Wie einem Alkoholiker die Augen öffnen?
21.12.2014 um 19:01ramisha schrieb:Ich finde es ja sehr freundlich, dass hier immer noch @Varisha Ratschläge gegeben werden,@ramisha
aber der TE ist seit 2012 nicht mehr anwesend. Die gut gemeinte Zuwendung läuft also ins
Leere, wenn nicht andere User eine Erkenntnis daraus ziehen können.
Und so wende ich mich mal an die wohlmeinende Userschaft mit einer ganz konkreten Frage,
die Situation "meines" Alkoholiker betreffend:
Der Mann ist seit zig Jahren beim Bund angestellt, aber seit ca. einem Jahr freigestellt.
Die Bezüge laufen - wenn auch gekürzt - monatlich weiter und wäre Not am Mann,
könnte sein Dienstherr ihn zu jeder Zeit und Stunde wieder einsetzen. DAS wäre
allerdings bei seiner jetzigen Verfassung unmöglich! Jeder Arzt würde das bestätigen.
Aber nehmen wir mal an, seine Arbeitskraft würde benötigt und er wäre außer Stande
wegen hochgradiger Alkoholsucht, wäre es dann nicht besser, man würde den
Dienstherren von der derzeitigen Situation unterrichten? Hätte der nicht sogar die
Pflicht, sich um seinen Amtsangehörigen zu kümmern? Hätte der nicht auch mehr
Möglichkeiten, als jeder andere, auf den Süchtigen einzuwirken, möglicher Weise mit
einer Verpflichtung zum Entzug?
An diese Möglichkeit habe ich bisher noch nicht gedacht, finde sie aber naheliegend.
Hat jemand damit schon Erfahrungen gemacht oder gibt es da sogar Vorschriften?
Für jede Rückäußerung dankbar - RAMISHA
Sorry, ich lese meist nur den Eingangspost von Threads.
Klar, ich kann sehr sehr gut nachfühlen, was Dich mit dem Alkoholiker "eind ...und entzweit".
Zur Rechtslage:
Alkoholismus wurde 1986 von der WHO - Weltgesundheitsorganisation - als Krankheit anerkannt.
Im Angestelltenverhältnis im Öffentlichen Dienst endet die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall nach sechs Wochen; danach wird von der Krankenkasse eine sogenannte Lohnersatzleistung gewährt, besser als Krankengeld bekannt. Das Krankengeld wird individuell berechnet und ist niedriger als das Nettoeinkommen. Das Krankengeld beträgt 70 % des Arbeitsentgelts (sogenanntes Bruttoentgelt), maximal aber 90 % des Nettoarbeitsentgelts.Innerhalb von 3 Jahren gibt es höchstens eineinhalb Jahre lang Krankengeld für dieselbe Krankheit. Danach muss 6 Monate wieder gearbeitet werden, also keine Arbeitsunfähigkeit bestehen wegen der Alkoholerkrankung, so dass ein neuer Anspruch auf Krankengeld entsteht.
Die von Dir erwähnte Kürzung der Bezüge auf 80 % spricht eigentlich nicht für eine "Freistellung" unter Fortzahlung der Bezüge, wie dies bei "auf Eis gelegten" Managern praktiziert wird, sondern für das gesetzliche Prozedere bei Krankschreibungen. Gesetzt dem Fall wird´s in einem halben Jahr finanziell eng werden - möglicherweise. Bei jedem Normalbediensteten jedenfalls, dies mal so als Hinweis.
ramisha schrieb:Seine Dienststelle wurde aufgelöst und die Mehrzahl der Beschäftigten wurden aufIm Zusammenhang mit der Behördenauflösung kann das möglich sein.
andere Dienststellen im Umland aufgeteilt. Er wurde praktisch "zur ständigen
Verfügung" mit 80% der Bezüge freigestellt
Zum Krankheitsbild: Dem Bericht zufolge ist dieser Mensch seit vielen Jahren seelisch und körperlich alkoholabhängig.
ramisha schrieb:Er war im Innendienst, kein Soldat, ist schon seit Jahrzehnten auffällig (Entgiftungen, Entziehungskur und davon wissen auch seine Vorgesetzten).
ramisha schrieb:Die dreimonatige Entziehungskur, die er kurz vor Schluss abbrach, ...
ramisha schrieb:Ich habe ihn schon erlebt, da hätte er jedem Schlagzeuger Konkurrenz gemacht.
Nach dem ersten Liter Rotwein wurde es besser.
Übrigens, er fiel mit 2,6 Promille aus dem Bus, woran auch der Hund Schuld war!!!
