@Peisithanatos Peisithanatos schrieb:Ausgenommen von ein paar wenigen Exemplaren sind die Menschen nicht an Wahrheit interessiert,
Ja und das hat seine Gründe, was nicht heißen soll, dass es gut ist, aber es geschieht nicht ohne Grund.
Peisithanatos schrieb:Meine These ist ja, dass der völlig klarsichtige Mensch dem Wahnsinn verfallen würde - deswegen müssen wir unser Bewusstsein künstlich limitieren und uns allen möglichen Zerstreuungen hingeben, uns betäuben.
Ich gehe nicht davon aus, dass es so sein müsste.
Die Natur bringt in der Regel keinen Wahnsinn hervor.
Es ist eher so, dass der Mensch eine unbeschreibliche Angst vor seiner eigenen Wahrheit hat und deswegen Zerstreuung braucht, um nicht wahnsinnig zu werden, denn so groß ist seine Angst vor der Wahrheit, die in ihm ist.
Peisithanatos schrieb:Evolution, Psychoanalyse, Neurowissenschaften, Astronomie haben unser Selbstbild verändert... uns eine narzisstische Kränkung nach der anderen zugefügt.
Die Kränkung, zumal die narzisstische, kann nur dort entstehen, wo der Mensch sich etwas vormacht, um etwas in sich, einen Mangel, ein Defizit in seiner persönlichen, seelischen Entwicklung, zu kompensieren.
Peisithanatos schrieb:dabei sind wir doch im Grunde genommen niemand.
Ja, so ziemlich.
Aber um zum Thema zurück zu kommen.
Die Frage ist für mich, ob man nicht so leben kann, dass man alles als unvollständig, partiell, provisorisch, vorläufig, als Momentaufnahme sehen kann.
Die Gefahr, wenn man glaubt (!), ohne an etwas glauben zu müssen auszukommen, ist die der Beliebigkeit oder gar des Nihilismus oder schlicht, dass man sich nur vormacht, an rein gar nichts fest zu glauben.
Wobei man vollkommen offensichtliche Sachverhalte nicht dem Glauben zuordnen muss.
Dass es die Erde gibt, Licht, die Sonne, Menschen, Tiere und einige Millionen oder Milliarden anderer Dinge, das hat nichts mit einem Glauben zu tun.
Erst wenn wir Phänomene zu erklären versuchen, dann fängt das Glauben an, wenn wir Zusammenhänge herstellen, deuten, behaupten usw.
Auch ich finde z. B., dass man ein Kind nicht dadurch zum Mitkommen erpressen soll, indem man ihm Angst macht, dass man es sonst ganz alleine zurück lassen würde.
Das ist durchaus ein "glauben, dass .." im Sinne dieses Threads.
Die Frage ist dann in diesem Zusammenhang, wie fest ist mein Glaube daran, dass das falsch ist? Lässt es unter gar keinen Umständen eine andere Interpretation gelten? Niemals? 10.000mal falsch bei 10.000maligem Vorkommen?
Nein. Eben. Und dennoch kann ich an eben diesem einfachen Beispiel feststellen, dass ich eben doch glaube, dass ... und dass ich nicht ganz ohne auskomme.
Die Frage wäre dann vielleicht, wie ich dazu stehe und wie fest der jeweilige Glaube an etwas bzw. dass etwas so oder so sein soll, ist.
Und wie ich mich dazu positioniere. Und auch wie ich darüber reflektiere und zwar in einer Kette, indem ich mich mit dieser Position in Beziehung zu anderen Menschen setze und das Ganze noch einmal betrachte.
Mir kommt es dann so vor, dass mein Glaube an etwas oder dass etwas so und so sei, durch dieses Reflektieren entweder sich seiner Unvollständigkeit bewusst wird oder gefestigter, ohne aber dadurch immer auch zwingend ganz fest und unerschütterlich werden zu müssen, wobei ich letzteres auch bei manchen Dingen für möglich halte.
Wenn ich mir bewusst bin, dass mein Glaube, dass .... oder mein Glaube an etwas nicht unbedingt identisch mit der Wahrheit sein
muss, was bedeutet das dann für mich?
Wie lebe ich damit?
Wo verlasse ich den Glauben und wo fängt das Wissen an und kann man unterscheiden zwischen tatsächlichem Wissen und dem Umstand, nur zu glauben, dass man weiß, es aber eigentlich nur glauben, aber nicht wissen kann?