Jungfrau mit über 60 - Gedanken und Reflektionen
30.10.2021 um 13:43Hallo miteinander,
ich wollte hier einige Gedanken und Überlegungen niederschreiben, die mich in den letzten Monaten beschäftigt haben. Wie in der Überschrift zu lesen bin ich inzwischen über 60 und noch Jungfrau. Ich hatte bisher auch keinen Kuss oder Beziehung.
Lange Zeit habe ich dies im Privaten gelassen, doch ich bin seit Jahrzehnten stiller Mitleser im Internet und mir sind häufig die vielen Diskussionen und Einträge von Jungfrauen über 20, 30 und älter aufgefallen. Auch haben Studien ja gezeigt, dass die Anzahl männlicher Jungfrauen gestiegen ist in den letzten Jahren. Verknüpft mit einigen persönlichen Ereignissen im letzten Jahr habe ich beschlossen mich hier zu öffnen. Die meisten von euch werden mich nicht mögen, aber eure Meinung interessiert mich trotzdem.
Für alle die bereit sind mir zuzuhören und mir zu glauben, so will ich jetzt etwas mehr über mich erzählen. Im Gegensatz zu anderen schiebe ich keiner Schuld auf äußere Umstände. Ich bin verantwortlich für meine Situation und bezeichne mich auch nicht als einen einfachen oder sogar angenehmen Menschen.
An meine Kindheit und Jugend kann ich mich nicht so gut erinnern. Ich weiß, dass das Haus meiner Eltern hektisch und voll mit Alkohol war und ich häufig ohne Essen im Zimmer eingeschlossen wurde. Geschlagen wurde ich, soweit ich weiß, nicht. Mit dreizehnzehn zog für ich für wenige Jahre zu meinen Großeltern und wegen ihres zunehmenden Alters halfen auch mein Onkel und dessen Familie bei meiner weiteren Erziehung. In der Schule zu dieser Zeit blieb ich für mich und verbrachte auch die Pausen allein. Gehänselt wurde ich nicht, aber ich ging nie auf andere zu. Nie traf ich mich privat mit Gleichaltrigen außer meiner Kusine und ich verbrachte meine Freizeit meist mit Lernen und Lesen. Einige Mädchen zeigten zwar Interesse, aber ich habe sie immer fortgestoßen. Ich hatte eine große Abneigung gegen Intimität und zu der Zeit. Woher diese kam, kann ich nicht sagen.
Meine Großeltern waren schon tot, als ich das Gymnasium beendete und ich bekam den Erbanteil meiner Eltern, da man meinte ich würde mit dem Geld sinnvoller umgehen. Mit diesem Polster gönnte ich mir ein längeres Studium, was ich mit Ende 20 abschloss. Auch in dieser Zeit kam es zu keinen richtigen Freundschaften oder Romanzen mit Frauen.
Mein Onkel hatte immer gemeint, dass ich schon irgendwann die Richtige finde. Doch als ich im Arbeitsleben einstieg und die 30 überschritt, ohne jemals eine Frau zum Kaffee eingeladen zu haben, machte er sich doch Sorgen. Er versuchte mich zu überreden in Vereine einzutreten und mich mit den Töchtern einiger Bekannten zu verkuppeln. Ich schmetterte dies immer ab.
Generell war ich im Berufsleben Sex nie abgeneigt, da ich meinen Ekel vor Intimität verloren habe, doch es kam einfach nie dazu. Ich baute mir eine Karriere auf und irgendwann übernahm ich eine Position, wo ich viele Geschäftsreisen unternahm. Diese gingen meistens nach Asien oder zu Projekten südlich des Äquators. Diese Reisen waren für mich eine Notwendigkeit, aber im Grunde hasste ich sie. Ich empfand die Länder, die ich besuchte, als barbarisch und unzivilisiert. Ich ekelte mich vor den dortigen Esskulturen und Gerüchen und duschte nach jedem Ausgehen meistens doppelt zu lange wie hier in Deutschland. Ich gebe frei zu, zu der Zeit sehr rassistische und sexistische Gedanken gehabt zu haben. Ich war auch überzeugt, dass die Geschäftspartner damals hinter ihren Grimassen ähnlich hässlich über mich dachten. Natürlich behielt ich all meine Verachtung für mich und lächelte jeden freundlich an. Heutzutage haben sich meine Ansichten etwas geändert. Ich verachte einfache generell Menschen, ganz egal welches Geschlecht und Rasse sie haben. Da ich mich damals aber immer gut verstellte hatte ich häufiger Gespräche mit Frauen an den Hotelbars oder bei Geschäftsessen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich sie sicher zu meinem Zimmer einladen können, doch irgendwas blockierte immer in meinem Kopf und ich ging stattdessen allein schlafen.
