@cRAwler23 Menschen wie Du und meine jungen Mitarbeiterinnen sind es, die beweisen, dass sich die Verhältnisse in den letzten 30 Jahren grundlegend und zum Positiven verändert haben.
@vegan33 @1ostS0ul Manchmal möchte man Alice Schwarzer ungeschehen machen, wenn man sieht, wie sie zum Synonym für "Feminismus" geworden ist.
@cRAwler23 hat aber recht : Feminismus ist nicht identisch mit Alice Schwarzer. Feminimus bedeutet nicht, Männer zu hassen, auszusehen wie ein Müllhaufen und kein Deo zu benutzen. Feminismus gebeutet
Gleichberechtigung, nicht Zwang zur Gleichheit, nicht Gleichmacherei, nicht Gleichschltung von Bedürfnissen und Wünschen.
Oft habe ich den Eindruck, dass den jüngeren Menschen heute nicht bewusst ist, dass es schon eine enorme Entwicklung gegeben hat. Noch in den Siebzigern war eine Frau
nur dann berufstätig, wenn sie unbedingt dazuverdienen musste ... es war ein Zeichen für Geldnot. Heute ist es eine Selbstverständlichkeit. Allerdings waren die Frauen damals nicht glücklicher, wie es heute oft dargestellt wird: sie waren frustriert vom Dasein als Hausfrau: unterfordert, gelangweilt, gedemütigt.
Die oft nur schlecht oder garnicht ausgebildeten Frauen hatten meistens die schlechtest bezahlten Berufe ... und wo sie Ausbildungen hatten, sogar mehr Frauen als Männer beschäftigt waren, war die gewerkschaftliche Vertretung miserabel. Aus dieser Ära stammen die schlechten Tariflöhne für Friseurinnen und Schneiderinnen, die unter denen für ungelernte Bandarbeiter liegen.
Die Gesellschaft sah berufstätige Frauen nicht vor: es gab keine Ganztags-Kindergärten, keine Ganztags-Schulen, keine Kinderläden und Horte. Meine Mitschüler waren "Schlüsselkinder": Hausschlüssel am Bändsel um den Hals, den Nachmittag alleine zu Hause oder auf dem Spielplatz. Niemand dachte sich was dabei, Grundschüler stundenlang alleine zu lassen.
Und genausowenig ist bewusst, wie sehr man doch noch gefangen ist in Rollenvorstellungen, in Konditionierung, in Vorurteilen.
Wie sehr wir immernoch von aussen konditioniert werden in unseren Bedürfnissen und Wünschen, kann man z.B. an dem Schlankheitswahn sehen: egal wie selbstbewusst heute eine Frau ist, wollen doch die allermeisten
schlank sein. Sie wollen aber auch einen grösseren Busen .... dazu eine Beobachtung:
fast alle BH´s bei H&M bis C-Cup sind Pushup-BH´s, die Polster nicht herausnehmbar. Das bedeutet: "Hast Du nicht Grösse C, dann ist Dein Busen zu klein und muss gepolstert werden". Die Zielgruppe von H&M Dessous sind Teenager und 20- bis 30-Jährige.
In Frauenzeitschriften, besonders der "Brigitte", wird regelmässig nette Mode für Mollige gezeigt und geschrieben, dass mollig überhaupt kein Problem ist. Und ein paar Seiten weiter gibt es "DIE NEUE BRIGITTE-DIÄT". Und 90% der anderen Models sind schlank bis dünn, auch wenn sie keine Profis sind.
Von 1200 Kundinnen, die ich über 18 Jahre hatte, haben 98% gesagt, dass sie gerne dünner wären.
Selbst Schwangere machen sich Sorgen, sie könnten zu sehr zunehmen.
Die Models bei "Germanys next Top Model" sind dünn ... (aber nicht dünn genug für die grossen Agenturen. Für die müssten sie alle noch mindestens fünf Kilo abnehmen). Die Zielgruppe der Sendung? Teenager und ihre Muttis.
Einerseits herrscht heute eine sehr grosse individuelle Freiheit - so gross, dass
@Mr.Palooza nichtmal mehr merkt, dass er trotz seiner Individualität natürlich (wie wir alle) einer Konditionierung unterliegt: eben genau der zu Individualität in unserer Gesellschaft.
Allerdings ist diese meist vorgespiegelt, (er ist als Schweinefleisch-Abstinenzler in Gesellschaft mit 10% Vegetariern in Deutschland, plus die ungezählten Prozent, die nur Fisch oder Fisch und Geflügel essen) denn so frei und individuell wie wir glauben, sind unsere Entscheidungen meistens nicht. Wir identifizieren uns nicht mit dem Elternhaus? Kein Problem: es gibt soundsoviele Gruppen, mit denen wir uns identifizieren können, deren Werte und Masstsäbe wir anwenden können, ohne uns fühlen zu müssen wie Einsiedler.
