Verstorbene noch einmal ansehen?

Für mich kann ich sagen, das ich es immer als "Erleichterung" empfunden habe, unsere Verstorbenen sogar selbst aufzubahren, zu waschen und herzurichten bevor der Bestatter zum abholen kam.
Gerade bei meinen Großeltern, die alle nach längerer Krankheit verstoren sind, war der ruhige Gesichtsausdruck wirklich beruhigend. Meine Oma sah so zufrieden und um Jahre jünger aus, nach dem sie endlich gehen durfte.

Anders war der plötzliche Tod meines besten Freundes. Er verstarb mit 31 Jahren an einen Riss in der Lunge und ist alleine Zuhause verblutet und erstickt. Als ich ihn knapp 2 Tage später fand, sah es nach einem Massaker aus - ganz schrecklich.
Dieses Bild werde ich selbst nach fast 10 Jahren nicht mehr los. Zu gerne hätte ich ihn nochmal aufgebahrt gesehen. Ich denke, das es mir sehr geholfen hätte um diese Bilder auf meinem Kopf zu bekommen aber seine Familie wollte das leider keine Aufbahrung.

Daher kann ich persönlich sagen, das ich immer die Chance ergeifen würde, einen Verstorbenen nochmal zu sehen.

Hatmaker schrieb:Ja klar. Ich hab aber meine Einschätzung zur Situation widergegeben, ihm gesagt wie es bei mir war und dass das ein scheisstrauriger Moment war, ja auch das gehört zum Leben und jeder muss es selbst entscheiden und tut ja dies im Grunde auch.

Das war nicht als Vorwurf gemeint. Wenn das so rübergekommen sein sollte, entschuldige ich mich dafür.

Als vor 1 1/2 Jahren meine Mutter gestorben ist, war das für mich eine komische Situation.

Ich war am Wochenende davor bei meinen Eltern. Als ich am Sonntagabend gefahren bin, hatte ich das Gefühl, dass es das letzte Mal ist, das ich meine Mutter sehen werde.
Am Donnerstag darauf war ich zu einer Fortbildung, als mein Handy klingelte. Als ich sah, das mein Vater anruft, war mir klar weshalb. Ich bin dann losgefahren und als ich ankam, stand ein Streifenwagen vor der Tür.
Ich hätte zu dem Zeitpunkt nicht die Gelegenheit gehabt, meine Mutter zu sehen, da noch auf die Kripo gewartet wurde. Der Bestatter hatte am Abend noch gefragt, ob wir sie nochmal sehen wollten, wenn die Leiche freigegeben wird. Meine Antwort war sofort: Nein. Ich bin auch ganz froh über die Entscheidung.
Was ich mir dagegen vorwerfe: Sie am Sonntag davor nicht umarmt zu haben, was ich sonst immer getan habe.

@raptor83
Hab ich absolut nicht aks Vorwurf aufgenommen, sollte jetzt meinerseits auch nicht so rüber kommen.

zu deiner Mutter:
Da es noch eher frisch ist, mein aufrichtiges Beileid. Die Umstände klingen sehr traumatisch..

Wenn du sie sonst immer umarmt hast, denke ich ihr hattet eine gute gemeinsame Zeit im Großen und Ganzen oder?
Ich bin sicher sie wusste dass du sie liebst..aber natürlich verstehe ich dich total..man berreut das natürlich..

Niemand ist perfekt, das muss man auch lernen, das perfekte Leben gibt es nicht, wo jede Entscheidung die beste war.

Hatmaker schrieb:Da es noch eher frisch ist, mein aufrichtiges Beileid. Die Umstände klingen sehr traumatisch..

Meine Mutter litt an Demenz.
Ihre Mutter hatte das auch schon; allerdings war meine Mutter 67, als es bei ihr diagnostiziert wurde. Oma war hingegen schon 83. Ihr Tod kam deshalb nicht überraschend. Und so, wie es aussah, hatte sie irgendwann auch noch einen Schlaganfall, was man ihr ansah.