Um mich sexuell zu befriedigen, konsumierte ich natürlich Pornographie. Zuerst Magazine, dann VHS und schließlich DVDs. Häufig nahm ich sogar eine Auswahl mit auf die Geschäftsreisen, um mich auf meinem Hotelzimmer zu befriedigen. Mit Mitte 30 und Anfang 40 hatte ich mir auch in den Kopf gesetzt, dass ich entsprechend meinem Stand in der Firma gebildet sein musste. So kam es dann zu absurden Tagesabläufen, wo ich in der Regel nach der Arbeit mit einer Zigarre Hegel oder Wittgenstein las, dann allein Essen ging und zu Abend Pornografie zusammen mit einem Whisky konsumierte. Ich las diese Autoren ohne wirklich über den Inhalt zu sinnieren, sondern um einfach sagen zu können, ich habe sie gelesen.
In meinen frühen 40zigern starben dann meine Eltern, zu dessen Beerdigungen ich nicht gegangen bin. Mein Onkel und meine Tante überlebten nur wenige Jahre länger. Meine Tante sagte noch auf dem Krankenbett zu mir, dass sie hoffte, dass ich noch jemanden finden würde. Sicherlich ist sie gerade im Himmel enttäuscht von mir.
Was mich im Zusammenhang mit der Arbeit immer faszinierte war Technologie. Ich war eigentlich bei jedem neuen Trend schnell dabei. So war ich schon stark im Internet unterwegs, als es in den 90zigern immer weiter um sich griff. Ich war aber immer der stille Leser am Seitenrand und habe mich nie wirklich irgendwo eingemischt. So habe ich beispielswiese viele Jahre lang schweigsam in diesem Forum und andere mitgelesen. Es war eine Art voyeuristische Faszination.
Jetzt bin ich über 60. Mein Libido ist natürlich kleiner als früher und ich konsumiere kaum noch Pornografie. Tatsächlich habe ich sogar größere Erektionsprobleme momentan. Ich habe eine ruhige Stelle in der Firma angenommen und habe eine Zwei-Zimmer-Wohnung abzahlt. Ich hätte mir auch ein Haus leisten können, doch wozu, wenn ich doch allein lebe? Meine Gesundheit geht auch in die Hunde, weswegen ich mehr und mehr über mein Leben nachdenke. Auch hatte ich in der Corona-Pandemie mehrere lange Gespräche mit meiner Kusine. Sie hat im Gegensatz zu mir mehrere Kinder und ist der engste Kontakt, den ich noch besitze. Sie weiß von allem und mehr was ich hier niedergeschrieben habe. Ihrer Meinung nach habe ich was Ernsthaftes in meinem Leben verpasst, da ich weder romantische Liebe noch Intimität kenne. Nach längerer Reflektion stimme ich ihr zu.
Allerdings frage ich mich, ob es sich noch lohnt, was zu machen. Ich habe sicher so einige Probleme, doch ich hätte vermutlich mit 20 oder 30 in Therapie gehen müssen. Jetzt mit 60 habe ich das Gefühl jemanden den Platz wegzunehmen, der noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft hat. Natürlich könnte ich auch eine Prostituierte buchen, doch wenn ich keine Erektion bekomme, wäre das rausgeschmissenes Geld.
Meine Persönlichkeit macht es zumindest nicht einfach. Ich habe dieses Jahr angefangen Camping zu gehen, doch dies natürlich nur allein und ich baue mein Zelt so weit weg von anderen auf wie es nur geht. Ich plane auch Wintercamping, zumindest so lange meine Gesundheit es noch zulässt.
Auch plane ich eine kleine Autobiografie, von der dieser Text schonmal eine Kurzfassung ist. Kein Mensch wird die natürlich lesen jemals wollen, aber vielleicht hilft es mir mein vergangenes Leben besser zu ordnen. Ob ich das Projekt umsetzen soll?
Als finale konkrete Fragestellung stelle ich in den Raum, was ich noch tun kann.
Falls angenommen wird, dass ich nicht echt bin, frage ich auch etwas weiter: Braucht für euch ein Leben unbedingt eine Beziehung und Intimität oder seht ihr es als verschwendet an, wenn man ohne Erfahrung mit beidem zu Grabe geht? Ich denke dies wird vor allem relevant, da wie erwähnt männliche Jungfräulichkeit steigt und damit durchaus gesellschaftliche Probleme aufkommen. Ich habe zum Beispiel Incel-Foren besucht und ich denke die kümmerlichen Gestalten dort sind nur die Spitze eines Eisberges, der so große Folgen hat, die wir noch nicht richtig erfassen können.
Danke fürs geduldige Lesen.
ich wollte hier einige Gedanken und Überlegungen niederschreiben, die mich in den letzten Monaten beschäftigt haben. Wie in der Überschrift zu lesen bin ich inzwischen über 60 und noch Jungfrau. Ich hatte bisher auch keinen Kuss oder Beziehung.
Lange Zeit habe ich dies im Privaten gelassen, doch ich bin seit Jahrzehnten stiller Mitleser im Internet und mir sind häufig die vielen Diskussionen und Einträge von Jungfrauen über 20, 30 und älter aufgefallen. Auch haben Studien ja gezeigt, dass die Anzahl männlicher Jungfrauen gestiegen ist in den letzten Jahren. Verknüpft mit einigen persönlichen Ereignissen im letzten Jahr habe ich beschlossen mich hier zu öffnen. Die meisten von euch werden mich nicht mögen, aber eure Meinung interessiert mich trotzdem.
Für alle die bereit sind mir zuzuhören und mir zu glauben, so will ich jetzt etwas mehr über mich erzählen. Im Gegensatz zu anderen schiebe ich keiner Schuld auf äußere Umstände. Ich bin verantwortlich für meine Situation und bezeichne mich auch nicht als einen einfachen oder sogar angenehmen Menschen.
An meine Kindheit und Jugend kann ich mich nicht so gut erinnern. Ich weiß, dass das Haus meiner Eltern hektisch und voll mit Alkohol war und ich häufig ohne Essen im Zimmer eingeschlossen wurde. Geschlagen wurde ich, soweit ich weiß, nicht. Mit dreizehnzehn zog für ich für wenige Jahre zu meinen Großeltern und wegen ihres zunehmenden Alters halfen auch mein Onkel und dessen Familie bei meiner weiteren Erziehung. In der Schule zu dieser Zeit blieb ich für mich und verbrachte auch die Pausen allein. Gehänselt wurde ich nicht, aber ich ging nie auf andere zu. Nie traf ich mich privat mit Gleichaltrigen außer meiner Kusine und ich verbrachte meine Freizeit meist mit Lernen und Lesen. Einige Mädchen zeigten zwar Interesse, aber ich habe sie immer fortgestoßen. Ich hatte eine große Abneigung gegen Intimität und zu der Zeit. Woher diese kam, kann ich nicht sagen.
Meine Großeltern waren schon tot, als ich das Gymnasium beendete und ich bekam den Erbanteil meiner Eltern, da man meinte ich würde mit dem Geld sinnvoller umgehen. Mit diesem Polster gönnte ich mir ein längeres Studium, was ich mit Ende 20 abschloss. Auch in dieser Zeit kam es zu keinen richtigen Freundschaften oder Romanzen mit Frauen.
Mein Onkel hatte immer gemeint, dass ich schon irgendwann die Richtige finde. Doch als ich im Arbeitsleben einstieg und die 30 überschritt, ohne jemals eine Frau zum Kaffee eingeladen zu haben, machte er sich doch Sorgen. Er versuchte mich zu überreden in Vereine einzutreten und mich mit den Töchtern einiger Bekannten zu verkuppeln. Ich schmetterte dies immer ab.
Generell war ich im Berufsleben Sex nie abgeneigt, da ich meinen Ekel vor Intimität verloren habe, doch es kam einfach nie dazu. Ich baute mir eine Karriere auf und irgendwann übernahm ich eine Position, wo ich viele Geschäftsreisen unternahm. Diese gingen meistens nach Asien oder zu Projekten südlich des Äquators. Diese Reisen waren für mich eine Notwendigkeit, aber im Grunde hasste ich sie. Ich empfand die Länder, die ich besuchte, als barbarisch und unzivilisiert. Ich ekelte mich vor den dortigen Esskulturen und Gerüchen und duschte nach jedem Ausgehen meistens doppelt zu lange wie hier in Deutschland. Ich gebe frei zu, zu der Zeit sehr rassistische und sexistische Gedanken gehabt zu haben. Ich war auch überzeugt, dass die Geschäftspartner damals hinter ihren Grimassen ähnlich hässlich über mich dachten. Natürlich behielt ich all meine Verachtung für mich und lächelte jeden freundlich an. Heutzutage haben sich meine Ansichten etwas geändert. Ich verachte einfache generell Menschen, ganz egal welches Geschlecht und Rasse sie haben. Da ich mich damals aber immer gut verstellte hatte ich häufiger Gespräche mit Frauen an den Hotelbars oder bei Geschäftsessen. Im Nachhinein betrachtet hätte ich sie sicher zu meinem Zimmer einladen können, doch irgendwas blockierte immer in meinem Kopf und ich ging stattdessen allein schlafen.