Mr.Palooza hat sich aufgrund seiner eigenen, sachlichen und intelligenten Gedanken entschlossen, kein Schweinefleisch zu essen? ........ und woher hatte er die Informationen über Massentierhaltung?
Vor einer der zahllosen Tierschutzorganisationen? Aus dem Internet, das Millionen als Quelle dient für Informationen über Tierschutz?
@cRAwler23 hat auch insofern recht: schön, dass heute jeder so leben kann, wie er möchte. Ob nach konservativen Rollenvorstellungen oder nicht, je nach persönlicher Bedürfnislage und Situation.
Das ist bloss nicht "einfach so" passiert, sondern durch solche Personen wie Alice Schwarzer, die mit sehr radilkalen Mitteln und Argumenten gegen sehr eingefleischte, undurchdringlich scheinende Rollenvorstellungen kämpfte. Anders hätte sie niemals erreichen können, was sie erreicht hat: eine Veränderung der Gesellschaft, die so weit geht, dass junge Menschen sie heutzutage für selbstverständlich halten.
Dazu gehört auch, dass Väter sich ebenso um ihre Kinder kümmern können, wie die Mütter. (Nein, das Stillen hat keine so einzigartig prägende Rolle bei Säuglingen. Spielen, Wickeln, Baden, in den Schlaf wiegen machen genausoviel aus. Und die Stillzeit ist ziemlich schnell vorbei ... .)
Und Väter können sich entscheiden, nicht alleine für die Familie zu sorgen. Oder zu Hause zu bleiben, während die Mutter arbeiten geht. Vielleicht zieht noch jemand eine Augenbraue hoch, aber er würde nicht mehr als verweichlicht, unter dem Pantoffel,
unmännlich gelten, und seine Frau nicht mehr als karrieregeil, rabenmütterlich,
unweiblich. Man würde sich die Personen anschauen, und dann urteilen ... vielleicht ist der Mann ein echter Kerl, und hat wirklich Freude an Kindererziehung? Vielleicht hat die Frau einen tollen Beruf, und verdient so viel, dass es gar keinen Sinn machen würde dass sie ihre Karriere aufgibt? Oder es ist, wie man befürchten könnte .....und genau
das ist, was Gleichberechtigung ausmacht: es könnte so oder so sein. Es ist eine individuelle Entscheidung.
Gleichberechtigung bedeutet nicht, dass automatisch alle die "richtige" Entscheidung treffen, sich entsprechend dieser oder jener Vorstellungen verhalten .... sondern: dass alle sich so entscheiden können, wie sie es möchten. Und da sehe ich eine sehr positive Entwicklung (keinen perfekten Zustand).
Übrigends, wir können ausatmen: der Preis für die beste Forscherin bei "Jugend forscht" in Hessen ist wieder abgeschafft.
http://www.jugend-forscht-hessen.de/_rubric/index.php?rubric=PreiseDie von
@1ostS0ul verlinkte Untersuchung ist interessant:
http://www.gap-europe.de/Sprachen/home_deutsch/Studien/technik_de.pdf (Archiv-Version vom 01.02.2004)Zwar mochte ein Mädchen den Sonderpreis nicht, den Mädchen für den Bereich Technik bekommen konnten, aber andererseits ... (ab Seite 9) zwar haben die meisten interviewten Teilnehmerinnen nur von positiver Resonanz berichtet, aber immerhin gab es ein paar, die mit negativer Resonanz des Umfeldes zu kämpfen hatten. Interessant wäre, zu erfahren, ob es Jungen ähnlich ging, oder ob die durchweg positive Resonanz erfahren haben. Denn das würde Aufschluss über Vorurteile und Rollen-Klischees geben.
Insgesamt sind ein Drittel der Bewerber für "Jugend forscht" Mädchen ... das ist ein Anstieg von 8% 1966 auf 31% 2003,( keine neuere Zahl erhältlich) (In den Bereichen Chemie und Biologie haben Mädchen sogar die überwiegende Mehrheit) . Angesichts der Gesellschaftsgeschichte, in der Frauen Jahrhundertelang in den Wissenschaften nichts zu suchen hatten, ein rasanter Anstieg.
Meine Güte ... irgendwie lässt sich das Thema nicht in wenigen Worten fassen.
Aber immerhin betrifft es alle, persönlich, die Gesellschaft, die Politik, die Geschichte, Genetik ... dazu später mehr.