Berryl schrieb:Das erkenne ich alles an.
Nur.
Es braucht hier keiner irgendwelche Storys erzählen dass sie von irgend einer Gesellschaft unten gehalten werden im Schland des Jahres 2024.
Es ist für fast niemanden unmöglich ein Abitur zu machen, zu studieren um dann im Beruf zu performen.
Die Frage ist halt: Will ich das.
Nur wenn die Antwort 'nein' ist braucht es weder Empathie noch Belohnung.
Dann wird man sich mit dem Schicksal eines Versagers wohl abfinden müssen.
Ich sage ja auch: Es ist einiges machbar. Und auch ohne Abitur kann man mit einem Realschulabschluss je nach Begabung Berufe wählen in denen man gut verdient (mein früherer Beruf war z.B. Fachinformatiker, ergibt ein sehr solides Einkommen und auch x Weiterbildungsmöglichkeiten wie du sie erwähnst).
Während der Schulzeit habe ich mich durchaus bzgl. mancher Dinge gegrämt, z.B. dass die von mir besuchten Schulen die Nachmittags-AGs die eher nach meinem Geschmack gewesen wären nicht angeboten haben - die gab es nur am Gymnasium. Es hat mich auch gegrämt dass die Eltern bei der Schulanmeldung das letzte Wort haben; notenmäßig hätte es locker für die Anmeldung am Gymnasium gereicht und ich vermute auch stark dass das Abitur am Gymnasium für mich machbar gewesen wäre (Indizien: Noten an Haupt- und Realschule, Lerninteresse, Hobbies, Schuljahr selbst nach monatelangem Ausfall aus gesundheitlichen Gründen immer noch als Jahrgangsbeste abgeschlossen).
Habe mir aber dennoch immer gedacht "mit 18!". Dann unterschreibe nämlich ich, und niemand anderes mehr für mich. Würde mich charakterlich aber auch als eher durchsetzungsstark beschreiben (negativere Beschreibungen: stur, lässt sich nix sagen
;) ), und hab' das Glück (macht auch was aus) eher mit wenig Schlaf auszukommen und (trotz einer Schwerbehinderung) eher eine stabile Gesundheit zu haben. Das kann schon mal entscheidend sein um zu kompensieren was in anderer Situation (z.B. gleich Gymnasium, Eltern unterstützen auch mental) gar nicht nötig wäre.
Was ich als Mentorin (Ehrenamt) deutlich sehe: Die Hürden sind einfach höher. Wären die nicht da, bzw. verringerbar, warum kümmern sich dann viele Eltern intensiv? Was nicht mal heißt "dicke Finanzspritze", sondern auch heißen kann z.B. einzusehen dass der Sprössling in den Wochen rund um den Schulabschluss seine Ruhe haben soll und nicht ausgerechnet dann intensiv für Haushaltstätigkeiten einzuspannen ist.
Gerade für die "Kippelkandidaten" (was ich nicht negativ meine) kann das dann mit einem einen Hintergrund so, mit dem anderen so ausgehen. Wahrscheinlich hat, wer Kinder hat, oder wer Kinder, Jugendliche im Umfeld hat oder auch beruflich, ehrenamtlich mit ihnen zu tun hat, schonmal gemerkt dass manchmal ein Gespräch (mit dem jungen Menschen oder mit jemand anderem), eine Aufmunterung, eine kleine Unterstützung... ausschlaggebend war damit es danach besser, auch mit Eigenmotivation des jungen Menschen, lief. Wenn diese Unterstützung nicht dagewesen wäre?
Anekdote aus dem Mentoring: Studentin Maschinenbau, durchgängig gute, teils sehr gute Studienleistungen. Hatte insgeheim von einem Job bei einem bestimmten Unternehmen geträumt, aber "die nehmen mich ja doch nicht, ich habe da und da nicht die Bestnote, da bewerben sich so viele, und ich hatte auch schon drei Absagen von anderen Firmen". Ins Gespräch brachte sie auch Elternaussagen die sie bereits grübeln und zweifeln ließen.
