nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Habe das schon alles gelesen und aufgenommen, eventuell erklärst Du mir mal eben, wo Du mich nun kritisierst.
paxito schrieb:Kritisieren … eher weniger. Ich weise dich daraufhin, dass Nietzsche einen Perspektivismus predigt und ultimative Wahrheiten ablehnt. Beides Dinge, die du zutiefst ablehnst.
Nun ja, mal langsam, beginnt ja mit dem was man unter "Wirklichkeit" verstehen will, wenn Nietzsche oder wer auch immer darunter nur das versteht, was sein "ich" wahrnimmt und nicht das was wirklich ist, weil es Letzteres im eigenen Weltbild so gar nicht differenziert gibt, dann mag Perspektivismus für Nietzsche eben so sein Ding sein. Ich habe den nicht wirklich ausführlich gelesen, ich lehne das aber in diesem Kontext nicht ab, nur definiere ich eben "Wirklichkeit" als viel mehr, nicht nur als das, was ich wahrnehmen kann. Wenn ich schlafe gibt es das Universum wirklich und es gab es auch vor meiner Existenz. Und was soll hier nun "ultimativ", Du musst aber auch immer wo ein Attribut hinzufügen. Schau, macht nur Sinn, wenn man dann zwischen ultimativer und nicht ultimativer Wahrheit differenziert, gibt es für ich aber nicht. Es gibt die Wahrheit und die ist wo äquivalent zur Wirklichkeit.
Ich greife mal für eine Analogie in die Physik, wir haben hier Energie und Materie, was die Energie auszeichnet, sie ist zeitlos. Materie bewegt sich auf Weltlinien durch die Raumzeit, wobei das so auch nicht passt, egal, will ich nicht hin, wir haben wo Photonen als Energie, die haben Geschwindigkeit, aber normal ist es so nicht. Also ein Joule ist eine bestimmte Energiemenge, klar kann man diese dann in einer Sekunde umsetzten, aber auch in jeder beliebigen anderen Zeit.
Wahrheit ist für mich zeitlos, es gibt nicht etwas das von ... bis dann wahr ist. Da können wir nun auch wieder Wortklauberei betreiben und sagen, ja, draußen ist es hell, ist nachts nicht wahr aber am Tage. Ja, lustig, weißt wie ich das sehe, dass ist einfach dann nur unvollständig als Aussage vorgegeben. Macht man die Aussagen richtig, passt das alles. Haben wir ja am Beispiel, Harry Potter kann zaubern, doch sauber geklärt.
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Ja, klar, aber fürs Lügen musst Dir die Wahrheit bekannt sein. ;)
paxito schrieb:Zumindest musst Du glauben, dass etwas anderes wahr sei, als Du sagst.
Ja ändert aber nichts, ich kann glauben, die Erde ist eine Scheibe und "lüge" dann für mich in Bezug zu dem was ich glaube und sage, die Erde ist keine Scheibe, spreche denn dann aber dennoch die Wahrheit. Wahrheit ist einfach für mich wirklich nichts subjektives.
...
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Ach was, Du glaubst das Gegenteil und willst mir erklären, dass würde Dich nun frei machen? Ist doch Unfug, so wenig wie Dein Glaube Dich frei macht, macht mich der meine zu einem Sklaven.
paxito schrieb:Lies richtig: zum Sklaven deiner Wahrheit, nicht zum Sklaven deines Glaubens.
Höre doch auf, das war doch implizit, zum einem Sklaven (deines Glaubens), muss ich das explizit noch hinschreiben, wenn es aus Deiner Aussage doch schon klar vorgegeben ist? Ist doch wohl klar, dass ich nicht meine, dass ich so ein Sklave wie damals in Amerika werde.
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Also, Dein "taugt" ist für mich ja nur ein "ist richtig", aber so in dem Sinne gibt es für mich gar keine Antwort, welche nichts taugt, weil sie dann für mich keine Antwort ist, sie ist dann unwahr. Und über die Wahrheit entscheide nun nicht ich.
paxito schrieb:Weil du weiter vehement bestreitest, das Wahrheit abhängig ist von Kontext, Perspektive, Relation.
