@niurickniurick schrieb:zu denen, die angeblich nicht therapierbar sind: da stellt sich die Frage, inwiefern sie für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden können.
Wie soll jemand "bestraft" werden, womit er geboren wurde?
Ich wag gar nicht, das weiterzudenken.
Heute habe ich einen Artikel genau zu Deiner Frage entdeckt , deshalb stell ich ihn mal hier rein:
Freier Wille oder vorprogrammiert?
Blicke ins Straftäter-Gehirn
Unter hohem Sicherheitsaufwand sind in der psychiatrischen Universitätsklinik Rostock in den vergangenen Monaten die Gehirne von Straftätern untersucht worden. Häftlinge aus Gefängnissen Mecklenburg-Vorpommerns, die zu langjährigen Freiheitsstrafen wegen Mordes, Totschlags oder Raubes verurteilt sind, sowie Patienten aus forensischen Kliniken wurden nach Rostock gebracht. Die Männer hatten entweder Straftaten mit hoher Impulsivität verübt, oder sie gelten als Psychopathen, haben also ein unterkühltes Gefühlsleben. Sie sind, wie es Klinikchefin Sabine Herpertz ausdrückt, krankhaft angstfrei.
Im Versuch mussten die 28 Straftäter Aufgaben wie ein Börsenspiel bewältigen, während ihre Hirnaktivität in einem Kernspintomographen gemessen wurde. Als Maß für die Aktivität galt die Durchblutung bestimmter Hirnareale. Beim Börsenspiel müssen Entscheidungen schnell getroffen werden, es gibt risikoreiche und -arme Varianten; das Ergebnis, Sieg oder Niederlage, Belohnung oder Bestrafung liegt schnell vor, sagt Herpertz. Schon vor diesen Versuchen war bekannt, dass Entscheidungsprozesse sehr viel emotionaler und weniger rational bestimmt sind als bisher geglaubt wurde.
Die noch nicht vollständig ausgewerteten Ergebnisse lassen bereits einige Schlussfolgerungen zu. So sind bei Psychopathen Areale, die an Bestrafung beteiligt sind, schlechter durchblutet als in der Kontrollgruppe. "Wenn aus Bestrafung nicht gelernt wird, besteht eine hohe Wiederholungsgefahr". Für die Therapie heißt das, wenn jemand aus Bestrafung nichts lernt, sollte in der Therapie auch nicht mit Bestrafung gearbeitet werden.
Sind Verbrecher überhaupt für ihre Taten verantwortlich?
Herpertz betont: "Unser Ziel ist es zu erkunden, welche Hirnstrukturen verantwortlich für Taten sein können und welche Therapien für welchen Täterkreis sinnvoll sind." Klar scheint, dass Straftäter aus der hochaffektiven Gruppe anders behandelt werden müssen als Psychopathen. Zudem müsse die Diagnostik von Straftätern verfeinert werden, sagt die Psychiaterin. Doch werden die Ergebnisse genügend Raum für Interpretationen geben. Sind Verbrecher angesichts ihrer Hirnphysiologie überhaupt für ihre Taten verantwortlich? Schon melden sich Neurowissenschaftler, die die Schuldfähigkeit eines Verbrechers wegen der möglicherweise fehlenden Willensfreiheit prinzipiell infrage stellen.
Dies sind Gedanken, die Axel Boetticher, Richter am Karlsruher Bundesgerichtshof, ablehnt. Noch sei viel zu wenig bekannt, um solche Schlüsse ziehen zu können. "Ich weigere mich, mir ohne wirklich nachhaltige neue Erkenntnisse konkrete Gedanken über notwendige Maßnahmen weg vom Schuldstrafrecht zu machen." Zudem beantworteten die Neurowissenschaftler, die an der Schuldfähigkeit zweifeln, nicht die viel weitergehende Frage, welche Auswirkungen der fehlende freie Wille für das gesamte soziale Zusammenleben hat.
Auch Herpertz meint, dass die Wissenschaft weit davon entfernt ist, aufgrund dieser Forschungsergebnisse Rückschlüsse auf einen einzelnen Menschen ziehen zu können. Es fehle die notwendige Sicherheit, um Fragen nach der Schuldfähigkeit zu beantworten oder auch eine Prognose stellen zu können. Denn von der Beantwortung solcher Fragen hängt für diesen Menschen der Verlauf des Lebens ab. "Da darf es kein Ausprobieren geben", sagt Herpertz. Sie weist darauf hin, dass es auch im Leben von Psychopathen eine Entwicklung hin zur Gefühlskälte und Aggressivität gegeben hat, sie kennen ihre Schwächen also. "Die Gesellschaft kann die Erwartung stellen, dass ihre Bürger Strategien zum Umgang mit diesen Schwächen entwickeln."
http://www.n-tv.de/Freier_Wille_oder_vorprogrammiert_Blicke_ins_StraftaeterGehirn/100620083010/977118.html