Ich habe ihr dringend empfohlen sich zu bewerben, habe ihr gesagt dass drei Absagen in dem Bereich "nichts" sind, und dass es sich wirklich lohnen würde es wenigstens zu probieren - und selbst wenn es ist um zu wissen dass der Bereich doch nicht ganz passt. Ergebnis: Sie arbeitet heutzutage dort.
Mir ist auch selbst aufgefallen dass aus meinem eigenen Umfeld (siehe vorheriger Beitrag) mehr das Madigmachen kam, während Kommilitonen aus Akademikerhaushalten / Familien mit mehr formaler Bildung mehr das Ermuntern kannten.
Wo, tendenziell, jemand aus dem eigenen Umfeld extra viel Eigenständigkeit, Motivation und Mut braucht, wird im anderen Umfeld im Zweifelsfall selbiges etwas aufgepäppelt.
Auch dürfte die Wahrscheinlichkeit höher sein, bei guten (aber nicht sehr guten) Schulleistungen den einmal am Gymnasium begonnenen Bildungsweg zu Ende zu führen (und dann evl. irgendwann zu merken: dieses und jenes würde einen näher interessieren, dieser Beruf wäre klasse, jetzt leg' ich mich extra ins Zeug!), anstatt nach der Berufsausbildung nochmal gefühlt einen Schritt zurück, Schulbank drücken und vergleichbar knappe Kasse. Schaue ich mir an wer meine 2.-Bildungsweg-Mitschüler typischerweise waren: Entweder diejenigen die an Haupt- und Realschule sehr gute Leistungen vorzuweisen hatten, Berufsausbildung mit Auszeichnung bestanden, immer ein Stück über ihrem formalen Bildungsabschluss waren, oder diejenigen die es eher als eine berufliche Auszeit probieren wollten. Wir hatten in der 2.-Bildungsweg-Klasse relativ viele Abbrecher. Auf mangelnde Motivation oder mangelnden "Grips" würde ich das gar nicht bei allen schieben, sondern teils auf Dinge die mit Mitte 20, Anfang 30 schon eher dazwischenkommen als noch minderjährig am Gymnasium, und man sich entscheidet in den vorherigen Beruf zurückzukehren - Freundin schwanger (oder man selbst), Eltern schwer erkrankt, oder man selbst steckt evl. die Doppelbelastung Abi + Beruf (+ Haushalt) weniger gut weg als es evl. als, und es ist ja ehrlich gesagt oft so, es in der Situation eines typischen Abiturienten gewesen wäre der nun doch noch mehr elterlich unterstützt wird.
Wichtig finde ich es übrigens nicht dass "jeder studieren soll". Definitiv nicht. Berufsausbildungen sind nichts Schlechtes. (Habe mich selbst dafür entschieden Abi und Studium wenigstens zu probieren weil mir Lernen wirklich sehr leicht fiel und es meinen Wunschberuf nur mit Studium gibt. Geht nicht um Statusgründe. Einkommen wäre wahrscheinlich aktuell, und erst recht über die Jahre hinweg gerechnet, im ursprünglich erlernten Beruf höher gewesen wenn dieser durchgängig ausgeübt worden wäre.)
Sehe es auch umgekehrt kritisch wenn gerade Menschen aus akademisch geprägten Familien regelrecht zum Studium gedrängt werden, und es wichtiger ist
dass man studiert als womit man sich überhaupt befasst.
Bin übrigens auch nicht der Meinung, dass man zwecks Chancengleichheit Förderung unterlassen solle. Finde das, was weiter oben User Warmes_Feuer nennt so wichtig - und vieles davon ist auch mit relativ wenig Geld möglich (nicht alles), nebst wichtiger als einen akademischen Abschluss der Eltern finde ich eine offene Einstellung: Ein Kind kann auch andere Interessen und Begabungen als man selbst haben.