stirbt.
Über Jesu "Gebt des Kaisers, was des Kaisers ist" und Luthers Zwei-Reiche-Lehre sind viele dicke Bücher geschrieben worden. Zum Problem wurde das für viele Gläubige während der NS-Zeit.
Jedenfalls ist die Frage nach dem Geltungsvorrang von religiöser oder weltlicher Norm ein alter Hut. Für jeden Gläubigen, egal welcher Richtung, ist die Glaubensnorm verbindlicher. Aber der Vorrang ist nicht absolut ("Gebt des Kaisers, was des Kaisers ist"). In den christlichen Ländern war die Kirche nach einem jahrhundertelangen Machtkampf gezwungen, folgenden Kompromiss zuzustimmen: Gottes Gebot sei die Befolgung der weltlichen Gebote, da der Regent von Gottes Gnaden Gottes Wille vollzieht. Die Reformation wurde so erst möglich, weil sie sich damit unter den Schutz der Landesherren stellen konnte. Und die Katholische Kirche konnte sich im modernen preußischen Verwaltungsstaat ein kleines Reich bewahren.
Heute haben wir ein Regel-Ausnahme-Verhältnis: Die Kirche regelt nur Dinge, die nicht staatlich geregelt sind. Aber der Vorrang der weltlichen Norm ist nicht originär, sondern akzessorisch zum Vorrang der religiösen Norm "Gottes Wille". So sehe ich das jedenfalls.
Im Islam haben wir auch ein Primat der weltlichen Norm, jedenfalls wenn der Muslime in einem nichtmuslimischen Land lebt. Es ist relativ einhellige Meinung der islamischen Rechtsgelehrten, dass der Muslime in Deutschland die deutschen Gesetze anerkennt. Sofern es zu Kollisionen kommt, sind die religiösen Normen entsprechend auszulegen oder kommen nicht zur Anwendung. Da ist man sehr findig. So wird das Gebot, für die Moschee zu spenden uminterpretiert in das Gebot, Steuern zu zahlen. Es ist eindeutig das Ziel, dass man als guter Muslim in den USA, Frankreich oder Deutschland leben kann, ohne dort die Gesetze aus religiösen Gründen verletzen zu müssen. Und natürlich ist all das Allahs Wille.
Anders sieht das halt aus, wenn die religiösen Normen so interpretiert werden, dass man sich nun im Jihad befinde und mit einer AK47 losziehen muss, um Ungläubige zu töten. Nur gibt es eine solche Norm nicht als Gesetz. Sondern nur als Auslegung durch Prediger und Führer.