Ein Leben ohne Glauben
29.10.2016 um 08:46
Dass viele Menschen glauben, etwas zu wissen, ohne aber dass sie es eigentlich wissen könnten, ist bekannt.
Und an etwas Bestimmtes, an eine These, Behauptung etc. nicht zu glauben, muss nicht bedeuten, dass man stattdessen an eine andere These glaubt.
Wie hier schon gesagt wurde, man weiß es dann eben nicht. Damit kann man ein gutes Stück lang leben, ein recht langes Stück sogar.
Die Frage ist für mich, wie weit man es damit aushalten kann bzw. wie weit man es treiben kann.
Ich glaube (!), man kann es nicht vermeiden, doch an manches zu glauben, obwohl man es eigentlich nicht wissen kann. Man tut so, als wüsste man es.
Das Thema ist nicht nur philosophisch interessant, denn es hat auch mit unserer Kommunikation zu tun.
A spricht mit B. Beide glauben über einen Sachverhalt Bescheid zu wissen, obwohl sie es eigentlich real nicht wissen können. Trotzdem diskutieren sie heftig, ja sie streiten sogar und manche gehen sogar so weit, dass sie mit dem Anderen nichts mehr zu tun haben wollen, "So ein Spinner!". usw..
Das Problem ist ja, dass Menschen sich leider sehr oft keine Rechenschaft darüber ablegen, dass Vieles, woran sie glauben, vieles, wovon sie ausgehen, nur eine (ihre) Vermutung ist, aber kein Wissen.
Ist es nicht verblüffend, dass Menschen über Dinge aneinander geraten, die sie nicht wissen können? Beide Seiten, Gruppen etc. basierend auf etwas, was sie nicht wissen können!
Dabei könnte es gut sein, darüber Verständigung zu erzielen, dass es beide eigentlich nicht wissen können.
Es stellt sich natürlich auch die Frage, was besser ist: An einen Sachverhalt zu glauben, ohne es eigentlich wissen zu können oder eben sich einzugestehen, das man es nicht wissen kann?
An einen Sachverhalt zu glauben, ohne es eigentlich wissen zu können, hat einige Vorteile: Man fühlt sich sicherer, wenn man in dem Zusammenhang handelt.
Außerdem kann es ja auch sein, dass man mit seinem Glauben einen Volltreffer gelandet ist, was sich dann als hilfreich und gut erweisen kann, weil das Resultat einer Handlung dadurch oft günstiger ausfallen kann.
Unwissenheit hingegen kann - muss aber nicht, wenn sie reflektiert ist - mit Unsicherheit einhergehen, was manchmal ein Nachteil sein kann.
Der, der es sich einfach macht und an alles mögliche einfach glaubt, macht es sich im Leben einfach(er) und fühlt sich - vielleicht - dadurch oft gut, denn er "weiß", was er tut und vor allem, was er zu tun hätte, wenn ...
Er hat sehr oft eine Antwort auf die Fragen des Lebens. Auch wenn die Antwort falsch ist, er glaubt daran, lebt danach und fühlt sich wohl.
Und was macht der, der nicht glaubt?
Wo und wie findet er seine Rezepte für das Leben?
Er braucht keine Rezepte? Oder hat nur eigene? Auf welcher Basis?
Wie viel Unwissen verträgt ein Mensch in seinem täglichen Leben?
Was bleibt noch übrig, wenn er alles, was nur Glaube ist, abstreift? Was hat er dann noch in der Hand?
Oder sagt er sich, "..das und das und das usw. sind alles zwar nur bloße Vermutungen, aber was Besseres habe ich halt nicht, also lebe ich danach, als wäre es wahr, ich weiß aber, dass vieles davon nur unvollständig ist. manches ganz sicher auch falsch, sogar schädlich bzw. von Nachteil, aber um überhaupt handeln zu können, brauche ich einen Boden ..." usw.
Würde er aber dann eben nicht glauben (im Sinne dieses Threads) oder wäre das kein Glauben, weil er ja wüsste, dass es eben kein Wissen ist?
Kann er dann aber auf solch einer Basis handeln? Wäre er dann noch glaubwürdig? Ohne Überzeugung? Voller Zweifel? Wäre er überhaupt manchmal handlungsfähig?
Je mehr ich darüber nachdenke, umso unmöglicher scheint es mir jedenfalls, an gar nichts zu glauben, sondern nur zu wissen (oder nicht zu wissen).
Also die Möglichkeit, entweder nur zu wissen oder nicht zu wissen und niemals an etwas zu glauben, ohne es wissen zu können.