paxito schrieb am 14.01.2025:Wie ich schrieb, nur unter der Brille einer reduktionistischen Sicht auf Wissenschaft. Was so einfach nicht stimmt. Da kannste schon mal die kompletten Sozial- und Wirtschaftswissenschaften rausstreichen, Geisteswissenschaften sowieso, aber selbst Biologie oder Chemie sind nicht von ihrem Wesen her auf den Reduktionismus angewiesen oder waren dem immer verhaftet - das geschah erst im Zuge der Physikalisierung im 20 Jhd. als die Physik die Mathematik als Leitwissenschaft ablöste. Und selbst bei der Physik, muss man fragen ob etwa Einsteins Gleichungen tatsächlich eine Form von Reduktionismus darstellen.
Jedenfalls ist Wissenschaft nicht Reduktionismus und umgekehrt Reduktionismus nicht Wissenschaft.
Die Äquivalenz von Wissenschaft und Reduktionismus behauptet doch auch keiner. Und auch nicht, dass Wissenschaften wie Biologie oder Chemie auf den Reduktionismus "angewiesen" seien. Es geht darum, dass sich alle Phänomene der Welt im Prinzip auf die Gesetzmäßigkeiten auf einer fundamentalen Ebene zurückführen lassen. Ferner arbeitest du hier offenkundig mit
Suggestionen, bringst aber überhaupt kein Argument. Ja, die Phänomene der Sozial-, Wirtschafts- oder Geisteswissenschaften sind bspw. überaus
komplex und in der Regel auch abstrakt, was aber nicht gegen den Reduktionismus spricht. Komplex sind bspw. auch Betriebssysteme wie Windows oder Linux. Und schon der Klick auf einen simples Icon und das anschließende Starten einer Anwendung lässt sich kausal einfacher auf der entsprechenden (übergeordneten, abstrakten) Ebene erklären:
Wenn man auf das Icon mit der Bezeichnung "Excel" klickt, dann öffnet sich Excel.Ist also eine schöne
Wenn-Dann-Aussage, die einen klaren kausalen Zusammenhang zum Ausdruck bringt und auch hinreichend erklärt, was genau da passiert. Nur: Diese Sichtweise abstrahiert von den komplexen Prozessen, die da tatsächlich ablaufen und auf die sich diese emergente Funktionalität eben
reduzieren lässt. Das ist so komplex, dass man das hier auch kaum mal eben in zwei, drei Zeilen darlegen kann, ohne gleichzeitig einen Crashkurs in Informatik abzuhalten, aber grob ist bzw. sollte das in etwa klar sein und verdeutlicht die Grundidee des Reduktionismus: Oberflächlich betrachtet, öffnet bspw. der Klick auf ein Icon ein bestimmtes Programm, tatsächlich liegt dem aber eine komplexe Abfolge von Prozessen zugrunde. Der Mausklick wird zunächst als Hardware-Interrupt registriert, das Betriebssystem interpretiert ihn, startet die Programmlogik hinter der Ausführung von Excel (geschrieben in einer Programmiersprache) und übersetzt diese schließlich in Maschinencode, der vom Prozessor auf der Ebene von Bits und elektrischen Signalen ausgeführt wird. Jede dieser Schichten ist vollständig kausal erklärbar. Und der Reduktionismus besagt, dass das gesamte Verhalten durch die zugrunde liegenden Ebenen bestimmt wird, auch wenn die emergente Funktion (das sichtbare "Excel öffnen") erst auf einer höheren Ebene unmittelbar verständlich und nachvollziehbar werden mag.
paxito schrieb am 14.01.2025:Das suggeriert ja, das sich das nichtreduzierbare nur in unserem Kopf abspielt. Was nicht hinhaut, schon bei meinen Beispielen nicht: Liebe oder Zorn ist nichts was sich in deinem Kopf abspielt, sondern etwas das zwischen Menschen stattfindet, das du beobachten, analysieren und verstehen kannst.
