Bundeskanzleri schrieb am 22.10.2021:Würdet (oder habt) ihr eure verstorbenen Angehörigen gerne nochmal ansehen?
Ich würde das unter normalen Umständen schon wollen.
Ozeanwind schrieb am 22.10.2021:Ich persönlich habe es für mich schon irgendwie gebraucht zum endgültigen Abschied die Verstorbenen zu sehen. Zum Begreifen, dass sie nicht mehr leben, hat es mir auch geholfen.
Darum würde es mir auch gehen.
Ozeanwind schrieb am 22.10.2021:letztendlich sehr froh darüber, dass ich ihn nochmals sehen und auch berühren konnte. Das hat mir das Begreifen und den Abschied sehr erleichtert, zumal er, seit langer, langer Zeit friedlich aussah. Das war in seinen letzten Lebensjahren, durch ständige Schmerzen, nie der Fall gewesen
In manchen Fällen ist der Tod eine Gnade, und manche Menschen wünschen ihn sich auch geradezu. Wahrscheinlich oft, wenn sie enorme Schmerzen ertragen müssen.
Palfrader schrieb am 26.10.2021:Ich glaube der Tod ist nicht immer grausam und es ist wohl auch in Ordnung wenn man als Angehöriger oder Freund unter gewissen Umständen erleichtert ist.
Bundeskanzleri schrieb am 22.10.2021:In meinem Umfeld gibt es oft Unverständnis hauptsächlich dafür, den Wunsch zu haben, denjenigen nochmal zu sehen.
Nicht von allen, aber es gibt für den Wunsch, denjenigen nicht noch mal sehen zu wollen, mehr Verständnis.
Das sind ja Dinge, die man mit dem Umfeld meist nur aus gegebenem Anlass bespricht. Also es ist kein Thema für Smalltalk.
Und ich muss sagen, dass mir die Meinungen meines Umfeldes egal wären, weil das doch höchst individuelle Entscheidungen sind.
Bundeskanzleri schrieb am 22.10.2021:Besonders schwierig ist es sicher, wenn es sich um verletzte Menschen handelt.
Und es stellt sich die Frage, lässt man denjenigen nochmal "schön machen" oder kann man das ertragen.
Das ist definitiv so, und manche Menschen kann man auch tatsächlich gar nicht mehr "schön machen". Da würde ich dann den Rat von jemandem, der den Menschen gesehen hat, annehmen, und auf den Anblick verzichten.
Eine Möglichkeit wäre es eventuell, dass jemand ein Foto macht (falls der Anblick nicht zu schlimm ist).
Es könnte ja sein, dass einem gerade jetzt die Kraft dazu fehlt aber man es sich später wünschen würde (schrieben ja auch einige). Dann bestünde dazu noch die Chance, zumindest auf diesem Wege.
Tussinelda schrieb am 22.10.2021:Extra einen Verstorbenen noch einmal anschauen gehen, weiß ich nicht, kommt auf die Situation, das Verhältnis und wohl auch darauf an, wie die verstorbene Person gestorben ist.
Genau. Das ist völlig individuell.
Doors schrieb am 22.10.2021:Im vergangenen Jahr starb meine ältere Schwester an Corona. Bis ich davon erfuhr, war sie schon abgeholt. Ohnehin wäre es wegen der Umstände vermutlich nicht mehr möglich gewesen, sie zu sehen.
Wenn, dann nur unter absoluten Schutzmaßnahmen. Sprich: totaler Vermummung.
Auf diese Weise musste ein Kollege im April oder Mai 2020 von seiner Mutter (83), die an Corona starb, auf der Isolierstation des Krankenhauses Abschied nehmen. Seine Frau als Vorerkrankte und der jugendliche Sohn durften gar nicht mit hin.
Bundeskanzleri schrieb am 22.10.2021:dass der Tote den Menschen irgendwie schutzlos ausgeliefert ist, fühlt sich nicht so gut an
Das stimmt, es kommt sehr auf die Pietät an.
Manche Menschen versterben auch in einer unschönen und ja, entwürdigenden Situation.
Ozeanwind schrieb am 22.10.2021:Ich ging noch zur Grundschule, da wurde meine Freundin vor meinen Augen überfahren, war sofort tot.
Das war ein sehr prägendes und einschneidendes Erlebnis für mich.
Das ist eine ganz grausame und fürchterliche Vorstellung, dass ein Kind so etwas durchmachen muss 😔
Bundeskanzleri schrieb am 22.10.2021:Andererseits gibt es auch das Phänomen, dass Menschen dann erst loslassen können, wenn die Angehörigen rausgegangen sind.
Das habe ich auch schon öfters gelesen. Oder dass der Sterbende noch auf etwas gewartet hat, auf die Ankunft oder Nachricht von einer bestimmten Person oder eine Nachricht von ihr.
Fedaykin schrieb am 22.10.2021:Nun der tot ist etwas verbannt aus dem Alltag.
Zum einen wurde früher mehr gestorben, nicht nur im hohen Alter (kindetsterblichkeit)
Sondern auch mehr zuhause als heute im Krankenhaus
In den letzten Jahrzehnten hat sich viel geändert in der Gesellschaft. Auch die Lebensformen. Heute ist es fast normal, dass man nicht mehr im gleichen Haus mit den Eltern wohnt oder gleich nebenan, sondern oft auch weiter weg, manchmal sogar in einem anderen Land.
Bundeskanzleri schrieb am 22.10.2021:dass noch vor etwa 45 Jahren in der Waldorschule verstorbene Lehrer dort aufgebahrt wurden.
Das klingt merkwürdig, aber gerade Waldorfschulen haben doch auch recht eigene Regeln.
Sicherlich ist das heute da aber auch nicht mehr so?
