Ozeanwind schrieb:Und das alles von einem Mann/Vater, der selbst anscheinend einige psychische Probleme hat und schon seit Jahren in Therapie ist. Er jammert über sein Leben und wie schwer seine Kindheit war (und das kann ich auch nachvollziehen)und wie setzt er das nun fort? Damit macht er selbst es seinen eigenen Kindern von Anfang an schwer.
Deshalb tut er es vermutlich auch. Er wird das wahrscheinlich einfach nicht sehen können, weil sein eigener Leidensdruck so groß ist. Er kann nur das sehen, für andere Menschen ist da momentan gar kein Platz.
Ich habe schon öfter mitbekommen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen nicht immer beziehungsfähig sind und damit meine ich jede zwischenmenschliche Beziehung. In manchen Phasen können sie nur nehmen, aber nichts zurückgeben. Das dient vor allem der eigenen Heilung, man kann sich dann nur auf sich selbst konzentrieren.
Drum wird von Therapeuten ja auch immer davon abgeraten, in solchen Phasen eine Beziehung einzugehen.
Nun gibt es aber mitunter schon irgendwelche Beziehungen, wenn jemand in eine solche Phase gelangt. Psychische Erkrankungen hat man ja oft sein Leben lang und es gibt bessere und schlechtere Phasen. Niemand wird in einer schlechten Phase alle Beziehungen beenden, das wäre auch nicht zumutbar. Aber für die anderen Menschen im Leben der psychisch erkrankten Personen ist das dann sehr schwer. Ich könnte das nicht, auf Dauer dieses Auf und Ab, die Kinder können sich das aber nicht aussuchen. Drum sehe ich es auch kritisch, wenn psychisch kranke Menschen Kinder bekommen.
Natürlich gibt es dann immer jemanden, der das ausschlachtet, in diesem Fall ist das eben der Buchverlag, der diese Memoiren veröffentlicht. Schlammschlachten lassen sich eben gut verkaufen und was die Zukunft bringt, ist dem Verlag egal, denn jetzt casht er damit ab.
Ozeanwind schrieb:Ich lese das Buch nicht, kann mich nur auf einzelne Ausschnitte berufen und die finde ich schon sehr persönlich. Will ein Kind (da geht es nicht ums Alter, die Eltern-Kind Beziehung bleibt lebenslang bestehen), wirklich wissen, wie das erste Mal seines Vaters abgelaufen ist, wie viele Menschen er getötet hat usw. ?
Ich würde das wissen wollen. Auch von den Großeltern. Ich hatte zum Beispiel gerne gewusst, wie sich meine Großeltern in der Nazizeit verhalten haben, aber darüber wurde nie gesprochen.
Diese Dinge sind Harry anscheinend wichtig und er denkt, dass sie ihn geprägt haben. Allein deshalb ist es für Angehörige gut zu wissen, sonst kann man ja nicht verstehen, warum eine Person so ist, wie sie ist.
Aber ich bin ein sehr analytischer Mensch, bei dem Verständnis nicht über Emotionen oder Intuition, sondern über Faktenanalyse abläuft. Sowohl bei mir selbst, als auch bei anderen Menschen oder Situationen. Das ist die Art und Weise, die mir Verständnis überhaupt erst ermöglicht.
Ich kenne jetzt Harrys Kinder nicht, aber vielleicht sind sie ja auch eher analytisch und weniger emotional? Dazu muss man ja nicht unbedingt Asperger haben, es sind ja viele Menschen so.
Drum denke ich mir, dass das nicht unbedingt negative Auswirkungen auf die Kinder haben muss. Ich würde die Gefahr da eher im Mobbing von anderen Kindern in der Schule sehen, daher auch mein Argument, dass bis dahin keinen mehr dieses Buch interessiert.
Ozeanwind schrieb:Ich wünsch euch von ganzem Herzen viel Kraft und Hilfe/Linderung im Leid.
Dem schließe ich mich an!
devil075 schrieb:Wir wissen das und wir wollen nicht egoistisch sein und vor allem wollen wir, dass sie nicht leidet. Ich glaube ihr selbst ist die Situation erst mit diesem Arztgespräch richtig bewusst geworden.
Oh! Wie kommt das?
Bei meinem Vater war es ähnlich, bei ihm lag es aber daran, dass er einfach nicht wahrhaben wollte, dass er sterben wird. Niemand hat ihm Hoffnung gemacht, die Ärzte waren da sehr klar in ihren Worten. Wir wussten alle, dass er den Krebs nicht überleben wird, aber er sprach immer davon, dass er bald wieder gesund werden würde. Das hat dann dazu geführt, dass wichtige Dinge bei seinem Tod nicht geregelt waren, meine Mutter hatte dann zum Beispiel keinen Zugriff auf sein Konto und musste alle Zahlungen bis zur Abwicklung der Verlassenschaft alleine bezahlen. Meine Eltern hatten getrennte Konten, haben sich aber die Kosten für alle Alltagsdinge geteilt. Meine Mutter war so schlau und hat ihm eine Vollmacht erteilt für Notfälle, er hat das verdrängt so nach dem Motto "Ich brauche das nicht, mir passiert ja eh nix." Und dann stand meine Mutter da. Natürlich haben wir ihr geholfen, so gut es eben ging, aber die Abwicklung einer Verlassenschaft dauert Monate und so lange sind die Konten der verstorbenen Person gesperrt, es gehen nur die Abbucher weiter, bis man sie kündigt.
Ich finde auch, dass er sich selbst damit die Chance auf einen Abschluss genommen hat. Er schien wirklich überrascht zu sein, als der Tod dann wirklich kam und er hatte wohl auch Angst in seinen letzten Momenten. Das hat mir sehr leid getan, weil das alles zu verhindern gewesen wäre, wenn er sich nur vorher einmal mit dem Sterben und dem Tod auseinandergesetzt hätte.