Inv3rt schrieb:Tiefenpsychologisch trifft bei toxischer Männlichkeit das gleiche zu wie bei Homophobie oder Mobbing allgemein.
Das ist mir mit Verlaub zu küchenpsychologisch. Alle missliebigen Verhaltensweisen auf Minderwertigkeitskomplexe zu reduzieren wird doch den Problemen nicht gerecht. Und es erklärt Phänomene wie die Incels oder allgemeiner die „angry young men“ nicht.
Minderwertigkeitsgefühle gibt es sicher solange es Menschen gibt. Toxische Männlichkeit ist aber ein Phänomen der Postmoderne. Und auch vollkommen selbstsichere Charaktere können extrem toxisch sein, auch toxisch männlich.
Inv3rt schrieb:Alt. Altertümlich.
Frühzeitlich, ich weiß nicht.
Das ist denke ich ein Irrtum. Auch wenn toxische Männlichkeit gerne mit Biologismen um sich wirft und steinzeitlich daher kommt, auch wenn es völlig aus der Zeit gefallen scheint, das dahinter stehende Männerbild ist neu. Es mag sich auf althergebrachtes berufen, aber das völlig selektiv und geschichtsvergessen. Es ist ja ein verzerrtes, pervertiertes Männerbild - das gab es so weder in der Antike noch im Mittelalter. Es ist ein Phänomen der Postmoderne.
Inv3rt schrieb:soziokulturell halte ich das besprochene Thema für etwas komplexer als tatsächlich nur naturwissenschatlich/frühzeitlich begründbar - als wären Männer/Frauen jener Zeit tatsächlich nur (indoktriniert) dies oder das gewesen, statt all in between.
Jup, volle Zustimmung. So zu tun „als sei es immer so gewesen“ (deswegen irgendwie richtig) ist einfach ein Mythos um das eigene wildgewordene Männerbild zu rechtfertigen.
Aber natürlich gab es zu allen Zeiten Arschlöcher, auch männliche.
Inv3rt schrieb:Woran machst du es konkret fest, dass es ein Mann sich eher bei einer Frau traut den dominanten Mann herauszukehren als vor anderen Männern, die ihm in ihrer eigenen Toxizität was auf den Helm gäben, wenn er es bei ihnen versuchte?
Das macht er auch bei Schwulen, Transpersonen und jeder Form aus seiner Perspektive abweichender Männlichkeit. Selbst Kinder und Tiere werden davon manchmal nicht verschont.
Das hat nix mit „trauen“ zu tun, es ist ein Abwehrverhalten. Das mag dominant daherkommen und/oder mit Minderwertigkeitsgefühlen einhergehen, grundsätzlich ist es aber die Verteidigung der eigenen Rolle - und damit der eigenen Person.
Toxische Männer sehen sich in einem Kulturkampf, ob bewusst oder unbewusst verteidigen sie ihre Vorstellung von Männlichkeit. Gegen die ganzen Emanzipationsbewegungen, gegen die Zumutungen der Moderne.
Das Schwulenwitzchen beim BBQ ist kein „sich über Homosexuelle erheben“ (zumindest nicht in erster Instanz). Es ist eine Vergewisserung wie ein „wahrer“ Mann zu sein hat.
Das wirklich Arnselige daran ist, dass es jenseits der Abwehr alles weibischen, unmännlichen überhaupt keinen positiven Inhalt hat. Mann sein heißt in dieser Abwehrhaltung vor allem etwas nicht zu sein. Mehr gibt es nicht her.
Und da wird vielleicht auch klarer, warum ich im Mangel eines gesellschaftlich akzeptierten Rollenbildes „Mann“ die wesentliche Ursache für toxische Männlichkeit sehe.
Die Tragik der Postmoderne. Wo Frauen durch eine Vielzahl von Rollenbildern erschlagen werden, haben die Männer überhaupt keins mehr.
Denn was kommt denn noch, wenn man danach fragt was oder wie ein Mann zu sein hat? Fußballfan und Biertrinker?