Yen schrieb am 22.10.2021:meine Oma . Ich wünschte ich hätte es nicht. Sie sah nicht mehr aus wie sie selbst. War verstörend für mich.
So erging es mir mit meiner Patentante. Wie sie so dalag (sie starb an Krebs in einem Hospiz, das aber eine angenehme Atmosphäre hatte) war sie einfach nicht mehr die Tante, die ich lebendig gekannt hatte. Dennoch bin ich froh, dass ich sie noch sehen und berühren konnte.
Mrs.Rollins schrieb am 22.10.2021:Schwiegermutter gestorben. Wir wurden unterwegs angerufen, es ginge zu Ende. Durch Verkehrsstaus kamen wir zu spät und sie war verstorben. Ich bin dann doch zu ihr, habe Zeit mit ihr verbracht und sie umarmt und geküsst. Sie war ein extrem wichtiger Mensch für mich.
Yen schrieb am 22.10.2021:In meiner Kultur ist es auch so , dass man seine Eltern wenn diese versterben wäscht bevor diese beerdigt werden. Ist aber kein muss. Ich weiß nicht ob ich das könnte bzw möchte.
Das ist kein Muss. Man kann es aber tun, wenn man es möchte. Mein Freund hat unter Tränen seinem Vater einen schönen Anzug angezogen.
Ilvareth schrieb am 22.10.2021:wie die Mutter meines Vaters sich weigerte, in das Zimmer zu gehen, in dem er lag, und immer wieder sagte: „Ich kann das nicht, ich kann keine Toten anfassen“, seine Schwiegermutter aber weinend an seinem Totenbett saß.
Das ist individuell und man sollte da niemanden zwingen oder unter Druck setzen. Man kann durch eigenes Handeln ein Beispiel geben.
MissMary schrieb am 23.10.2021:Der Tod ist etwas, was man heute wegschiebt und wegorganisiert.
Shibam schrieb am 22.10.2021:Und mir war auch wichtig, dass unsere Mutter nicht wie ein Fremdkörper sofort aus ihrer Wohnung getragen wird sondern dass sich dieser Prozess ihres sich langsam immer weiter Zurückziehens in Würde vollenden darf.
Am folgenden Tag wurde sie vom Bestatter abgeholt.
Das ist treffend formuliert, mit dem Fremdkörper, der umgehend entfernt werden muss.
Palfrader schrieb am 23.10.2021:Man steht dann eigentlich vor dem Körper, der an sich eine leere Hülle ist. Ich hatte nicht den Eindruck, dass Opa oder Oma noch anwesend sind
Meine eine Oma war die letzten Jahre ihres Lebens ohnehin dement und dadurch im Grunde auch schon eine Art von Hülle, da sie niemanden mehr erkannte und nicht mehr kommunizierte.
Bundeskanzleri schrieb am 23.10.2021:Obwohl ein Bekannter meines Vaters ging damit tatsächlich rücksichtsvoll um und hat sich vorher informiert, was beim Auffinden erträglich anzusehen ist.
Das ist zum Glück manchmal der Fall.
Es gibt auch Situationen, in denen das Auffinden eines aus dem Leben Geschiedenen gefährlich ist, z.B. durch Stickoxide usw.
Da ist es schon sinnvoll, wenn eine Warnung da ist für andere.
MissMary schrieb am 24.10.2021:Meine Eltern sind ja beide 80+, daher wird der Tag X kommen - mir persönlich graut davor auch.
Mir ebenfalls, ich denke oft daran. 😑
Schwiegermutter ist 83, Mutter des Freundes 84.
Irgendwann wird der Anruf kommen...
Mailaika schrieb am 25.10.2021:Wir durften am Tag der Beisetzung, während die Kapelle vorbereitet wurde hinein. Er hat die Schmuckurne geöffnet und die Kinder durften das Bild zwischen die Schmuckurne und den eigentlichen Behälter einlegen.
Das war doch eine gute Lösung 👍
Palfrader schrieb am 25.10.2021:Es ist im übrigen auch nichts neues, dass man Menschen mit Grabbeigaben bestattet. Scheint seit Urzeiten in unseren Genen zu liegen und ich finde nichts schlimmes daran.
Richtig, finde ich auch wichtig, eine letzte Gabe, hat auch mit dem Abschiednehmen zu tun.
Martha-Minerva schrieb:Meine Mutter war Bestatterin. In meiner Kindheit in den 1970er Jahren lebten wir in einem Haus auf dem städtischen Friedhofsgelände. Nebenan befand sich die Aussegnungshalle. Ein paar Tage vor der Bestattung lagen die Verstorbenen in einem Seitentrakt dieses Gebäudes in einzelnen Nischen, die von der einen Seite mit einer Glasscheibe versehen waren, damit sich Angehörige und Bekannte verabschieden konnten. Wahlweise im offenen oder geschlossenen Sarg.
Für mich als Kind war das normal, ich bin damit aufgewachsen
Der Vater eines Kollegen hatte eine Schreinerei und machte auch Einsargungen und Bestattungen. Der Kollege musste da als ältester Sohn auch öfters mithelfen, für ihn war das normal. Es gab aber auch gruselige Situationen, z.B. wenn aus einem Toten noch Luft entweicht, wenn er bewegt wird, was halt Geräusche macht.
Rainlove schrieb:tote Oma anzusehen, die qualvoll erstickt ist an einer Krebserkrankung, oh wie sie gelitten hat, es war schlimm und sie verfolgt es bis heute.
Das berichtete mein Freund gerade gestern auch von seinem Großvater, er hat sofort geklingelt, aber die Krankenschwester konnte da nicht helfen. Das war schon irgendwie traumatisch.