Die Polizei war im Haus, weil der Arzt die Todesursache mit unbekannt angegeben hat. Er kannte sie nicht und der Hausarzt war im Urlaub. Ich mach ihm da auch keinen Vorwurf. Genervt haben mich eher die drei Beamten, die rauchend vor der Haustür gestanden haben. Ich hatte n Aschenbecher im Wohnzimmer stehen, da ich der Situation auch eine nach der anderen gequalmt hab, den hätten sie auch gerne benutzen können und hätten nicht demonstrativ vor der Haustür stehen müssen.

Hatmaker schrieb:Wenn du sie sonst immer umarmt hast, denke ich ihr hattet eine gute gemeinsame Zeit im Großen und Ganzen oder?

Im Großen und Ganzen schon.
Ich hab ihr irgendwann mal vorgeworfen, dass sie mich in meiner Jugend ewig bevormundet hat, weshalb wir mal eine ganze Zeit Funkstille hatten aber es lässt sich ja letztlich alles irgendwie lösen.
Ich habe es zum Teil auch verstanden. Ich war, nach zwei Fehlgeburten, ihr einziges Kind.

Das bleibt uns allen nicht erspart, sich von zuhause abzunabeln und diese Funkstille gibts glaub ich ganz häufig. Bei uns auch übrigens.
Ich hoffe ich kann es mit meinem Kind anders machen.
Hört sich aber bei dir trotzdem gut an bei dir, innig. Als Einzelkind ist die Beziehung natürlich noch enger das ist klar.

Man muss auch seine Grenzen ziehen wie du sagst, das ist nur normales Abnabeln.

Das mit der Kripo ist ja echt besch* bei euch gewesen voll unnötig, und dann noch draussen vor der Türe rauchen, wo dann wieder die Nachbarn tratschen was da wohl los ist...da kann man auch drauf verzichten. Sehr indiskret.@raptor83

@Hatmaker
Das war nicht die Kripo. Die beiden waren in Ordnung.

Das waren die drei in Uniform.

@raptor83
Sorry hab ich falsch verstanden!

@Hatmaker
Schon in Ordnung.

Hellskitty schrieb:Als ich ihn knapp 2 Tage später fand, sah es nach einem Massaker aus - ganz schrecklich.
Dieses Bild werde ich selbst nach fast 10 Jahren nicht mehr los. Zu gerne hätte ich ihn nochmal aufgebahrt gesehen.

Das klingt sehr schlimm. Ich vermute, dass es in diesem Fall auch amtliche Ermittlungen gab, vermutlich sogar eine Leichenöffnung?
Wie hat er sich diesen Lungenriss denn nur zugezogen?

@nairobi
Vor lauter Panik hab ich den Notarzt angerufen und dadurch alles mögliche in Wallung gebracht. Keine 2 Minuten später war eine Feuerwehr, Notarzt und auch die Polizei vor Ort. Die haben dann den Tod festgestellt und mich vernommen wie ich in die Wohnung gekommen bin, wieso ich überhaupt da war und wie ich ihn aufgefunden habe.

Da man im ersten Moment tatsächlich keine Fremdeinwirkung ausschließen konnte wurde sein Leichnam obduziert. Dort wurde festgestellt das er wohl eine Lungenentzündung hatte und durch einen schweren Hustenanfall der Lungenriss zustande gekommen sein muss. Das stimmte wohl auch mit dem ganzen Blutsprenkeln in der Wohnung überrein. Leider war er obendrein auch stark übergewichtig und litt an Bluthochdruck, was das Ganze auch noch begünstigt hat.

Hellskitty schrieb:Vor lauter Panik hab ich den Notarzt angerufen und dadurch alles mögliche in Wallung gebracht.

Das hätte jeder getan. Ganz normal. Wobei manche auch erst mal wie gelähmt sind in dem Schock.

Hellskitty schrieb:Dort wurde festgestellt das er wohl eine Lungenentzündung hatte und durch einen schweren Hustenanfall der Lungenriss zustande gekommen sein muss. Das stimmte wohl auch mit dem ganzen Blutsprenkeln in der Wohnung überrein

Oh Gott. Ich wusste nicht, dass man durch starkes Husten einen Lungenriss erleiden kann. Man sagt ja auch "sich die Lunge aus dem Hals husten".

Hellskitty schrieb:stark übergewichtig und litt an Bluthochdruck, was das Ganze auch noch begünstigt hat.