Dir scheint gar nicht aufgefallen zu sein, dass du selbst es bist, der hier mit seinem behavioristischer Ansatz gerade eine Lanze für den Reduktionismus bricht, indem er psychologische Phänomene wie Liebe oder Zorn auf zwischenmenschliches Verhalten
reduziert, welche man halt beobachten und analysieren könne, um sie zu verstehen. In erster Linie sprechen wir hier aber über
Emotionen, die erst in einem
zweiten Schritt zu diversen Verhaltensweisen führen, die sich dann beobachten und analysieren lassen. Und selbstverständlich spielt sich das allein im Kopf ab. Man kann total wütend und voller Zorn sein, aber dennoch still in der Ecke sitzen und alles in sich hineinfressen. Oder auch das stärkste Gefühl von Liebe empfinden, aber dennoch völlig untätig bleiben (etwa aus Angst, verschmäht zu werden).
paxito schrieb am 14.01.2025:Weiter geht’s mit deiner im Grunde willkürlichen Einteilung in Innen- und Außenwelt, da die „schlechten“ Innenwelterfahrungen die sich einfach nicht reduzieren lassen wollen, dort die „guten“ Außenwelterfahrungen die man hübsch reduzieren kann.
Das ist überhaupt nicht willkürlich, sondern folgt der in Philosophie und Erkenntnistheorie schon seit Jahrhunderten gepflegten Unterscheidung zwischen
Subjekt und
Objekt. Manchmal zweifle ich ernsthaft daran, dass du Philosophie tatsächlich studiert haben willst....
paxito schrieb am 14.01.2025:Das suggeriert ja, das sich das nichtreduzierbare nur in unserem Kopf abspielt.
Nicht ganz, mein Standpunkt wäre in etwa, dass mentale Prozesse, Zustände oder Phänomene irreduzibel sind.
paxito schrieb am 14.01.2025:Was nicht hinhaut, schon bei meinen Beispielen nicht: Liebe oder Zorn ist nichts was sich in deinem Kopf abspielt, sondern etwas das zwischen Menschen stattfindet, das du beobachten, analysieren und verstehen kannst. Man muss schon ziemlich lange in eingeschliffenen Bahnen denken um so etwas zur „Innenwelt“ zu erklären.
Nö, umgekehrt wird 'n Schuh daraus: Man muss schon ziemlich lange in eingeschliffenen Bahnen denken, um mentale Phänomene auf Verhalten reduzieren und dabei die innerpsychische Phänomene ausblenden zu wollen.
paxito schrieb am 14.01.2025:Und umgekehrt sind natürlich auch alle Phänomene deiner „Außenwelt“ am Ende nichts anderes als Erfahrungen in einem Bewusstsein, von denen wir nur annehmen (müssen?) das sie irgendwie mit der Welt übereinstimmen.
Dem würde ich durchaus zustimmen, ja.
paxito schrieb am 14.01.2025:So sauber wie du vorgibst, lässt sich das nicht trennen - und wird es auch in den Wissenschaften nicht getrennt.
Sicher, saubere Trennung ist schon bei so simplen Sachen wie einem
Sandhaufen schwierig... Ist halt ein konzeptionelles Problem und kannst du auf so ziemlich alles anwenden. Nichtsdestotrotz gibt es eine solche Trennung, auch in der Wissenschaft - bspw. befasst sich die Biologie als Wissenschaft mit der
belebten Natur (im Gegensatz zur
unbelebten Materie) und stört sich ja auch herzlich wenig daran, dass eine "saubere Trennung" so gesehen nur bedingt möglich ist.
paxito schrieb am 13.01.2025:Du sprichst mit einem praktizierenden Spiritualisten. Also ja, "Magie" ist ein nichtreduzierbares Phänomen, wenn du mich fragst. Und die meisten Menschen sind von religiösen Konzepten wie der Seele fest überzeugt. Warum sollte wir so etwas an der Stelle ausklammern? Weil es einer wissenschaftlichen Beschreibung mangelt?