Er brach sich das Sprunggelenk und zwar kompliziert und lag - man sollte es kaum glauben -
einen ganzen Monat im Klinikum. Und dort, man sollte es ebenfalls nicht glauben, bekam
er täglich seine 5 (fünf) Flaschen Bier - bezahlen musste er die allerdings selbst.
ramisha schrieb:Man kann jeden Moment mit einem Zusammenbruch rechnen.
ramisha schrieb:Eben nicht! Er weiß zwar, wie es um ihn steht, aberInsbesondere das letzte Zitat zeigt, dass zu dem üblichen seelischen Drang, Alkohol zu konsumieren (sog. Erleichterungstrinken), die körperlichen Leiden (Tremor ...) hinzukommen. Er trinkt also nicht mehr nur um Rauscherlebnisse zu suchen, sondern um den quälenden Entzugserscheinungen zu entgehen. Diese werden gerade bei Krankenhausaufenthalten sichtbar, und es droht im Entzug das lebensgefährliche Deilirium tremens. Schon erstaunlich dieses Krankenhaus, von dem Du schreibst, wo sie ihm jeden Tag auf eigene Rechnung 5 Flaschen Bier gegeben haben sollen ... um dem Delirum vorzubeugen!?
1. hat er nicht die Willensstärke und
2. findet er einen kräftigen Rausch angenehm
und das hält ihn davon ab, wenigstens zu entgiften.
Dass er würgt, sich schlecht fühlt, sich kaum auf den Beinen halten kann und ihm die
Hände fliegen, dagegen kann man ja was machen - SAUFEN!
Ich denke nicht, dass der Dienstherr ihn sich nur "in Bereitschaft" halten will, sondern, mit Blick auf die Alkoholerkrankung eines langjährigen Mitarbeiters - ihm die Rückkehr in seinen Beruf offen stehen soll, da jeder Mensch existenziell auf Sinn ausgerichtet ist (Viktor Frankl) - und der Beruf zählt mit dazu.
Andererseits wird durch die Freistellung und ggf. Verrentung im engen Zusammenhang mit dem Vorhandensein der Alkoholabhängigkeit etwas angestoßen, dass die Psychologie als sekundären Krankheitsgewinn bezeichnet, der - oftmals - zum Weitermachen "verleitet".
Die Rückkehroption ist mithin eine Brücke ...und ein Hinderniss zugleich.
Nicht die Suchtbekämpfung, hierbei steht die stationäre Entgiftung im Vordergrund, sondern das Hinderniss des sekundären Krankheitsgewinns ist eine psychologische Angelegenheit, die angegangen werden könnte.
Dieser Ansatzpunkt wird meistens übersehen und ein Betriebsarzt "für alle Fälle" ist damit überfordert und angesichts der Anamnese mit den zahlreichen Rückfällen des Patienten möglicherweise nicht mehr willens, aktiv mit ihm zu arbeiten.
Zum sekundären Krankheitsgewinn zählt im übrigen auch Dein mitmenschliches "Kümmern" und die unablässige Sorge um sein persönliches Wohl; das kriegt er mit!
Alles in allem (finanzielle Absicherung und Wohlwollen) fühlt er sich von wundersamen Mächten auf Händen sicher getragen ... Prost!
Nimm es gelassen - so, wie es ist:
Gott, gib' mir die (Gnade und Demut und) Gelassenheit,Er muss seine Abhängigkeit erstmal selber überwinden wollen! Und wenn er selber sieht, dass er selber machtlos ist, muss er sich dies eingestehen, und, so komisch das jetzt klingen mag, sein Leben der Fürsorge Gottes übergeben. Siehe auch das 12-Schritte Programm der Anonymen Alkoholiker.
Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann,
den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann,
und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.
Das Gelassenheitsgebet
In meinem ersten Beitrag in diesem Thread erwähnte ich noch eine spirituelle Option:
Ich will nur andeuten, dass (spirituelle) transpersonale Entwicklung ebenfalls ein Weg sein kann, um von Süchten loszukommen.Transpersonale Entwicklung ist ohne Genesung nicht möglich, und umgekehrt kann ein Mensch ohne Transformation nicht - endgültig - genesen.
Für die Alkoholabhängigkeit (und andere Süchte) bedeutet dies, dass Menschen, die versuchen, zu genesen, ohne sich zu transformieren, TROCKEN sind, aber nicht NÜCHTERN, oder ABSTINENT, aber nicht in der GENESUNG. Wer den Paradigmenwechsel
Warum ? (Seite 3) (Beitrag von callida)
geschafft hat, ist dahingehend genesen, so dass er - trotz früherer Sucht - sein Gläschen trinken kann, ohne in eine erneute Abhängigkeit zu rutschen.
Das ist FREIHEIT!