Ja. Solche Vorerkrankungen sind leider ganz ungünstig.


Meine Nachbarin hat mir vor einigen Jahren erzählt, dass ihre Tochter einen Freund tot in seiner Wohnung auffand. Er war Alkoholiker und ist daran zugrunde gegangen. Auch noch ein jüngerer Mensch. Ein sehr großer Schock für die junge Frau, ihn zu finden. Sie hat dann auch die Rettungsdienste alarmiert.

Einen verstorbenen Angehörigen noch einmal sehen zu wollen, kommt ganz auf die Umstände drauf an.
Mein Vater ist nach langer, schwerer Krebserkrankung im Krankenhaus gestorben. Am Tag vor seinem Tod war ich zusammen mit meiner Mutter noch einmal zu Besuch. Er stand bereits zu diesem Zeitpunkt unter dem Einfluss von sehr starken Schmerzmitteln. Ich weiß bis heute nicht, ob er uns noch wahrgenommen hat.
Am nächsten Morgen auf Arbeit erhielt ich den befürchteten Anruf, dass er in der Nacht verstorben war.
Ich habe es nicht geschafft, ihn noch einmal zu sehen. Ich wollte ihn so in Erinnerung behalten, wie ich ihn gekannt hatte. Diese Entscheidung habe ich auch bis heute nicht bereut.

Bei meiner Mutter war es anders. Sie verstarb nach kurzer, schwerer Krebserkrankung Pfingsten diesen Jahres. Als der Anruf aus dem Krankenhaus kam, das es zu Ende geht, bin ich sofort hingefahren. Die Ärzte sagten mir, dass sich der Sterbeprozess durchaus noch mehrere Stunden hinziehen könne.
Ich habe an ihrem Bett gesessen, ihre Hand gehalten, mit ihr gesprochen. Ob, und wenn wieviel sie davon noch mitbekommen hat, weiß ich nicht. Keine halbe Stunde nach meiner Ankunft ist sie friedlich eingeschlafen.
Im Nachhinein bin ich wirklich froh darüber, die letzten Minuten in ihrem Leben bei ihr gewesen sein zu dürfen.

Und als Letztes: meine jüngste Tochter ist zwei Stunden nach der Geburt an einem schweren Herzfehler verstorben. (Diesen hatte man bei sämtlichen Vorsorgeuntersuchungen nicht erkannt...) Mein Kind konnte ich nicht mehr sehen, man hatte es gleich nach der Geburt in den OP gebracht, wo es letztendlich verstarb.
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit meinem eigenen Leben bereits abgeschlossen, aber das ist ein anderes Thema.
Ich habe diese Sache, nicht richtig Abschied nehmen zu können, bis jetzt nicht wirklich verarbeitet. Kommt in allen unpassenden Situationen wieder hoch.

@Vibora
Da hast du ja schon einiges erlebt. :(
Konntest du deine Tochter gar nicht mehr sehen?
Hast du Fotos von ihr?

[Mein drittes Kind ist unter der Geburt gestorben, auch völlig unvorhersehbar.
Ich hatte sie noch auf dem Bauch, da wusste ich das noch nicht.

Die nächsten Tage hatte ich mit meinem Leben zu tun, wollte sie aber unbedingt nochmal sehen.
Die Ärzte haben etwas gedrängelt, weil der Körper natürlich nicht schöner wird.

Nach drei Tagen oder so habe ich sie mir zeigen lassen. Das war in Ordnung, aber ich habe auch da gemerkt, das ist kein beseelter Körper mehr.

Aber ich habe gebeten, dass Bilder gemacht werden.

Vibora schrieb:meine jüngste Tochter ist zwei Stunden nach der Geburt an einem schweren Herzfehler verstorben

Bundeskanzleri schrieb:Mein drittes Kind ist unter der Geburt gestorben, auch völlig unvorhersehbar.

Oh Gott. Ich hab eine Mega-Gänsehaut. Wie furchtbar. Es tut mir so Leid. 😔

@nairobi

Für Außenstehende ist das schrecklich, kann ich nachvollziehen.