Noumenon schrieb am 13.01.2025:Weil "Seele" kein viables Konzept ist, um sich das Naturgeschehen begreifbar zu machen, genauso wie "Magie". Solche sinnfreien Konzepte bringt null Erkenntnisgewinn, geschweige, dass sie irgendeine Erklärung böten.
paxito schrieb am 14.01.2025:Der größte Teil der Menschheit in ihrer Geschichte dürfte dir da widersprechen.
Also mehr als ein
argumentum ad populum vermag ich an dieser Stelle echt nicht zu erkennen.
paxito schrieb am 14.01.2025:Ich meine, mit welcher Grundlage erklärst du was allgemeingültig Erkenntnis, Erklärung und „viables Konzept“ ist? Weil es dir nicht in dein Weltbild passt und persönlich nichts bietet gilt das nun für alle?
Es gibt keine Beobachtungssätze über die Wirklichkeit, welche Begriffe bzw. Konzepte wie etwa "Seele", "Gott" oder "Magie" notwendig (oder wenigstens sinnvoll) machen würden.Und auch, wenn es nicht in
dein Weltbild passt, aber dass du oder andere Menschen mit diesem eigentlich doch recht einfachen Satz jetzt nichts anfangen können, ist nun nicht wirklich mein Problem.
paxito schrieb am 14.01.2025:Ich hab mit der Seele nix am Hut, aber mit vergleichbaren Ideen, ähnlich verhält es sich mit der „Magie“. Und natürlich bietet beides (Okkultismus und Spiritualität im Groben) Erkenntnis über (die) und Erklärung der Welt. Nur sind diese schwer zu vereinbaren mit einer Wissenschaft unter dem gängigen Paradigmen unserer Zeit (auch das ist aber weder historisch immer so gewesen, noch muss es zwangsläufig so sein).
Sorry, aber das ist halt einfach esoterisches Geschwätz. Da kannste auch gleich mit Telepathie, Telekinese, Poltergeistern, Heilsteinen gegen Krebs, dem Verbiegen von Löffeln durch Gedanken und unzähligen anderen Märchen aus dem Reich moderner Mythen, des Aberglaubens und der Para"wissenschaften" ankommen. So'n Müll konnte man den Leuten vielleicht in den 70er bis 90er Jahren aufschwatzen, als es noch kein Internet gab, hatte aber auch damals schon nix mit Wissenschaft zu tun. Vielleicht einfach mal ein bisschen weniger Astro TV schauen. Und sowieso frage ich mich, wo genau du für dich hier eine Grenze ziehst, was das alles angeht. Scheinbar ja
gar keine, auch gut...
paxito schrieb am 14.01.2025:Es ist doch am Ende ein Taschenspielertrick, wenn du dich hinstellst und behauptest fast alle Naturphänomene seien mittels Reduktionismus erklärbar, um dann fleißig alles auszusortieren, was dem widerspricht.
Nö, das Aussortieren findet ja schon zwei, drei Schritte vorher statt, also bei der Frage, ob es sich bei Poltergeistern, Magie & Co. überhaupt um Naturphänomene oder wenigstens um viable (sinnvolle) Konzepte handelt, um Naturphänomene zu deuten und zu erklären.
paxito schrieb am 14.01.2025:Ich will überhaupt nicht bestreiten, das reduktionistische Beschreibungen der Wirklichkeit mächtig sind und in einem bestimmten Kontext auch erfolgreich. Aber wohin haben sie uns konkret gebracht? In eine Situation in der wir uns mittels der daraus entstehenden Technologien auf vielfältige Weise selbst auslöschen können und auch schon eifrig dabei sind.
Das ist nun aber wirklich Unfug. Was bitte hat das eine mit dem anderen zu tun?!
:ask: