Arrakai schrieb am 29.07.2021:Wenn ich schreibe, dass Naturwissenschaft beschreibt und nicht erklärt dann meine ich damit "tiefere Erklärungen im philosophischen Sinne"...
Ja, sicher, und wenn ich umgekehrt bspw. schreibe...
Noumenon schrieb am 22.07.2021:Nein, Wissenschaft beschreibt nicht nur die Phänomene in der Natur - wie etwa die beschleunigte Expansion des Universums (das gelingt ihr nämlich bereits auch ziemlich gut) - und gibt sich allein damit zufrieden, sondern sie sucht auch nach einer Erklärung dafür.
...dann ist natürlich auch von (natur-)
wissenschaftlichen Erklärungen im engeren Sinne die Rede - wovon auch sonst? Denn eine
'Erklärung durch die Wissenschaften' ist nun einmal nichts anderes als das: eine wissenschaftliche Erklärung (und keine theologische o.ä.).
Arrakai schrieb am 29.07.2021:(Solltest du eine solche Stelle im Blick haben, dann äußere ich mich gerne konkret dazu, ich habe jetzt allerdings keine Lust alles nochmal durchzulesen...)
Stimmt, ist manchmal echt müßig und insofern sind die Verlinkungen bei Zitaten schon ziemlich praktisch. Aber Stein des Anstoßes war ursprünglich eigentlich auch eh die Aussage eines anderen Users, dass
Wissenschaft immer beschreibend sei, was faktisch falsch ist und entsprechend meinen obigen Einwand provozierte, auf den du dann eingegangen warst...
Kommen wir insofern also lieber zu den wirklich wichtigen Streitpunkten.
;)Arrakai schrieb am 29.07.2021:Das habe ich zur Genüge erläutert, mein Standpunkt sollte dir klar sein, du teilst ihn offenkundig nicht aber ich sehe auch nicht was ich jetzt noch schreiben könnte um deine Meinung zu ändern.
Genau genommen hast du nur eine Petitio Principii aufgestellt und bist kritischen Einwänden bzw. Hinweisen auf Denkfehler in deiner Argumentation einfach ausgewichen. Und das zieht sich halt auch wie ein roter Faden durch die gesamte Diskussion. Ist ja letztendlich auch halb so wild, denn das ist ja auch der eigentliche Sinn & Zweck einer Diskussion: Man tauscht halt Standpunkte und Argumente aus, um sie auf den Prüfstand zu stellen. Und gehen jemanden irgendwann die Argumente aus... ja, auch gut, kommt vor und kann sich natürlich auch schnell wieder ändern. Und es geht auch weniger darum, jemand anderes von seinem Standpunkt oder seiner Meinung zu überzeugen, sondern vielmehr darum, seinen Standpunkt und seine Meinung kritischen Einwänden, Gegenargumenten etc. pp. auszusetzen, um halt (für sich selbst) herauszufinden, ob und wie wasserdicht der eigene Standpunkt ist, wo noch Lücken, Denkfehler etc. pp. bestehen usw. So funktioniert halt auch Wissenschaft und unterscheidet sich darin vom Glauben, d.h. Wissenschaft stellt keine Theorien auf und möchte dann alle anderen davon überzeugen, sondern vor allem wissen, ob und wo noch Lücken und Schwächen bestehen.
Naja, zurück zur Sache. Wobei es jetzt natürlich müßig ist, unserer beider Standpunkte noch einmal kurz - und frei von Missverständnissen - zusammenzufassen. Aber die letzten beiden Beiträge waren hier:
Beitrag von Noumenon (Seite 11)Beitrag von Arrakai (Seite 11)Und zur Erinnerung: Ich fragte (sinngemäß), warum es den Naturwissenschaften
prinzipiell unmöglich sein sollte - beispielsweise vor dem Hintergrund einer "Theory Of Everything" - zu einem umfassenden Verständnis der Wirklichkeit und mithin also zu den letzten Gründen für das So-Sein der Wirklichkeit bzw. einer fundamentalen Erklärung dafür, warum die Wirklichkeit so ist wie sie ist, vorzudringen. Und mit Blick auf unsere letzten beiden Beiträge springt mir natürlich auch wieder folgende zitierte Passage, mein Einwand sowie deine fehlende Antwort darauf ins Auge:
Arrakai schrieb am 27.07.2021:[Eine fundamentale Erklärung dafür, warum die Wirklichkeit so ist wie sie ist,] ist die Domäne der Philosophen und Theologen und nicht Bestandteil einer naturwissenschaftlichen Theorie...
Und du musst hier immer noch zeigen, dass deine Aussage quasi
zeitinvariant ist (übrigens ist sie auch
jetzt schon falsch, s.u.), um darauf basierend dann auch zu deiner (und von mir mehrfach kritisierten) Schlussfolgerung zu gelangen, dass sich diese Fragestellung
prinzipiell - also für alle Zeiten - den Naturwissenschaften entzieht. Und das insbesondere auch vor dem Hintergrund des gegenwärtigen Trends in der Wissenschaftsgeschichte, der geradezu auf das genaue Gegenteil hindeutet, wie a.a.O. ebenfalls bereits ausgeführt:
Noumenon schrieb am 28.07.2021:"...ist die Domäne der Philosophen und Theologen..." ist insofern nicht nur ein schwaches Argument, sondern in diesem Kontext sogar gar keins. Zumal die Naturwissenschaften - allen voran die Kosmologie & Elementarteilchenphysik - diese Frage ja auch schon recht umfassend beantworten können, wenn auch (noch) nicht abschließend.
Also es ist schon komplett irre: Wir haben
allein in den letzten 300 Jahren im Zuge der naturwissenschaftlichen Revolution so unglaublich viele und vor allem auch fundamentale Fragestellungen (deren Beantwortung man sich früher nicht einmal zu träumen gewagt hätte) über die Erde, das Leben, unser Sonnensystem, den Aufbau der Stoffe, der Himmelskörper, unserer Galaxie, unseres Kosmos, die Gesetzmäßigkeiten der Natur - und vieles, vieles, vieles mehr, dass man es hier kaum alles aufzählen kann - beantworten können, während es gleichzeitig aber scheinbar immer noch Menschen gibt, die trotz alledem behaupten, die Naturwissenschaften könnten nie und nimmer zu einem umfassenden Verständnis der Wirklichkeit gelangen, womit im Umkehrschluss dann natürlich theologischen Welterklärungsmodellen Vorschub geleistet wird, geht ja auch gar nicht anders (und vielleicht ist das von deiner Seite ja auch genau so beabsichtigt - und irgendwie erinnert es auch ein bisschen an Harald Lesch, der auch immer ach so naturwissenschaftlich gebildet daherkommt, sich aber immer schön ein Hintertürchen für Gott offenlässt...).
Und auch mal
unabhängig davon, ob wir zu einem umfassenden Verständnis der Wirklichkeit gelangen können oder nicht, gehört es de facto (auch) mit zur Domäne der Naturwissenschaften. Natürlich - was auch sonst?! Wir reden hier ja nicht über theologische Welterklärungsmodelle, sondern naturwissenschaftliche. Stichwort "ToE" - hatte ich ja schon genannt, auch früher schon. Auf die Naturgesetze als (physikalische) Determinanten der Wirklichkeit und als Untersuchungsgegenstände der
Theologie Naturwissenschaften hatte ich ja ebenfalls schon hingewiesen. Lässt sich auch alles noch einmal nachlesen...
Beitrag von Noumenon (Seite 8)Und damit gehören
"fundamentale Erklärungen dafür, warum die Wirklichkeit so ist wie sie ist" ganz klar (auch) mit zur Domäne der Naturwissenschaften, auch wenn du es vielleicht nicht wahrhaben und die Deutungshoheit bzgl. der letzten Fragen lieber der Philosophie und Theologie überlassen möchtest.
Arrakai schrieb am 29.07.2021:Umso mehr, wenn du Strohmänner wie die angeblich inksonsitente Argumentation bezogen auf physikalische Erklärungen ins Feld führst.
Wenn du meinst, ich hätte deinen Standpunkt falsch verstanden, warum stellst du es dann nicht einfach richtig?
Arrakai schrieb am 29.07.2021:Es handelt sich in letzte Konsequenz einfach nur um das Eingeständnis, dass es eine Grenze der menschlichen Erkenntnisfähigkeit gibt. Wir können (auch wieder aus prinzipiellen Erwägungen heraus) zwar niemals sagen, ob wir diese Grenze bereits ereicht haben. Dass es sie gibt ist m.E. allerdings offenkundig.
Huch, seit wann ist "offenkundig" ein valides und stichhaltiges Argument? Aber ja, es gab schon immer gewisse Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit - klassische Beispiele: Radioaktivität, Magnetfelder oder die Anteile des nicht sichtbaren Spektrums elektromagnetischer Strahlung. Hierfür fehlen uns einfach entsprechende Sinne. Es zweifelt auch niemand ernsthaft daran, dass es sowohl Grenzen unserer Erkenntnis, wie auch Grenzen unserer Erkenntnisfähigkeit gibt. Du behauptest aber weitaus mehr, nämlich, dass es
prinzipielle Grenzen unserer Erkenntnis und Erkenntnisfähigkeit gäbe, die sich selbst durch die Naturwissenschaften nicht überwinden ließen, nicht in 100 Jahren, auch nicht in 1000 Jahren, nie. Und damit reihst du dich direkt ein in die Riege von so seltsamen Leutchen wie Emil Du Bois-Reymond oder Auguste Comte, die da ihrerseits im Prinzip zum Teil ziemlich wissenschaftsfeindliche Standpunkte vertreten haben. Denn würde man ernsthaft auf solche Menschen hören, die da nämlich einfach mal ganz frech behaupten, dass es gar keinen Sinn mache, über gewisse Fragestellungen nachzudenken oder diesbezüglich sogar zu forschen, wären wir, was unsere gegenwärtigen Erkenntnisse und unser naturwissenschaftliches Weltbild angeht, ein gutes Stück ärmer, denn Erkenntnis - zumindest das ist so sicher wie das Amen in der Kirche - fällt nun einmal nicht einfach so vom Himmel, sondern setzt zum Teil äußerst langwierige und hartnäckige Forschungsbemühungen voraus, die ihrerseits und insbesondere aber auch den Glauben an ein "positive outcome" und die Sinnhaftigkeit der Erkenntnissuche voraussetzt. Das ist jetzt nicht so schwer zu verstehen, oder? Niemand forscht bezüglich einer Fragestellung, wenn er a priori bereits davon ausgehen würde, dass es prinzipiell sinnlos sei. Und du möchtest offenbar genau das vermitteln und suggerieren, es sei prinzipiell sinnlos, über gewisse Fragen überhaupt nachzudenken. Das ist von der Geisteshaltung her eigentlich so unfassbar wissenschaftsfeindlich, dass es einem fast schon die Sprache verschlägt.
Arrakai schrieb am 29.07.2021:Und diese Grenzen ist im Falle der Erstursache eben direkt mit der naturwissenschaftlichen Methodik verknüpft. Die Philosophie bereichert die Physik auch bei an sich rein physikalischen Themen, z.B. in Form der bereits erwähnten philosophischen Überlegungen zum Messproblem der Quantenmechanik. Sie wird uns aber nicht die Frage nach der Ersturache beantworten können, da die Interpretation eines physikalischen Sachverhalts immer eine Beobachtung und eine physikalische Theorie voraussetzt.
