@Iva@Vomü62 Vomü62 schrieb:dazu ist die „Böse- Buben“- Theorie.
Von der habe ich noch nichts gelesen. Hätten bei Anwesenheit anderer Leute nicht zumindest Spuren gefunden werden müssen?
Korrekt lautet die Theorie „Kontrollierte Übergabe“ 😅 Aber unsere Trolls hier haben es mit „Böse Buben“- Machenschaften übersetzt, was den Kern eigentlich ganz gut trifft.
Zu den Spuren:
Nicht zwingend, wenn sie sich auf Skiern fortbewegt haben, gab es keine durchgehenden Spuren. Die Wanderer selbst und die Mansi haben auch zu großen Teilen keine Spuren hinterlassen.
Es wurden allerdings auch Spuren gefunden, die man nicht zuordnen kann: z.B. einen bestimmten Schuhabdruck, eine Gamasche, die nicht zur Gruppe gehörte, und einiges mehr.
Alles ist beschrieben in dem Buch von Alexei Rakitin „Die Toten vom Dyatlov Pass. Eines der letzten Geheimnisse des Kalten Krieges.“
Ich kann das hier nicht so komplett wiedergeben, denn die Theorie ist wirklich komplex. Aber das Buch ist wirklich lesenswert in Hinblick auf das Zeitgeschehen. Die Grundannahme von Rakitin ist, dass es sich bei der Tour um eine geheimdienstliche Aktion handelte (im Wesentlichsten eine Desinformationskampagne der sowjetischen Gegenspionage- Abteilung) und der gewisse radioaktiv belastetete Pullover an ausländische Agenten gegeben werden sollte. Bevor man das alles als verrückt abtut sollte man einige Dinge bedenken:
Tscheljabinsk, die „geheime Atomstadt“ (wo u.a. Kriwonischenko gearbeitet hatte- bis zu seiner nebulösen Kündigung direkt vor der Tour!) mußte unbedingt geheim bleiben. Der Westen durfte nicht wissen, was im Bezug auf nukleare Waffen in der Sowjetunion abging, und wo die Forschungsanlagen waren.
Es gab im Raum Swerdlowsk- Tscheljabinsk amerikanische Geheimdienst- Aktivitäten, speziell zwischen November 1958 und Mai 1959.
Die „Operation Kelch“ gehört dazu, der ehemalige amerikanische CIAler James Q. Reber schreibt in seinen Memoiren darüber.
Rakitins Version:
Während der Tour sollte ein Treffen zwischen westlichen Geheimdienstlern und der Gruppe stattfinden. In der Gruppe gab es nur wenige Mitglieder, die eingeweiht waren. (Kolevatov; evtl. Zolotarev und Krivo). Der radioaktiv kontaminierte Pullover sollte übergeben werden- als Desinformations- Operation, denn die radioaktiven Isotope vom verseuchten Pullover waren andere als die, mit welchen in Atomprojekten gearbeitet wurde.
Bei der Übergabe ging etwas entsetzlich schief, so die Theorie. Die westlichen Agenten (welche häufig Überläufer waren- also möglicherweise aus der Gegend im Ural kamen und durchaus gute Ortskenntnisse gehabt haben konnten) merkten, dass sie gelinkt wurden. Oder Mitglieder aus der Gruppe, welche nicht eingeweiht waren (Dyatlov?) wurden argwöhnisch, was hier für ein komisches Spiel stattfand, und es kam zum Streit.
Wie auch immer, nachdem die Übergabe gescheitert war, galt es, alles zu vertuschen: die Zeugen sollten ausgeschaltet werden, ohne zu viele Spuren zu hinterlassen, und alles sollte möglichst nach einem Unglück aussehen. Erschiessen wäre also keine Option gewesen. Also trieb man mit vorgehaltener Waffe die Wanderer hinaus in die Kälte und hinderte sie daran, sich was Warmes anzuziehen.
(solche Aktionen waren auch aus Strafgefangenenlagern bekannt- Munition war knapp, und wenn man Leute ohne großen Aufwand töten wollte, wurden sie einfach leicht bekleidet in die sibirische Kälte getrieben. Wie praktisch 😬)
Die Wanderer dachten, es wäre ein Überfall, die Täter wollten das Zelt durchwühlen, wenn sie gefunden hätten was sie wollen, würden sie Ruhe geben und wieder abziehen. Also dachten sie, sie müssen nur kurz durchhalten, dann könnten sie zum Zelt zurück. Den ganzen Ernst der Lage konnten sie so schnell nicht begreifen.
Die bösen Buben wollten aber gar keine Spuren/Zeugen hinterlassen. Sie stellten irgendwann fest, dass die Wanderer doch sehr viel Widerstandsfähiger waren als gedacht. Also begaben sie sich zur Zeder und zur Schlucht und brachten die Opfer mit Nahkampftechniken um.
(Das war eigentlich der Grund, weshalb ich auf dieses Buch neugierig geworden bin- einer meiner Kumpel aus dem Krav Maga- Verein schleppte es an 😬)
Die Verletzungen passen leider exakt zu der dargebotenen Theorie.
Dieser Punkt geht also leider an Rakitin.
Wie gesagt, das ist jetzt nur die sehr grobe Zusammenfassung. Ich bin kein Verfechter dieser Theorie, muß aber sagen: sie liefert eine ziemlich lückenlose Erklärung aller Merkwürdigkeiten.
Die Hintergründe, auf die Rakitin sich bezieht, sind leicht nachprüfbar.
Wie z.B. das Memorandum vom 8. Januar 1958. Auzug aus Rakitins Buch:
>>Deshalb ist das Memorandum vom 8. Januar 1959 faktisch eine Anweisung für den amerikanischen Geheimdienst, umgehend eine Spionagetätigkeit in den Gebieten aufzunehmen, die zum Eisenbahnnetz des Urals und der ASSR der Komi gehörten. James Reber wies dieser Tätigkeit die höchste Priorität der CIA zu.<<
Eine Sache ist noch erwähnenswert.
Im Juli 1959, also etwa einen Monat nach Ende der Ermittlungen zum Dyatlov- Pass- Unglück, wurden drei der fünf hochrangigsten KGB- ohne Angabe von Gründen von heute auf morgen ihres Amtes enthoben. Sowas hat es davor und danach nie mehr gegeben, laut Rakitin. (Kann man ja leicht überprüfen, wenn man sich mit der Geschichte des KGB befasst)
Was gab es sonst zu der Zeit an Pannen, die zu solchen drastischen personellen Konsequenzen geführt haben könnten?
Wie gesagt, das Buch von Rakitin ist sehr lesenswert.
Weil ich gleich hier öffentlich von einigen gesteinigt werde, betone ich nochmals, dass ich kein Verfechter dieser Theorie bin. Aber sie ist in sich schlüssig.
Und Leute, die Rakitins Version von Vorneherein als irre Verschwörung abtun, die haben in der Regel das Buch nicht gelesen. Die Hintergründe von kaltem Krieg, CIA, KGB, nuklearem Wettrüsten lassen sich nicht so ganz wegwischen.