@Awaresum schrieb:
"Weder der Reisende, noch der Zug und schon gar keine Landschaft bewegt sich. Überrascht?"
Allerdings ! Alles ist Relativ ! Von daher kann man es auch so betrachten. Es kommt auf die Perspektive an. Ich bin ja nicht so, dass ich sage: So wie du es siehst, ist es falsch. Nur so wie ich es sehe ist es richtig.
:DAus der Perspektive eines Aussenstehenden bewegt sich eindeutig der Zug. Und das ist richtig.
Aus der Perspektive des Reisenden bewegt sich eindeutig die Landschaft. Und das ist ebenfalls richtig.
So, nun sagst du folgendes:
"Bewegung entsteht nur dann, wenn man seine Aufmerksamkeit über die Inhalte seines Bewußtseins bewegt."
Merkst du, welche Perspektive Du einnimmst? Die übergeordnete von oben, welche sowohl die Landschaft, den Zug und den Reisenden im Blickfeld deiner Aufmerksamkeit hat !
Diese Perspektive hat aber weder der Aussenstehende am Bahngleis, noch der Reisende. Aus deren Sicht ist oben gesagtes zutreffend. Deine Perspektive hingegen ist eine imaginäre !
Niemand schwebt über dem Zug und kann durch das Dach hindurch den Reisenden erblicken, was er gerade denkt, dabei den Reisenden beobachten, was er gerade tut, den Zug dabei beobachten wohin er fährt und die Landschaft noch dazu, wo ein Aussenstehender am Bahngleis steht...
Von dieser Perspektive aus ist auch dieses richtig:
"Solange du keine geistigen Überzeugungen vom Vorhandensein deiner Selbst (das, was du ein Ich nennst), eines Zuges und einer Landschaft in deinem Bewußtsein erschaffen hast, weißt du nicht mal, dass es dich (das, was du ein Ich nennst), einen Zug und eine Landschaft gibt.
Und über genau diese geistigen Überzeugungen bewegst du deine Aufmerksamkeit und hast den Eindruck "Ich fahre in einem Zug durch eine Landschaft"."
Was du "Aufmerksamkeit" nennst, das ist für mich eher eine Art Bewusstwerdungsprozess. Und Bewusst wird man sich immer gerade der Dinge, denen man seine Aufmerksamkeit widment.
Wenn ich meine Aufmerksamkeit (hier könnte ich auch meinen Fokus, meine Bewusstsein oder mein Interesse meine Neugierde einsetzen)
nur auf die schöne Landschaft richte, vergesse ich dabei alles andere um mich herum. Ja sogar, dass ich selbst bin. Denn ich verliere mich dabei völlig in der Betrachtung der Landschaft und werde mich nichteinmal bewusst darüber, dass Ich bin. - Weil das in dem Moment auch gar nicht interessiert. Ich selbst entscheide in dem Moment, ich bin jetzt selber gar nicht wichtig, nur die Landschaft zählt. Man könnte es auch reine Konzentration nennen In diesem Falle konzentriert sich mein gesamtes Bewusstsein nur auf die Landschaft.
Wenn ich allerdings über irgend eine Erinnerung nachdenke, dann verlagert sich meine Konzenttarion, mein Bewusstsein auf meine Erinnerung und dann zählt nur diese. Alles andere ist mir das nicht Bewusst. Dann bemerke ich auch keinen Tunnel. Weil ich meine Aufmerksamkeit, meinen Fokus, mein Bewusstsein, meine Konzentration nur auf meine Erinnerung lenke.
Wenn ich meine Aufmerksamkeit, meinen Fokus, mein Interesse, meine Konzentration auf das Zugabteil lenke, wird mir alles bewusst, was darin geschieht. Mein Nachbar und was er macht, der Schaffner, der gerade herein kommt und nach den Fahrkarten fragt, die Farbe der Sitzpolster usw... Auch hierbei vergesse ICH mich selbst, auch die Landschaft um mich herum.
Die Perspektive welche Du eingenommen hast, nämlich die übergeordnete die von oben auf alles herabsieht um alles im Überblick zu haben, die hat der Mensch aber nicht - Nur in seiner Vorstellungskraft !
Genau genommen betrachtest du auch gar nicht den Zug und die Landschaft, sondern nur den Reisenden und zwar seinen INNEREN Zustand. Du guckst quasi in ihn hinein, was er sich alles bewusst macht, wo er seine Aufmerksamkeit hin lenkt.
Und es ist völlig unmöglich, dass das Bewusstsein alle Teile, wie ein Scanner auf einmal abtatstet und einem dieses Bild, das alles enthält, nämlich die Landschaft, der Zug und man selbst, sich auf einmal gewahr wird. Diese Fähigkeit hat der Mensch nicht !
Wir können uns auf eine Sache konzentrieren und dadurch entschwindet alles weitere andere aus unserem Aufmerksamkeitsfokus. Das heißt nicht, dass es wirklich entschwindet, es entschwindet lediglich vorübergehend unseres Bewusstseins.
Du guckst dir aber nicht das an, was wirklich um den Reisenden herum ist, sondern nur, was in seinem Bewusstsein an Eindrücken abgespeichert ist und wohin er gerade seine Aufmerksamkeit wendet.
Unser Bewusstsein ist in der Tat wie ein Alles-Scanner. Er tastet alles ab und erzeugt dadurch ein Bild IN uns. Was wir wirklich wahr nehmen ist ja nicht die Wirklichkeit, sondern das Bild der Wirklichkeit, welches sich unser Bewusstsein selbst bildet.
