Verstorbene noch einmal ansehen?
17.01.2022 um 09:21
Ich denke, es kommt da immer auf die Beziehung an, die man auch zueinander hatte und auch die Todesumstände.
Ich war seit meiner Erstkommunion Ministrant in unserer spanischen Inselgemeinde (ich komme von einer spanischen Insel) und da war es natürlich normal, dass wir Minis auch zu Spendung von Sterbesakramenten, Totenwache mit Rosenkranzgebet und Totenmesse zugegen war, wo der Sarg vor dem Altar steht. Das heißt, dass auch uns Ministranten und somit auch mir, der Tod, wie wir auch bei Aufnahme zum Altardienst, langsam herangeführt wurden und einfach zum Leben dazu gehört.
Wie es bei uns in Spanien auch üblich ist, haben wir eine sehr enge familiäre Bindung und Mehrgenerationenhaushalte, durch Eigenbesitz, sind nicht ungewöhnlich. So zB mein Bruder, der den elterlichen Betrieb fortführte, wohnte mit im Nebentrakt mit seiner Frau und Kindern und im Hauptrakt unserer Eltern (ich bin der "Abtrünnige" und hatte schon in jungen Jahren, trotz Erstgeborener, nie Interesse den Betrieb zu übernehmen). Als mein Vater an Krebs erkrankte, da ich immer ein Papakind war, war es für mich selbstverständlich, mitzupflegen, als er nicht mehr so konnte, wie er wollte und auch, nachdem er austherapiert war und die Ärzte, außer Palliativ nichts mehr weiter machen konnten, war ich die Hauptpflegeperson, aber mit Entlastung von meine Familie. So waren wir dann auch bis zum letzten Atemzug, in seinem schön eingerichteten Zimmer und mein Vater starb in meinen Armen. Abgesehen von der Traurigkeit, die ich hatte, aber auch das Bewusstsein, dass die Ärzte nichts weiter tun konnten, war es vielleicht der innigste Moment, zwischen meinem Vater und mir und man musste mich schon etwas "wegziehen", als dann der Bestatter dann auch endlich mal los wollte. Ich bin im Inneren froh, bis zum letzten Moment dabei gewesen zu sein, auch die Momente, wo es ihm besser ging, noch mal zum Meer oder kleine Ausflüge gemacht zu haben, denn wie ich es oft von anderen aus dem Freundes- und Bekanntenkreis mitbekomme, wo auch ein Angehöriger oder Elternteil früh verstorben ist, oftmals dieses "hätte ich doch damals mal...." und das habe ich nicht. Mein Vater gab mir alles, was ich brauche, mit auf den Weg und ich gab ihm alles, was ich geben konnte, besonders meine Liebe und Frieden zu gehen.
Aber... es gibt keinen Tag seitdem, an dem er mir nicht fehlt und mir auch oft nochmal einen einzigen Tag, vor seiner Erkrankung, zurückwünsche.