Aber aus meiner Sicht war da gar nichts Schreckliches daran. Es war ein ganz heiliges tiefgreifendes Ereignis, das mich natürlich verändert hat. Aber es hat gepasst, ich war mir ganz sicher (aufgrund verschiedener Ereignisse), dass das Kind es so haben wollte. Sie ist nicht umsonst direkt als sie zwischen Himmel und Erde stand gegangen.
Ich war auch keineswegs überrascht, obwohl es noch 20 Minuten vorher hieß, jetzt ist sie da und wir hätten es überstanden.

Also für mich war das ein sehr positives Ereignis.

@Bundeskanzleri
Das tut mir unheimlich leid für dich.
Es freut mich aber für dich, das du diese Erfahrung trotz allem positiv bewertest.

Bundeskanzleri schrieb:Konntest du deine Tochter gar nicht mehr sehen?
Hast du Fotos von ihr?

Nein, ich habe sie nicht gesehen. Es gibt ein Foto von ihr, das mein damaliger Partner von ihr gemacht hat. Ich habe es mir bis zum heutigen Tag nicht ansehen können. Einige Anläufe habe ich diesbezüglich bereits unternommen, aber ich finde nicht den Mut es durchzuziehen. Jedesmal ist dann dieser Tag, diese Situation wieder sehr präsent und raubt mir jegliche Energie.
Schlimm ist auch jedes Jahr der Geburts- und gleichzeitig Sterbetag. Da nehm ich mir im Voraus immer mindestens zwei Tage Urlaub. Und in diesem Jahr war es besonders schlimm, weil meine Mutter in diesem Zeitraum verstorben ist.

@nairobi
Danke für dein Mitgefühl.

@Vibora
Das war sicher richtig traumatisch für dich. Wie lange ist denn das her?
Hast du sie begraben können und hat sie einen Namen?

(ist vielleicht auch zu persönlich, musst du natürlich nicht beantworten)

Ich finde es auch sehr wichtig, wie das Krankenhaus damit umgeht.

Und ich mache jetzt einen Sternenkinderthread auf. Ich finde, das fehlt hier.

@Bundeskanzleri

Bundeskanzleri schrieb:Wie lange ist denn das her?

Sie wäre in diesem Jahr 13 Jahre geworden.

Bundeskanzleri schrieb:Hast du sie begraben können und hat sie einen Namen?

Wir hatten uns für den Namen Tabea entschieden. Dieser Name steht auch auf einem kleinen weißen Stein mit Teddybärmotiv auf einem Friedhof in Hamburg.

Bundeskanzleri schrieb:wie das Krankenhaus damit umgeht.

Dort war alles recht unpersönlich. Wurde die ersten Tage mit Psychopharmaka ruhig gestellt. Und nach vier Tagen war ich wieder zu Hause.

Bundeskanzleri schrieb:mache jetzt einen Sternenkinderthread auf

Sehr gute Idee.⭐

Bei Menschen, die mir wirklich wichtig waren, ist es für mich ein "Muss", dass ich sie nochmals sehe.

Nur dadurch kann ich im Kopf realisieren, dass er/sie wirklich tot ist.

In Erinnerung behalte ich die Person aber so, wie sie zu Lebzeiten war.

FerneZukunft schrieb am 30.11.2021:In Erinnerung behalte ich die Person aber so, wie sie zu Lebzeiten war.

Das geht mir auch so. Das Bild im Sarg meines Vaters kenne ich noch, aber das spielt für die lebendige Erinnerung keine große Rolle mehr.

Vielleicht nicht ganz das gleiche Thema, aber doch mit Zusammenhang: wer hat die Körperwelten angesehen?
Ist ja im Grunde schon auch eine Art Leichenschau. Mit leichtem Grusel, dass man da echte Menschen ansehen kann.

Jedenfalls ist es mir so gegangen. Und ich muss zugeben, eine Ausstellung mit künstlichen Körpern hätte mich nicht so fasziniert staunen lassen.
Da haben mich tatsächlich die kleinen Föten berührt in der Gebärmutter drin. Da frage ich mich auch, wie man da zu einer Zustimmung kommt bei so jungen Menschen (ich meine jetzt natürlich die Mutter).

Ist sicher eine zwiespältige Sache, aber ich wollte das unbedingt sehen.