Das heißt aber nicht, dass es keine Wirklichkeit ausserhalb unseres Bewusstseins gibt. Nur, jeder bildet sich mit seinem Bewusstsein eben seine eigene Wirklichkeit. (Wie Wirklich ist die Wirklichkeit - Paul Watzlawick
:D).
Und da wir nicht die Fähigkeit haben alles auf einmal abzuscannen, tun wir es eben permanent, aber eben gefiltert. Und der Filter ist unsere eigene Aufmerksamkeit. Das worauf ich meine Aufmerksamkeit richte, ist sozusagen im Sucher, wie bei einer Kamera. Und alles andere interessiert mich in diesem Moment nicht, daher wird es ausgeblendet.
Das ist ja auch höchst sinnvoll, weil uns sonst tausende von Informationen überfluten würden, die wir weder alle auf einmal verarbeiten können, noch sind sie wichtig in diesem Moment. Und was wichtig ist, entscheidet das ICH. - Das sagt: Ich will mir mal die Landschaft betrachten, weil die interessiert mich jetzt. Oder: Ich will die Zeit nutzen und mal etwas in Erinnerungen schwelgen. Oder: Ich will mir doch dieses Zugabteil mal genauer betrachten...
Du schreibst:
- Dein Ich ist IN DIR.
- der Zug ist IN DIR.
- und auch die Landschaft in IN DIR.
Das ist richtig ! Aber nicht ausschließlich ! Dass auch ausserhalb meines Bewusstseins ein Körper von mir in einem Zugabteil sitzt und der Zug durch eine Landschaft fährt ist auch richtig !
:DNur nebenbei erwähnt: Dass im Zugabteil noch ein zweiter Reisender ist, der auch ein ICH, den Zug und die Landschaft als Information (so wie er sie aufgenommen hat) IN sich hat, ist auch richtig. Und dass ein Beobachter draussen am Bahngleis steht, der auch ein ICH, den Zug und die Landschaft IN sich hat bzw. die Informationen davon, die Er sich gebildet und abgespeichert hat in seinem Bewusstsein und dass diese Informationen andere sind, obwohl das ICH, der Zug und die Landschaft die gleichen sind (
:D ) ist auch richtig !
Du drückst dies so aus:
"Das alles ist etwas durch und durch Geistiges. Das nennt man auch eine "Überzeugung". In diesem Fall reden wir von diesen DREI Überzeugungen aus Gründen der Vereinfachung.
- eine dieser Überzeugungen repräsentiert für dich den Zug
- eine andere Überzeugung repräsentiert das, was du dein Ich nennst
- und eine weitere Überzeugung repräsentiert das, was du eine
vorbeiziehende Landschaft nennst (sehr vereinfacht gesagt)
Dein Ich, der Zug, und die Landschaft befinden sich in dir. Wären sie das nicht, wüßtest du nichts über sie."
Wie gesagt, das ist alles richtig, das sehe ich ganz genauso. Nur, aber vielleicht habe ich dich da auch nicht richtig verstanden, kann es ja nicht sein, dass es das ICH, den Zug und die Landschaft ausserhalb meines Bewusstseins gar nicht gibt - Dass diese nur und ausschließlich in meinem Bewusstsein existieren. Denn wäre das so, woher kämen dann meine "geistigen Überzeugungen"???
Ein inneres Bild von etwas kann nur durch das Etwas im Äusseren selbst entstehen und dadurch dass ich es quasi abscanne und in mir abspeichere. Es bedarf daher unbedingt der äusseren Wirklichkeit, um sich eine innere Wirklichkeit damit überhaupt erzeugen zu können. Ohne diese hätten wir auch keine geistigen, inneren Überzeugungen, keine Bilder, keine Informationen, nichts !
Du schreibst: "Und der Eindruck von Bewegtheit, über den wir in diesem Beispiel reden, entsteht, wenn du deine Aufmerksamkeit über diese Inhalte deines Bewußtseins bewegst. Alles Andere ist falsch verstandene Wirklichkeit."
Sicherlich, mein innerer Beobachter in mir, der laufend in Aktion ist, weil er alles um sich herum abscannt, das was du Aufmerksamkeit nennst, erzeugt den Eindruck von Bewegung, wie ein Zeiger, der über ein Zifferblatt fährt, der sobald über etwas herübergefahren, wie ein Scanner die Dinge auf dem Zifferblatt dadurch beleuchtet und sie so dann als "innere Wirklichkeit" aufgezeichnet hat.
Nur, warum schreibst du wieder so einen Satz: Alles andere ist falsch verstandene Wirklichkeit? Es liegt an der Perspektive, es liegt an der Betrachterebene, wie die Wirklichkeit verstanden wird !
Wenn ich die übergeordnete Perspektive von oben wähle, verstehe ich die Wirklichkeit anders, als wie wenn ich im Zug sitze und mir die Landschaft ansehe. Auch der Aussenstehende am Bahngleis hat wieder eine andere Perspektive und nimmt dadurch die Wirklichkeit wieder anders wahr. Alles ist aber richtig !
Auch die Perspektive aus dem Beobachter heraus ist richtig. Je nachdem, welchen Standpunkt und welche Perspektive ich wähle, entsteht ein anderes Bild von der Wirklichkeit. Aber alle diese sind nicht wahrer oder falscher als die anderen. Sie zeigen sie nur aus unterschiedlichen Betrachtungsebenen.