nairobi schrieb: So ein Unsinn. Solange man keine matschigen Schuhe anhat, dürfte das doch nicht so schlimm sein?
Ich weiß - die damaligen Vermieter waren ein megazickiges Rentnerpaar. Aber auch hier: ich hatte nichts anderes: Ich mietete das möblierte Kellerzimmer, in dem ich 365 Tage im Jahr lebte und hatte einfach total Angst, dass ich gekündigt werde (was bei möblierten Zimmern ja problemlos geht) und dann obdachlos werde. Es gab zwar ein offizielles Studiwohnheim, dort war aber die Mietdauer begrenzt und mein Zimmer war wesentlich billiger. Wenn du insgesamt mit 680DM jonglierst, dann ist jede Mark, die du nicht ausgibst, eine Menge.
Ich hatte damals ohnehin wenig Selbstbewusstsein und war so ein "pleaser". Ich kam aus einem sehr emotional kalten Elternhaus und hatte immer das Gefühl, ich muss 150% gehen, um alle Leute zufrieden zu stellen. Wollte also der Vermieter, auch wenn es draußen staubtrocken war, dass ich, wenn ich durch den Eingang ging, die Schuhe auszog und dort abstellte, machte ich das selbstverständlich. Ich schloss auch Türen fast lautlos, hatte kein Radio, ... Ich bewegte mich da jahrelang wie ein Geist. Bestimmt könnte ich als stillste Mieterin ins Guinnessweltrekordbuch kommen.
nairobi schrieb:Dann warst Du vollkommen unfreiwillig Minimalistin.
Hatte das denn auch positive Seiten, wenn Du es reflektierst?
Mhhh .... Ich konnte mich riesig über materielle Dinge freuen. Das passt nun vermutlich nicht zum Thread.
Mir wurde z.B. das Fahrrad relativ schnell geklaut. Ich habe im Studium immer wieder Kommilitonen getroffen, die dann fertig waren, so ein billiges Rad hatte, wo das Klauen nicht schlimm waren, das sie mir geschenkt haben ... Sie wurden immer wieder gestohlen, aber die Radiuserweiterung, die ich in der Zeit, wo ich sie nutzen konnte und die Zeitersparnis, die war super!
Was auch toll war, waren Flohmärkte - ich glaube, ich liebe sie heute noch, weil sie mir damals einfach den Weg in eine völlig neue (Konsum)welt eröffneten.
Wenn ich ein Rad hatte, konnte ich auf den Flohmarkt fahren (oft 5 - 10km entfernt). Da gab es immer wieder Leute, die Sachen verkauften, zu Billigpreisen, die ich gar nicht glauben konnte. Ich konnte für 10DM richtig tolle Sachen kaufen - die ich nicht brauchte, die aber mein Leben erleichterten. Z.B. habe ich mal für 2DM oder so ein Backgammon gekauft. Und irgendwann eine Picknickdecke ... (beides nun gar nicht minimalistisch :-)) - So konnte ich in der Mittagspause mit Kommilitonen einfach mal 30 Minuten ins Gras liegen und eine Runde Backgammon spielen.
Oder ich konnte mit dem geschenkten Rad einfach mal wo hin radeln, wo es auf dem Stadtplan schön aussah (neuer Park), mich mit meiner Picknickdecke ins Gras legen und zwei Stunden in neuer Umgebung lernen. Leider gab es damals kein Google Maps und ich habe erst später herausgefunden, dass es richtig tolle Plätze gab, die ich erst nach meinem Studium kennen gelernt habe, als ich örtlich besser orientiert war.
Oder ne Teetasse - ich habe mir mal eine "Jumbotasse" gekauft - ich machte mir selten heißes Wasser (Stromkosten wurden extra abgerechnet), aber manchmal eben doch. Da hatte ich dann eine gute Laune, völlig bunte Tasse ... Dadurch hatte ich eine zweite Tasse, d.h., wenn sich jemand zum Lernen oder Hausarbeit schreiben zu mir verirrte, konnte ich Tee anbieten, ohne dass es irgendwie doof war, weil ich nur ein Trinkgefäß hatte.
Oder ein Häkelkissen. Das hat wohl jemand von seiner Tante bekommen und sofort verscherbelt - ich fand das sehr schade, ich hatte niemanden in meinem Leben, der Zeit investiert hätte, um mir so liebevoll ein Kissen zu häkeln - es war so super bequem. Wenn ich also auf dem Bett lümmelte (ich hatte ja nur Tisch + Bett) - war mein Leben gleich 1000 Mal bequemer. Und mein Zimmer sah persönlicher aus, nicht so minimalistisch :-).
Oder ein Sockenstricknadelspiel mit Sockenwolle - damals unerschwinglich. Ich stricke gerne, konnte es mir aber nicht leisten. Das war so eine Haushaltsauflösung, die auf dem Flohmarkt gelandet war und ich konnte mir warme Socken stricken - was ich auch furchtbar gerne machte.
Oder ein Teddybär. Ich fühlte mich oft echt einsam (und war es auch, v.a. in den Semesterferien, wochenlang niemand aus meinem Umfeld, der da war) - meine Mutter hatte alles aus unserer Kindheit entsorgt. Ich habe mir auf dem Flohmarkt mal einen Teddy gekauft - völlig bescheuert, aber es gab meinem Raum so gute Laune, wenn er da saß, wenn ich heimkam.
Du siehst - die Dinge, die mein Leben dann einfach verschönerten, obwohl ich sie nicht "brauchte", haben sich tief in mein Gedächtnis gegraben. Das waren glaube ich die meisten Dinge - die Hausschuhe waren dann auch super, sie machten mein Leben super komfortabel (wie die Wollsocken im Winter).