Klaasohm - Brauchtum oder Gewalt gegen Frauen?
10.12.2024 um 13:17nasenstüber schrieb:Ist das denn wirklich so?Da gibt es eine Menge Forschung, was sich wie auf Entscheidungsfindungen auswirkt und wie Täter ihre Handlungen vor sich und anderen rechtfertigen. Kaum ein Mensch ist "böse". Normalerweise wird jemand eine unrechtmäßige Handlung als solche erkennen, aber einen Weg finden, warum sie gerade da nicht unrechtmäßig ist.
nasenstüber schrieb:Nehmen wir mal an, dass genau diese spielerische Art mit diesem Thema umzugehen, würde dazu führen, dass die dortige Gesellschaft gerade das Gegenteil im Alltag praktizieren würde, weil das Fest meinetwegen eine Art psychosoziales Ventil wäreDas können wir natürlich annehmen. Aber nur weil es plausibel klingt, muss etwas nicht zutreffend sein. Die Frage ist dann einfach, ob die "Ventilfunktion" überwiegt oder die "Gewöhnungsfunktion".
Das Problem mit plausiblen Geschichten, die auf ausgedachten Annahmen basieren ist, dass die Annahmen ausgedacht sind. Kann stimmen oder eben nicht.
Ich könnte Dir vermutlich zu jeder wissenschaftlich gefestigten Sichtweise irgend eine plausible Alternative entwickeln, wenn ich die Annahmen frei definiere.
Aber wie gesagt, dazu gibt es Forschung. Ja sogar ein ganzes Gebiet (Kriminologie). Da könnte ich Dir nur empfehlen, Dich damit zu beschäftigen, weil ich Dir nicht zwei Links geben kann, in denen genau dieses Problem umfassend beschrieben ist.
Es stimmt, dass die Motivation ein komplexes Thema ist. Aber kein unbekanntes.
Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass wir (intuitiv) eher Dinge tun, die für uns "normal" sind. Wenn Sklaverei normal ist, werden wir es eher hinnehmen, wenn ein Sklave ausgepeitscht wird. Als dass wir eine Auspeitschung eines Sklaven zum Anlass nehmen, Sklaverei zu hinterfragen.
SS-Leute haben mit bloßen Händen im KZ Kleinkinder ermordet und mit den selben Händen abends ihre Kinder liebkost. Weil sie Monster waren? Nein. Normale Menschen (meistens, sicherlich gab es auch pathologische Fälle), in deren Normalität die Kinder im KZ keine menschlichen Kinder waren. Und diese Normalität wurde sicherlich nicht dadurch aufgebrochen, dass in irgendwelchen Spielen Ventile geschaffen wurden, sondern "Spiele" haben vielmehr genau dieses Verhalten verfestigt.
Normalitäten entstehen durch Gewöhnung. Und zwar durch alle Arten der Gewöhnung. Schönes Beispiel: Ein gut funktionierendes rhetorisches Mittel ist, eine Lüge oft zu wiederholen. Auch eine Lüge, die ganz einfach als solche erkennbar ist, wird dann schnell wahr. Nicht in einer rationalen Betrachtung aber in der intuitiven Wahrnehmung.
Wenn man also "spielt", dass es gute Gründe für Gewalt speziell gegen Frauen gibt - und zwar nur weil sie Frauen sind - verfestigt sich dieses Narrativ.