paxito schrieb:Sollte es auch nicht sein, sondern eine Kritik am Emergenz Begriff. Nicht falsch verstehen, ich finde den auch sehr sympathisch. Trotzdem erscheint mir zu oft als eine Worthülse hinter der man Ahnungslosigkeit verbirgt.
Das mag sein, man sollte den Begriff halt nicht überstrapazieren (gilt für so ziemlich alle Begriffe), aber so Beispiele wie mit dem Wasser und Wassermolekülen sind ja recht anschaulich und legen relativ unmissverständlich dar, worum es eigentlich geht. Das funktioniert sogar mit Worten und Buchstaben: Worte haben eine Bedeutung, Buchstaben nicht.
:)Noumenon schrieb:Mag schon sein, ist aber kein Argument für den Antireduktionismus. Dazu müsste man nachweisen, dass diverse Phänomene tatsächlich irreduzibel sind
paxito schrieb:Dass kann man auch schlicht annehmen, bis das Gegenteil gezeigt ist.
Der Hinweis, dass man zwei sich widersprechende Positionen annehmen kann, bis deren Gegenteil gezeigt ist, mag zwar zutreffend sein, hilft aber wenig weiter. Fakt ist, dass so gut wie sämtliche Naturphänomene reduktionistisch erklärbar sind, was dann eben auch für den Reduktionismus spricht. Was aber spricht umgekehrt für die Gegenposition? Nicht ganz unproblematisch an solchen Positionen wie dem Reduktionismus ist natürlich, dass sie in der Regel
generelle Aussagen machen, die also ohne Ausnahme gelten. Das kennen wir schon vom Determinismus, der bspw. besagt, dass
alle Ereignisse eindeutig vorherbestimmt sind. Da genügt ein Gegenbeispiel, um ihn zu widerlegen, wodurch es dann auch sehr verlockend zu sein scheint, eben eine Gegenposition einzunehmen. Solche Gegenpositionen laufen aber in der Regel auf ein
Argumentum Ad Ignorantiam bzw. darauf hinaus, dass ein Phänomen
noch nicht deterministisch oder reduktionistisch erklärt werden kann. Da reden wir dann aber eben über
Epistemologie, nicht
Ontologie. Das ist wiederum auch mit einer der Gründe, warum sich in der Wissenschaftstheorie irgendwann die erkenntnistheoretische Position des
Fallibilismus durchgesetzt hat, nach der es keine absolute Gewissheit geben kann und sich Irrtümer niemals ausschließen lassen. Und so lässt sich dann eben auch völlig rational ein Reduktionismus vertreten mit dem Hinweis, dass so gut wie sämtliche Naturphänomene reduktionistisch erklärbar sind, aber eben gleichzeitig auch mit der Einschränkung, dass ein Irrtum bzw. die Möglichkeit, dass es Phänomene gibt, die nicht reduktionistisch erklärbar sind, sich natürlich nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen lässt.
Noumenon schrieb:Fun Fact: Kreationismus und Intelligent Design versuchen das ja auch schon seit Jahren... allerdings ziemlich vergebens.
paxito schrieb:So wie im umgekehrten Fall. Was sagt uns das, wenn beide Versuche ins Leere laufen?
Was genau meinst du? Der umgekehrte Versuch, vermeintlich irreduzibel komplexe Systeme auf einfachere Varianten zurückzuführen, war doch ziemlich erfolgreich.
Noumenon schrieb:Man müsste darüber hinaus auch zeigen, dass es sich nicht nur um Ausnahmen handelt und die Irreduzibilität auch nicht lediglich gegenwärtigen Grenzen der Erkenntnis bzw. marginalen Lücken verschuldet ist, wie bspw. im Falle von Leben
paxito schrieb:Halte ich für Ausreden.
Was für Ausreden? Dass Wissenschaft bzw. die Generierung von Wissen
ein fortlaufender Prozess ist und es somit stets vorläufige Erkenntnislücken gibt, ist Fakt. Daher laufen Argumente, dass sich ein Phänomen nicht reduktionistisch erklären lässt, weil eine solche reduktionistische Erklärung bis dato nicht existiert, auf ein
Argumentum Ad Ignorantiam hinaus.
paxito schrieb:Nun, dann können wir mit unserem Urteil auch warten, bis wir es genau wissen.
Keine Ahnung, wie viel Zeit dir noch bleibt, aber ich für meinen Teil kann nicht mehrere Jahrhunderte oder gar Jahrtausende warten, bis wir alles über die Natur genau wissen...
paxito schrieb:Es besteht ja erstmal kein Entscheidungsdruck von irgendeiner Seite sich festzulegen an der Stelle - also warum nicht indifferent bleiben?
