Häresie schrieb:Da ein Selbstmord auch bei anderen Menschen Spuren hinterlässt finde ich es schon sehr egoistisch gedacht. Ich kann Selbstmord akzeptieren, aber verurteile es trotzdem.
Andere Menschen haben über das eigene Leben keine Entscheidungsgewalt und auch kein Entscheidungsrecht. Klingt hart, ist hart - aber es kann und darf nicht sein, dass jemand selbst sich derart stark einschränken muss, weil andere mit einem völlig natürlichen und lediglich verfrühten Bestandteil des Lebens nicht zurechtkommen: dem Tod.
Sicher ist es schlimm, wenn jemand, den man liebt, stirbt - ich habe selbst erlebt, wie es sich anfühlt, wenn ein sehr bedeutsamer Mensch sich das Leben nimmt, man ist hilflos, wütend, verzweifelt, man möchte es ändern: aber genauso ist es, wenn jemand an einem Unfall oder einem Verbrechen verstirbt. Der Tod ist für denjenigen, der ihn gern verhindert hätte, immer bedauerlich und immer zu früh, aber er gehört nun einmal dazu. Ich finde es deutlich egoistischer, jemanden zum Leben drängen oder zwingen zu wollen, der nicht möchte. Damit stellt man sich m.E. weit über denjenigen, der sich umbringt und dabei die Wünsche anderer ignoriert - noch ist der Mensch immer noch selbstbestimmt und sollte das auch bleiben dürfen.
Häresie schrieb:Weswegen musstest du denn in Behandlung, ich meine als du so jung warst haben das vielleicht deine Eltern veranlasst, aber als du dann älter warst wirst du ja einen Grund gehabt haben dich in Behandlung zu begeben bzw einen Arzt aufzusuchen? Macht man das nicht erst wenn gehörig Leidensdruck da ist?
Die Nachfrage finde ich zwar ein wenig anmaßend, aber bitte: Ich brauchte für einen Schulwechsel auf ein Internat eine Diagnose sowie einen erneuten IQ-Test. Einen Leidensdruck gab es aufgrund der unpassenden Schulform zwar schon (und das auch nicht unerheblich), aber das war nicht primär der Grund, sondern lediglich ein wesentlicher Faktor. Die Suizidalität hat nach dem Schulwechsel nicht abgenommen, obwohl das Internatsleben wirklich angenehm war und ich mich über entspreche Förderung und Forderung wirklich nicht beschweren konnte.
Häresie schrieb:Was du sagst klingt so als hätte dein Leben keine Höhepunkte oder als hättest du keine Freude daran zu leben. Das gibts doch nicht dass sich dein Leben gefühlsmäßig immer nur auf ein Level einpendelt? Keine Hochs, keine Tiefs? Immer alles gleich?
Mein Leben hat und hatte genügend Hochs und Tiefs, aber ich denke, ich bewerte diese anders als viele Menschen: Ich bin nicht sonderlich emotional und ich fühle vermutlich weniger intensiv als viele (vermutlich, weil ich schließlich nicht tatsächlich beurteilen kann, wie intensiv andere fühlen), meine Hochs für mich wunderschön, meine Tiefs waren schlimm, das, was Hoch- und Tiefpunkte nun einmal ausmacht. Die meiste Zeit war mein Leben normal beziehungsweise neutral, was ich als sehr angenehm beschreiben würde, ich finde Hochs und Tiefs zwar ab und an ganz spannend und wichtig, aber auch anstrengend.
Was ist denn für dich Lebensfreude? Wenn man sich jeden Tag unbändig auf morgen freut? Nie sterben möchte?
Ich denke, Lebensfreude im Wortsinn hatte ich nicht, denn die Tatsache, dass ich lebe, ist
"eben so", aber nichts, was mich nun großartig freut. Ich freue mich über Dinge im Leben, über Freunde, gutes Essen, spannende Geschehnisse, erfolgreiche Arbeit, über Errungenschaften, aber nicht darüber, dass ich lebe. Dennoch bin ich nicht alexithymisch, ich fühle alles, was andere auch fühlen - denke ich zumindest.
:)