Mal etwas allgemeineres zu Drogen.
Hatte in letzter Zeit diverse Arten an Studien zu Cannabis gelesen, gerade mit den Schwerpunkten, die die Legalisierungsgegner setzen. Meinen Eindruck, dass die gesamte Psychosen-Theorie aufgebauscht und empirisch nicht zu bestätigen ist, schrieb ich schon vor ein paar Tagen:
Beitrag von Madboy (Seite 166)Aber dabei habe ich mich auch dem Thema Sucht und Drogen gewidmet. Die Erfahrungen, die in diversen Studien und Experimenten gewonnen wurden, stehen zum Großteil im extremen Widerspruch zur landläufigen Meinung. Heute fand ich auch noch einen englischen Artikel, der genau zum selben Schluss kommt:
http://www.huffingtonpost.com/johann-hari/the-real-cause-of-addicti_b_6506936.htmlNun, worin besteht der Widerspruch? Wenn man sich ohne tiefergreifende Recherche mal ein paar Gedanken zum Thema Sucht nach Drogen macht, so werden die meisten denken, dass die Sucht von der Substanz ausgelöst wird. Diese Argumentation gibt es ja auch gegen die Legalisierung von Cannabis, da dieses süchtig macht und Mensch dabei verwahrlost. Vielleicht war der ein oder andere auch mal in jüngerer Zeit in Präventionsprogrammen, z.B. in der Schule. Da habe ich dann auch gelernt, dass eine Alkoholabhängigkeit meist durch ein dramatisches Lebensereignis aufkommt und durch gefährdende Konsummuster begünstigt werden kann.
Die Theorie, dass Sucht durch den Stoff alleine ausgelöst wird, geht auf ein Versuch mit Ratten zurück. Dabei wurden Ratten in einen Käfig gesperrt, der lediglich zwei Trinkflaschen enthielt: Eine mit Wasser und eine mit einer Kokain-Lösung. Das Ergebnis: Alle Ratten tranken das Kokain-Wasser bis zum Tod (nach etwa 60 Tagen). Auf dieses Ergebnis fußen wohl viele Strategien, die das Drogenproblem zu bekämpfen suchen.
Nur wurde das Experiment viele Jahre später in einem anderen Kontext wiederholt: Statt die Ratte isoliert in einen minimalistischen Käfig zu stecken, wurden diese in Gruppen in ein ausladendes Gehege mit vielen Unterhaltungsmöglichkeiten gesteckt. Das Kokain-Wasser wurde auch hier zusätzlich zur Verfügung gestellt. Ergebnis: Die Ratten tranken zum Teil noch vom Koks-Wasser, aber gerade die, denen es in der Gruppe gut ging, mieden es vehement. Aber auch bei den schlechter gestellten Ratten war der Konsum gravierend niedriger, sodass die Lebenserwartung nicht litt.
Jahre später wurden die vorherigen Experimente kombiniert. Erst Isolationshaft, bis einige Tage vor dem zu erwartenden Tod. Dann kamen sie wieder in eine rattenfreundliche Umgebung mit Artgenossen. Ergebnis: Die zuvor definitiv abhängigen Tiere tranken nur noch selten vom Koks-Wasser und lebten ohne Einschränkungen.
Nun, Tierversuche lassen sich aber nicht direkt auf den Menschen übertragen. Da kommen dann Studien ins Spiel, die ich gelesen habe, aber auch Erkenntnisse aus dem Artikel der HuffPost.
Studien:
Es gibt einige Studien, die Personen mit risikoreichen Konsummustern von verschiedenen Drogen begleitet haben. Dabei untersuchten sie, welche Umstände gehäuft bei den Personen auftreten, die letztlich eine Abhängigkeitsdiagnose (substance use disorder, meist DSM-IV, da V zu neu) gestellt bekamen. Wie man sich jetzt wahrscheinlich schon denken kann, waren die ausschlaggebenden Faktoren sozio-struktureller Natur. Besonders Arbeitslosigkeit und Scheidungen waren herausragende Risikofaktoren, die bei über der Hälfte der Drogenabhängigen vorhanden waren. Cannabis spezifisch interessant war, dass sowohl Konsumdauer und -intensität keine Rolle spielten.
Aus der HuffPost habe ich, dass im Vietnam-Krieg etwa 20% der US Soldaten heroinabhängig waren. Die meisten Rückkehrer (95%) stellten aber direkt ihren Konsum ein.
Man darf aber nicht vergessen, dass Drogen dennoch ein Suchtpotential besitzen, dass direkt aus ihrer Wirkung entspringt. Auch die Gene spielen eine wichtige Rolle.
Wahrscheinlichkeiten für eine Sucht zu entwickeln:
LSD/Psilocybin um 0%
Cannabis 6-10% (für Jugendliche höher)
Alkohol um 12%
Tabak um 17%
Heroin um 20-24%
Genetische Faktoren bis zu 20-30% (erhöht gegenüber Durchschnitt, seltene Kombinationen auch mal höher)
Der Rest: Verschiedenste Faktoren aus sozialem Umfeld, traumatische Erlebnisse,...
Edit: Verwendung mehrerer Drogen erhöht die Wahrscheinlichkeit gegenseitig. Gerade Nikotin erhöht die Abhängigkeitswahrscheinlichkeiten von Alkohol und Cannabis sowie deren Konsumintensität.
Aber es können auch Widerstände gegen Süchte aufgebaut werden.
Warum ich das alles schreibe? Bei der Sitzung der Commission on Narcotic Drugs in Wien ist die Meinung, dass ein harter Umgang mit Drogendelikten zu forcieren ist, immer noch stark vertreten. Aber gerade meine kurze Abhandlung über Abhängigkeit sollte klar machen, dass diese Strategie die Problematik noch verschlimmert.