Sicher, der agnostische Standpunkt ist durchaus legitim. Nur dass "kein Standpunkt" genau genommen selbst kein Standpunkt ist...
paxito schrieb:Was wir (bisher?) nicht reduzieren können, gilt solange als nicht reduzierbar, bis das Gegenteil gezeigt wird.
Nein, das wäre wieder eine Verwechselung von Epistemologie und Ontologie. Wenn wir nicht wissen, ob etwas reduktionistisch erklärbar ist, können wir nicht sagen, dass es nicht reduktionistisch erklärbar ist.
paxito schrieb:Du sprichst mit einem praktizierenden Spiritualisten. Also ja, "Magie" ist ein nichtreduzierbares Phänomen, wenn du mich fragst. Und die meisten Menschen sind von religiösen Konzepten wie der Seele fest überzeugt. Warum sollte wir so etwas an der Stelle ausklammern? Weil es einer wissenschaftlichen Beschreibung mangelt?
Weil "Seele" kein viables Konzept ist, um sich das Naturgeschehen begreifbar zu machen, genauso wie "Magie". Solche sinnfreien Konzepte bringt null Erkenntnisgewinn, geschweige, dass sie irgendeine Erklärung böten.
paxito schrieb:Das war ungenau, damit gemeint war der freie Wille. Der wirft einige Probleme auf, wie dir bekannt ist, und es gab auch Ansätze das mit dem Begriff der Emergenz zu lösen.
Gut, da bin ich eigentlich weitestgehend raus. Probleme sehe ich beim freien Willen in erster Linie auf sprachlicher und konzeptioneller Ebene. Und zu derartigen Problemen kann die Naturwissenschaft nicht sehr viel sagen. Die Naturwissenschaft kennt bspw. so etwas wie die kinetische Gastheorie zur Erklärung der Eigenschaften von Gasen und diversen Gesetzmäßigkeiten, wo u.a. davon ausgegangen wird, dass sich Gasteilchen praktisch
frei und unabhängig voneinander bewegen. Nun eine Debatte darüber loszutreten, ob und inwieweit sich die Gasteilchen denn tatsächlich
frei bewegen können.... ja, das schafft nur die Philosophie. Und beim freien Willen ist es recht ähnlich.
paxito schrieb:Frag mich aber bitte nicht in welcher Monatszeitschrift mit Auflage im dreistelligen Bereich ich das gelesen habe ;)
Dreistellig? Ich hätte auf 42 getippt.
;)Noumenon schrieb:Und "Bewusstsein"... einverstanden, ist tatsächlich ein ernstes Problem, bei dem wir nun auch schon seit mindestens über 300 Jahren (Stichwort: Mühlengleichnis von Leibniz) auf der Stelle treten. Und dass Bewusstsein ein emergentes Phänomen sei, ist natürlich nur eine Ad-Hoc-Hypothese, um den Materialismus zu retten. Dennoch: Ca. 98% aller Naturphänomene sind reduktionistisch erklärbar.
paxito schrieb:Klar, wenn wir uns auf Phänomene beschränken, die durch eine Wissenschaft beschrieben werden, die im Kern reduktionistisch ist.
Na ja, immerhin sämtliche Phänomene der sog. "Außenwelt".
Noumenon schrieb:Und abgesehen vom Bewusstsein fällt mir auch kein zweites Naturphänomen ein, welches einem (materialistischen) Reduktionismus ernsthaft Probleme bereitet.
paxito schrieb:Schönheit, Liebe, Zorn, Freude, Spaß. Eigentlich alle Dinge die das Leben überhaupt erst lebenswert machen, lassen sich mit einem Reduktionismus entweder nicht verstehen oder verlieren bei dem Versuch ihren Sinn (wie das Bewusstsein).
Sicher, sind halt alles Phänomene, die mittel- oder unmittelbar mit Bewusstsein zusammenhängen und
nicht Teil der sog. "Außenwelt" sind.
paxito schrieb:Ich meine klar, kannst du Liebe auf Hormone, Triebe und Fortpflanzung reduzieren, nur geht dabei verloren was Liebe eigentlich ausmacht.
Das mag zwar sein, dennoch scheint es da aber eben einen kausalen Zusammenhang zu geben bspw. zwischen diversen Hormonen und Empfindungen, was dann eben zur Problematik zwischen dem "Primat der Materie" und dem "Primat des Bewusstseins" führt.
paxito schrieb:Mir ist aber schon öfter aufgefallen: du betrachtest das alles viel zu nüchtern ;)
Sicher, und du lebst scheinbar ganz und gar nach der Maxime:
Unwissenheit ist ein Segen...
;)Unwissenheit ist ein Segen! (Cypher - The Matrix - 1999)
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