An dieser Stelle wirfst du leider schon wieder so viel Unfug durcheinander und in einen Topf, dass es, ohne jetzt 'ne umfangreiche Vorlesung in Wissenschaftsgeschichte und -theorie vor dem Hintergrund vergangener und aktueller Problemkreise der Naturwissenschaften bis Naturphilosophie zu halten, äußerst müßig wäre, hier Klarheit reinzubringen.
Und nicht dass mir ein besserer Begriff einfallen würde, aber komm' doch bloß endlich mal vom Begriff der "Erstursache" bzw. einer zu starren Auslegung jenes Begriffes weg, meine Güte... Man
kann die Frage nach der Wirklichkeit mit einer 'ereignisartigen' ersten "Ursache", quasi einem "Schöpfungsakt", erklären, wenn man bspw. einfach mal so gar keine Ahnung von der eigentlichen Problemstellung hat, muss man aber nicht. Das Postulat der "Erstursache" fragt, ohne sich dabei aber allzu sehr auf die "äußere Form" bzw. "Art der Verursachung" festzulegen, nach den
letzten Seinsgründen der Wirklichkeit (unterschieden von der Möglichkeit), wie sich nun aber auch fast überall in der einschlägigen Literatur zur Thematik nachlesen lässt (angefangen bei den "Gottesbeweisen" eines Aristoteles oder Th. v. Aquin...). Und diese Frage ließe sich - natürlich - ggf. auch mit einer umfassenden ToE oder einer fundamentalen Theorie über die Naturgesetze beantworten, was allerdings Gegenstand einer für uns noch weitestgehend zukünftigen Physik ist, muss man also erst einmal abwarten. Und was deine "nicht beobachtbaren physikalischen Sachverhalte" angeht... Da schiebst du scheinbar schon wieder (bzw. immer noch) genau das vorne rein, was du hinten raus haben willst: Einen (herbeifantasierten) "Schöpfungsakt", der sich den Naturwissenschaften prinzipiell entzieht (logisch, weil herbeifantasiert...). Beobachtbarer und theoretisch beschreibbarer physikalischer Sachverhalt ist - und das schon die ganze Zeit - die Wirklichkeit. Und bspw. die Tatsache, dass sie durch fundamentalere Gesetzmäßigkeiten und einige interessanten Prinzipien determiniert ist (Noether-Theorem, Hamiltonsches Prinzip, Entropie...). Insofern ist das also ziemlicher Unfug, wir hätten nichts zur Hand, um es zu interpretieren, beobachten und zu beschreiben. Selbstverständlich haben wir das.
Wichtiges Zauberwort hier auch: Rückschlüsse. Auch in den ersten Sekunden
nach dem (hypothetischen) Urknall war niemand dabei. Beobachtungsdaten, Theorien und Interpretationen haben wir aber dennoch. Wobei aber wiederum auch schon die Aussage, dass es einen Urknall gab, einen singulären Punkt in der Raumzeit, über den und worüber hinaus sich (angeblich) prinzipiell nichts aussagen lässt, bereits nichts weiter ist als... richtig,
Interpretation.
Arrakai schrieb am 29.07.2021:Ich denke, an dieser Stelle ist eine weitere Diskussion kaum noch sinnvoll. Wenn du tatsächlich davon ausgehst, dass es keine Grenze der menschlichen Erkenntnisfähigkeit gibt...
Was soll das werden? Ein Totschlagargument a la
"es gibt Grenzen der menschlichen Erkenntnisfähigkeit, also werden wir nie verstehen, wie Blitz und Donner entstehen"...? Das eine folgt zwar aus dem anderen, aber nicht umgekehrt. Naja, und ansonsten sind wir hier ja wieder beim "Ignorabimus" eines Comte oder Du Bois-Reymond, wozu ja bereits ein paar Wörtchen fielen (zuletzt
hier).
Okay... war jetzt wieder viel Text... Aber um eine gewisse Ausführlichkeit kommt man ja bei manchen Themen/Punkten leider nicht so ganz drum herum. Und hoffentlich war's stellenweise nicht zu schroff!
:D