Der Glaube an Nichts
31.08.2020 um 02:39Gerlind schrieb:Eine scheidente Identität, etwas mit sich selbst identifiziert , ist schon so betrachtet, Differenz.Das ist nicht die einzige Möglichkeit zu definieren, wie man eine Identität mit sich selbst herstellen könnte. Johann Gottlieb Fichte, ein Philosoph des deutschen Idealismus, stellte heraus, dass sich das ICH durch Setzung eines NICHT-ICHs selbst setzt.
Identität mit sich selbst ist Differenz.
Eine 1 identifiziert mit ihrer 1. Sind zwei 1en.
Mancher sieht die 1 , wo ein anderer immer schon auch die Differenz in der Identität sieht.
Das ändert dann eine ganze Logik.
Nach Fichte definieren wir uns eher durch Abgrenzung von dem, was wir NICHT sind. Hier spielt also wieder das "Nichts" eine gewisse Rolle, aber ist es nicht das "Gar-Nichts", sondern das "Nicht-Ich", wozu das Nichts und alles, was wir nicht sind, gehört.
Ich interpretiere Fichte so, dass wir unsere Identität mit uns selbst durch die Dialektik der Erfahrung all dessen, was wir kennen und das wir als etwas betrachten, das nicht zu unserem ICH gehört, (aber das wir erfahren können), erkennen. Das NICHT-ICH sind also alle anderen Menschen. Und die Außenwelt.
Fichte schreibt, dass es das Ideal ist, in Synthese zu gehen mit dem NICHT-ICH, anhand dessen wir uns durch Differenzierung an ihm zwar unterscheiden zunächst, (und durch die Differenzierung unser eigenes "ICH" setzen), aber ich interpretiere Fichte so, dass wir es internalisieren können und zu unserem ICH werden lassen.
Interessant in der hiesigen Diskussion ist, dass das Nichts auch als das gelten kann, was ICH NICHT bin, was also "außer MIR sei", wie ich es formulieren würde. Was ich aber (noch) NICHT bin, kann ich nach Fichte werden.
Jedenfalls ist eine differentielle Sich-Selbstsetzung durch Dialektik zur eigenen Identität nicht nötig. Es mag so sein, dass eine Identität mit sich selbst eine Differenz mit sich selbst wäre, aber das ist schon längst seit Fichte nicht mehr aktuell, denn er beschrieb ja, dass man identisch mit sich ohne sich selbst in Abgrenzung zum NICHT-ICH, also zu all dem, was man (noch) nicht sei, sein kann, dass es aber aufhebbar sei in der Dialektik und Synthese. Aufhebung der Dialektik in der Synthese ist typisch für Hegel auch und für viele Vertreter des deutschen Idealismus. Bei Fichte ist die Synthese von ICH und NICHT-ICH ein Bildungsideal. Er galt ja auch als "Erzieher" und nicht nur Aufklärer.