Laura_Maelle schrieb: JA, der Minimalismus lässt los, worauf gerne und ohne Not verzichtet wird, weil das Loslassen Vorteile bringt, z. B. mehr Freiraum für Sport etc. in der Wohnung, mehr Übersicht und eine dadurch klarere Ordnung, weniger Aufwand beim Zusammensuchen. Die äußere Ordnung hilft auch, innerlich geordneter, strukturierter und fokussierter zu werden.
Das ist ja okay - solange man nicht in einen unsozialen Frugalismus abrutscht. Ich habe so eine Tante, deren Sport es ist, sich jedes Jahr zu übertreffen, wo sie noch sparen könnte - es ist inzwischen unerträglich. So ein paar "Highlights".
Familienevents: Es begann bei der Geburt unserer Kinder - beim dritten Kind schickte sie nur noch eine Karte "wer weiß, wie viele Kinder ihr noch bekommt, das kann ich mir nicht leisten". Bei den Taufen (zu denen sie natürlich eingeladen war) schenkte sie eine geringe Summe, stellte aber sicher, dass sie zumindest das Doppelte davon bei der Feier konsumierte. Das älteste Kind ist nun 21 - das ist so der zeitliche Horizont der stattgefundenen Entwicklung - sie ist nicht dement, nur sehr schrullig.
Geburtstage: Dann wurden Geburtstage ihr Horror (als es auf ihren 80. Geburtstag zuging und sie Angst hatte, sie müsse den ausrichten). Sie hörte auf, zu den Geburtstagen unserer Kinder zu kommen und uns zu gratulieren, da sie nichts mehr schenken wollte. An ihrem 80. Geburtstag verbarrikadierte sie sich regelrecht in ihrem Haus und verbat sich alle Glückwünsche. Wir warfen trotzdem eine Karte ein - da rief sie an und beschwerte sich. Lautstark. Also: Geburtstage werden nun als Feier komplett ignoriert. Hat man allerdings noch ein Stück Kuchen übrig - den isst sie gerne. Aber nur, wenn man nicht erwartet, etwas zurück zu bekommen. Sie geht nun auch nicht mehr auf Geburtstagsfeiern - da müsste man ja etwas schenken. Ausnahme: Geburtstag meiner Mutter und Schwester - die haben im Frühling/ Sommer Geburtstag und da kann sie im Garten kostenneutral einen Blumenstrauß pflücken.
Todesfälle: Ebenso kritisierte sie meinen Vater, dass er am Todes meines Onkels jedes Jahr ein Blumengesteck aufs Grab stellt. Sie hält es nämlich für eine Verschwendung, dass sie dann auch noch eins bringt. Daher ruft sie jedes Jahr an, ob er sich kümmert oder sie was besorgen muss. Und ist froh, wenn man Vater das bezahlt. Sie geht nun nur noch auf Beerdigungen von Freunden und Bekannten, wenn man nicht erwartet, dass sie neben einer Karte etwas bezahlt. Ergo: Da, wo sie sich an einem Kranz etc. beteiligen sollte - da geht sie nicht mehr hin.
Wohnraum: Sie lebt in einem (viel zu) großen Haus. Da möchte sie wohnen bleiben ... gewohnte Umgebung, etc. Das ist ja okay. Sie bewohnt nun nur noch zwei Zimmer. Auch okay. Erst heizte sie nur noch das Wohnzimmer. Inzwischen ist es wohl mitunter überall im Haus eiskalt - sie heizt nur noch so, dass die Wasserleitung im Winter nicht fatzt. Dafür sammelt sie im Sommer heimlich Holz im Wald - das kostet ja nichts und wirft viel lieber den Kachelofen als die Zentralheizung an.
Wohnzimmer: Sie sitzt nun oft im Mantel im Dunklen. Nachrichten hört sie einmal täglich im Radio - verbraucht weniger Strom als der Fernseher.
Weihnachten: Meine Schwester besucht sie immer in der Adventszeit - es gibt nun keine einzige Deko mehr im Haus - aus Kostengründen. Auch die Lichterketten spart sie nun - da Strom so teuer ist. In den ersten Jahren gab es noch Plätzchen, dann verbunden mit der Bitte, man möge doch nur zwei Essen, damit sie nicht noch einmal backen müsste - inzwischen backt sie gar nicht mehr. Geschenke will sie nicht. Man darf nun auch keine Karte einwerfen - sie will auch keine mehr zurück schreiben. Das kostet Geld.
Körpergewicht: Sie wiegt nun 48kg - das ist das unterste Gewicht, das der Hausarzt bei ihrer Größe für gesund hält. Fällt sie drunter, futtert sie eine Tafel Billigschokolade. Im Sommer bewirtschaftet sie einen großen Garten, daher isst sie insgesamt glücklicherweise ziemlich gesund - eigenes Obst und Gemüse in Bioqualität. Sie hat einen Apfel- und einen Kirschbaum. Den Kirschbaum erntet sie nicht mehr ab (vernünftig, sie will nicht mehr auf die Leiter) - auch wenn Leute angeboten haben, sie kommen zum Helfen - denen möchte sie nichts abgeben (auch nicht die Kirschen, die nun vertrocknen, weil sie selbst nicht mehr dran kommt). Die Äpfel müssen ihr echt zu den Ohren herauskommen.
Freizeit: Sie hatte einst drei feste Termine. Der eine war "die Fahrt ins Blaue". Die bietet ein Busunternehmen einmal im Monat sonntags an - man weiß nicht wohin, rätselt dann, es ist meistens ein Mittagessen, dann ein Spaziergang oder eine Besichtigung und dann noch Kaffee. Bezahlen muss man nur die Fahrt. Erst hat sie sich den Kaffee gespart. Dann das Mittagessen. Dann beides und eine Stulle mitgenommen. Jetzt fährt sie nirgends mehr hin. Das selbige: Sie hatte vier Freundinnen, die einmal im Monat mit dem Baden-Württemberg Ticket loszogen. Das war ihr dann auch zu teuer.
Ich glaube, sie ist da in ein totales Suchtverhalten gerutscht und bestätigt sich immer, wie schlau und gewieft sie doch im Vergleich zu anderen Leuten ist.