Nichtexistenz lässt sich schwer belegen, ich kann nicht belege, dass Wahrheit nicht vom Kontext abhängig ist, man müsste hier belegen, dass jede Wahrheit zwingend vom Kontext abhängig ist. Die Frage ist hier doch erstmal, ist es so, gibt es nur vom Kontext abhängige Wahrheit?
Klar ist wohl, dass Wahrheit nicht vom Syntax abhängt, eine Aussage kann wahr sein und in beliebigen Sprachen oder Symbolen formuliert sein. Sie kann sogar unbekannt sein, Dinge können wahr sein, ohne dass es jemand weiß.
Es geht nun ganz tief an die Wurzeln, wenn ich nun sage, es gibt mathematische Wahrheiten, ich sage mal Pi und die sind unabhängig vom Universum. Natürlich gibt diese Wahrheit wo implizit einen gewissen Kontext vor, hat eben was mit Kreis und Umfang und Durchmesser in einer euklidischen Ebene zu tun. Fangen wir mal von hinten an, wenn es "nichts" gibt, gar nichts, kann es auch keine Wahrheit geben, weil es ja nichts gibt.
Dann wäre aber es doch die Wahrheit, dass es nichts gibt, und diese Wahrheit würde es dann doch geben, und schon haben wir den Salat.
Also, ich setze ja eh Wahrheit und Wirklichkeit wo gleich, und Wirklichkeit ist immer existent, ein "Nichts" an Wirklichkeit das nicht existiert macht wo keinen Sinn.
Meine "Wahrheit" ist da dann wo eben schon, dass immer was existiert, das Nichts gibt es nicht. Und ich "glaube" zur Existenz gehört auch immer die Veränderung, Existenz selber ist Veränderung. Ohne Veränderung keine Existenz, das kann ich aber so schnell nicht weiter belegen, sehe ich aber so.
Ich bestreite nicht, dass Wahrheit abhängig von einem Kontext ist, ich behaupte, Wahrheit ist ihr eigener Kontext.
paxito schrieb:Das sind alles Dinge die du setzt. Es steht dir komplett frei, Fragen in einen materialistischen Kontext zu setzen und dann in der Physik nach Antworten zu suchen. Zwangsläufig ist daran aber nichts, andere schauen in die Bibel und finden da ihre Antworten. Nicht das ich das besser fände. Aber solange dir nicht klar ist, das du den Kontext vorgibst, wird es auch unmöglich Alternative Antwortmöglichkeiten zu erörtern.
Ich differenziere doch sehr klar zwischen Wahrheit und Antwort. Wie ich das mit dem Kontext sehe, habe ich ja eben erklärt, eventuell müssen wir da doch tiefer dann bohren.
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Glaube hier haben wir etwas, das uns diametral unterscheidet, für Dich ist das "ich" absolut zentral, wo schon das Universum an sich.
paxito schrieb:Das Universum an sich eher nicht, aber ja, das „Ich“ ist zentral und mit ihm der Wille.
Mit Wille kann ich auch nichts wirklich anfangen, definiere das mal physikalisch und philosophisch. Total schwieriges Wort, was soll das nun sein, gibt es den wo zum Anfassen? Farbe? Gewicht? Er muss wohl immer wo zugehören, also sollte ihn wer haben, Peter will ... also ist es der Wille von Peter, sein Wille, er gehört also Peter, aber lässt nun Peter seinen Willen etwas wollen? Wille ist etwas wie "Kraft" oder Druck, finde ich kommt dem noch recht nahe. Aber Wille ist dann das Äquivalent für das Bewusstsein, für das ich. Ein Stein wird durch die Gravitation angezogen, er "will" den Berg runterrollen, wenn er denn kann.
Also, wie gesagt, Du greifst mit Begriffen so um Dich, welche ich für wo "nichts sagend" halte.