Um mich sexuell zu befriedigen, konsumierte ich natürlich Pornographie. Zuerst Magazine, dann VHS und schließlich DVDs. Häufig nahm ich sogar eine Auswahl mit auf die Geschäftsreisen, um mich auf meinem Hotelzimmer zu befriedigen. Mit Mitte 30 und Anfang 40 hatte ich mir auch in den Kopf gesetzt, dass ich entsprechend meinem Stand in der Firma gebildet sein musste. So kam es dann zu absurden Tagesabläufen, wo ich in der Regel nach der Arbeit mit einer Zigarre Hegel oder Wittgenstein las, dann allein Essen ging und zu Abend Pornografie zusammen mit einem Whisky konsumierte. Ich las diese Autoren ohne wirklich über den Inhalt zu sinnieren, sondern um einfach sagen zu können, ich habe sie gelesen.
In meinen frühen 40zigern starben dann meine Eltern, zu dessen Beerdigungen ich nicht gegangen bin. Mein Onkel und meine Tante überlebten nur wenige Jahre länger. Meine Tante sagte noch auf dem Krankenbett zu mir, dass sie hoffte, dass ich noch jemanden finden würde. Sicherlich ist sie gerade im Himmel enttäuscht von mir.
Was mich im Zusammenhang mit der Arbeit immer faszinierte war Technologie. Ich war eigentlich bei jedem neuen Trend schnell dabei. So war ich schon stark im Internet unterwegs, als es in den 90zigern immer weiter um sich griff. Ich war aber immer der stille Leser am Seitenrand und habe mich nie wirklich irgendwo eingemischt. So habe ich beispielswiese viele Jahre lang schweigsam in diesem Forum und andere mitgelesen. Es war eine Art voyeuristische Faszination.
Jetzt bin ich über 60. Mein Libido ist natürlich kleiner als früher und ich konsumiere kaum noch Pornografie. Tatsächlich habe ich sogar größere Erektionsprobleme momentan. Ich habe eine ruhige Stelle in der Firma angenommen und habe eine Zwei-Zimmer-Wohnung abzahlt. Ich hätte mir auch ein Haus leisten können, doch wozu, wenn ich doch allein lebe? Meine Gesundheit geht auch in die Hunde, weswegen ich mehr und mehr über mein Leben nachdenke. Auch hatte ich in der Corona-Pandemie mehrere lange Gespräche mit meiner Kusine. Sie hat im Gegensatz zu mir mehrere Kinder und ist der engste Kontakt, den ich noch besitze. Sie weiß von allem und mehr was ich hier niedergeschrieben habe. Ihrer Meinung nach habe ich was Ernsthaftes in meinem Leben verpasst, da ich weder romantische Liebe noch Intimität kenne. Nach längerer Reflektion stimme ich ihr zu.
Allerdings frage ich mich, ob es sich noch lohnt, was zu machen. Ich habe sicher so einige Probleme, doch ich hätte vermutlich mit 20 oder 30 in Therapie gehen müssen. Jetzt mit 60 habe ich das Gefühl jemanden den Platz wegzunehmen, der noch Hoffnung auf eine bessere Zukunft hat. Natürlich könnte ich auch eine Prostituierte buchen, doch wenn ich keine Erektion bekomme, wäre das rausgeschmissenes Geld.
Meine Persönlichkeit macht es zumindest nicht einfach. Ich habe dieses Jahr angefangen Camping zu gehen, doch dies natürlich nur allein und ich baue mein Zelt so weit weg von anderen auf wie es nur geht. Ich plane auch Wintercamping, zumindest so lange meine Gesundheit es noch zulässt.
Auch plane ich eine kleine Autobiografie, von der dieser Text schonmal eine Kurzfassung ist. Kein Mensch wird die natürlich lesen jemals wollen, aber vielleicht hilft es mir mein vergangenes Leben besser zu ordnen. Ob ich das Projekt umsetzen soll?
Als finale konkrete Fragestellung stelle ich in den Raum, was ich noch tun kann.
Falls angenommen wird, dass ich nicht echt bin, frage ich auch etwas weiter: Braucht für euch ein Leben unbedingt eine Beziehung und Intimität oder seht ihr es als verschwendet an, wenn man ohne Erfahrung mit beidem zu Grabe geht? Ich denke dies wird vor allem relevant, da wie erwähnt männliche Jungfräulichkeit steigt und damit durchaus gesellschaftliche Probleme aufkommen. Ich habe zum Beispiel Incel-Foren besucht und ich denke die kümmerlichen Gestalten dort sind nur die Spitze eines Eisberges, der so große Folgen hat, die wir noch nicht richtig erfassen können.
Danke fürs geduldige Lesen.