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Für mich ist diese Sichtweise, ich sage mal, echt schwierig, da für mich das ich einfach so nicht existiert ...
paxito schrieb:Als ob es eine Rolle spielen würde, ob das Ich in deinem Sinn existiert oder real ist. Vielleicht ist es eine Illusion, ein Traum oder ähnliches. Welchen Unterschied macht es? Wir sind dann hier und jetzt im Traum, in der Illusion und alles weitere muss uns nicht kümmern. Ich muss dem Ich keine metaphysische Wahrheit oder unabhängige Existenz zusprechen um es ins Zentrum meines Denkens zu rücken. Der Ankerpunkt ist bei mir nicht Descartes cogito ergo sum, sondern viel schlichter: ich will.
Schlichter ist "es ist" oder "bewegt sich". Wir hatten das schon, die Frage, was ist denn nur illusionär und was real, was nur vorgestellt und was fiktiv. Existiert Schmerz so wie ein Kilogramm Gold? Oder ein Goldatom? Ein Elektron?
Ich kann ja immer nur meine Vorstellung von etwas, einem Begriff wie "ich" nun in Relation mit der Vorstellung der Allgemeinheit setzten und dann differenzieren. Und hier "will" die Allgemeinheit eben unter "ich" etwas wie "Seele" das unsterbliche Selbst (in der Hoffnung es ist unsterblich) sehen. Ich widerspreche eben dieser allgemeinen Vorstellung von "ich", aber behaupte damit nicht, es würde nicht wo auf einer Ebene auch existieren. Aber zurück zu Deinem "Ankerpunkt" nicht ein Wort was mir wirklich was gibt, mit beiden kann ich so wenig anfangen, beide sind schwammig und nicht klar definiert, nicht greifbar.
Da ich ich diese Dinge so nicht trenne, ist für mich in dem Sinne dann "Wahrheit" und "Wirklichkeit" und "Existenz" und auch "ich" und "Veränderung" nur eines, das sind unterschiedliche Worte für das was ist. Und ich packe Wille bewusst nicht in die Liste.
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Auch alleine, dass "Du" als "ich" da was entscheidest, ... schwierig, wir können das "ich" nicht greifen, aber sicher meinen, dass wir als ich etwas entscheiden?
paxito schrieb:Das Entscheiden ist die Quintessenz des Wollens und damit des Ich.
Verbal verstehe ich Deine Aussage ja schon, ...
paxito schrieb:Sich Introspektion ich sich selbst zu versenken, verrät dir am Ende wenig über dich selbst. Deine Entscheidungen hingegen definieren dich.
Du gibst hier doch schon aber als "Wahrheit" vor, dass es Dich gibt und Du Entscheidungen treffen kannst. Sehe ich nicht so als gegeben an. Und Untersuchungen zeigen, recht real, dass es wohl auch nicht an dem ist, eventuell wird eine Aktion ausgelöst und Du hast mit Deinem "Willen" noch ganz am Ende die Möglichkeit diese Aktion abzubrechen. Aber das sind so Experimente eben.
nocheinPoet schrieb am 20.12.2024:Und eine Entscheidung ist nicht zwangsläufig ein Akt vernünftelnder Grübelei, viel mehr: das Trennen von diesem und jenem. Gut/Böse, Wahr/Unwahr, Schön/Hässlich, Wollen/Ablehnen. Im Grunde ein recht gewalttätiger Akt gegenüber einer indifferenten Welt, der wir unseren Stempel aufdrücken. Und ja, wenn du mich fragst: darin erkennen wir uns selbst. In dem was wir tun und warum wir es tun.
Gut und Böse gibt es so für mich nicht wirklich, das entsteht aus Emergenz, wir haben nur Veränderung, Shiva, jede Veränderung muss das was ist zerstören und schafft dann damit etwas Neues, ist schöpferisch. Das sind doch wir, die werten, die sagen, diese Veränderung ist gut und diese ist böse. Klar ist "Mord" auf der Metaebene böse, auf der Ebene der Elementarteilchen gibt es das so nicht, nur Veränderung.
Was haben wir nun, Entropie, die Ordnung nimmt stetig ab, Leben kann man als Teilbereich eines unendlichen Systems definieren, in dem die Entropie lokal abnimmt oder zumindest gleichbleibt. Ordnung wir geschaffen, soll das dann "gut" sein?
Wie auch immer, wir stehen da wirklich an ganz anderen Ufern vom selben See.
;)