Agent_Elrond schrieb: Die ungleiche Gewichtung der Einkommensschere reißt den Niedriglöhnern/Normalverdienern den Boden unter den Füßen weg
Die Krise verstärkt alles: die Armen werden ärmer und Hilfsinstitutionen brechen weg (Tafeln, Kinderbetreuung, ...), die Egoisten noch egoistischer, ....
Jordy80 schrieb:An den Unis läuft vieles auf digitale SS hinaus, wobei ich mal gespannt bin, wie so die ersten Videochat-Vorlesungen mit 400 Studenten ablaufen.
Bei meiner Tochter (Oberstufe Gym) läuft das erstaunlich gut - da dreht ein Lehrer Youtubevideos, damit der Server das durchhält, schickt einen Link (Videos nicht öffentlich zugänglich) und bietet dann einen Skypechat für immer 10 Schüler an, wo er das Gesehene nochmals kurz durchspricht und Fragen beantwortet. Es wäre also auf jeden Fall möglich ....
Interessanterweise wird das Angebot nicht von allen Schülern angenommen - es wurde schon die Ministeriumsregelung präsentiert, dass nun kein relevanter Stoff erarbeitet werden darf (obwohl es technisch möglich wäre).
Duchovny schrieb:In RLP wird schon offen darüber nachgedacht,dass die Schulen nicht wie im März noch geplant am 21.4. wieder öffnen.
Bei uns in B-W auch. Schulöffnungen haben so ihre Tücken (ich schreibe mal unsere "Hindernisse":
- der Transport in die Schule gleicht oft einem Mumbaiexpress. Bei uns wurden die regulären
Schulbusse sogar aus Kostengründen abgeschafft. Die Schule liegt so doof, dass man zwar
hinlaufen könnte, aber das sehen nicht alle als "zumutbar" - es sind auch mehr als vier
Kilometer von den schülerreichsten Stadtteilen aus gesehen.
- in den letzten Jahren wurden riesige Schulzentren geschaffen - sogar die kleinen Grund-
schulen hier auf dem Land wurden alle eingestampft und lieber die Kinder "weitergekarrt" -
das heißt nun, dass kein Grundschüler die Schule selbstständig erreichen kann und dass es
sogar vier- und fünfzügige Grundschulen gibt
- an vielen Schulen gibt es keine Waschbecken im Klassenzimmer und auch kein warmes,
fließendes Wasser zum Händewaschen. Oft sind die Klassenzimmer in "toten" Gängen, d.h.
du kannst keinen Abstand halten, da das Klassenzimmer nur einen Zugangsweg hat.
- viele unserer Schüler (Brennpunkt) sind gerade daheim für die Kinderbetreuung kleinerer
Geschwister zuständig, die Eltern könnten mti 67% nicht auskommen und arbeiten weiter,
wenn es geht - wenn sie denn arbeiten.
- viele unserer Schüler leben in extrem beengten Verhältnissen (Hochhaus, mehrere
Erwachsene und Kinder in 70qm Sozialwohnungen) - da ist das häusliche Ansteckungsrisiko
nochmal anders als bei Adelheit-Franziska im schmucken Einfamilienhaus, wo Papa im
Homeoffice arbeitet und Mama freiberuflich von Zuhause aus. Da ergeben sich dann völlig
neue Ansteckungswege.
- der Klassenteiler liegt bei uns bei 30, wird gelegentlich überschritten. Dazu die Inklusions-
kräfte, d.h. es gibt im Normalbetrieb Klassenzimmer, da kannst du als Lehrer gar nicht
mehr rumlaufen, so eng ist es. Es wäre auch schon mit 15 Schülern eng. Da müsstest du
wirklich 5er Gruppen oder so machen - der vollzeitarbeitende Lehrer arbeitet so 27/28
Stunden - das mal fünf oder sechs, bis du alle durch hast... klappt nicht
- es wurden am Anfang des Schuljahres viele Kollegen aus dem Ruhestand aktiviert, es gibt
ältere und kranke Lehrer und auch viele gesundheitlich angeschlagene Schüler - was wird
aus denen? Viele Lehrerinnen arbeiten halbtags, weil sie kleine Kinder haben - die Kinder-
gärten haben zu ... da wäre Kinderbetreuung ein riesiges Problem.
koef3 schrieb:Ich mein, als Jugendlicher oder junger Erwachsener könnte man sich ob der regelmäßigen Nachrichten über die Todesfälle und der aktuellen Situation schon veralbert vorkommen.
Äh? Ich bin nicht sicher, was du für Jugendliche kennst? Meine Tochter (kurz vorm Abi) steckt - auch dank Technik - die Situation immens gut weg. Und ihre Freunde auch.
Es war auf dem Gymi eher so, dass sich die Arbeit ohnehin ewig gestaut hat und die Lehrer nochmals ewig viele Aufgabenberge rausgehauen haben. Die ersten zwei Wochen war sie wirklich mit auf- und abarbeiten beschäftigt. Es gibt Lehrer, die drehen Youtubestunden, die die Kinder dann anschauen und die Inhalte bearbeiten. Sie war (1) gut beschäftigt und (2) echt auch mal dankbar über einen Cut.
Dank Zoom und Skype machen sie z.T. "Houseparties", sogar der Klavierunterricht geht auf diese Art weiter, es gibt virtuelle Lerngruppen. Man hängt nun eben bei Zoom ab.
Zudem ist sie in der Kirche aktiv - da gibt es bei uns in der Gemeinde so ein "ich übernehme die Patenschaft für ältere Gemeindemitglieder" - das hat auch eine soziale Seite, d.h. man ruft täglich an und redet einfach mit den Leuten, geht für sie einkaufen, holt Rezepte beim Arzt.
Blöd ist nur: sie hatte mehrere Praktikas vereinbart, um die Wahl des Studienplatzes nochmals einzugrenzen und wollte im Sommer zu Verwandten in die USA, um ihr Englisch fürs Abi nochmals aufzupolieren - das fällt nun alles weg. Aber ein Luxusproblem.
Einige ihrer Freundinnen haben nun kurzfristig auf 450€ Basis beim Supermarkt angeheuert - da werden nun Leute gesucht, ein anderer Freund fährt nun Pizza aus. Die haben ihre Wege :-)
borabora schrieb:Was meinst, wie es z. B. den hochbetagten Herrschaften geht.
Sie bekommen keinen Besuch mehr, sind isoliert, keine Reisen, können nicht mal ein Schwätzchen halten im Cafe.. ihren Lebensabend haben sie sich sicher auch anders vorgestellt u. wer weiss, wie lange sie noch Zeit haben..
Meinen Eltern und meinen Tanten (alle um die 80 oder drüber) geht es ehrlich prima - weil die sich auch im Haus bzw. den Wohnungen gut beschäftigen können.
Meine alleinstehende Tante hält weiterhin Schwätzchen über den Gartenzaun oder ruft andere Leute an- wir haben allen online irgendwelche Samen für den Garten geordert und sie bereiten sich auf die Gartensaison vor, ziehen irgendwelche Stecklinge, Tante strickt wie eine Weltmeisterin für den Weihnachtsbasar der Kirche - auch vorratstechnisch - die haben so viel eingekocht, die können sich bis Ende 2021 problemlos versorgen.
Dank vieler Nischensender sehen sie auch viel interessenbezogen fern ... Gottesdienste, Heimatsendungen. Außerdem haben sie auch Bücher. Denen geht es ziemlich gut.
Elfenqueen schrieb: Mein Mann muss weiter arbeiten, obwohl die Firma nichts lebenswichtiges produziert.
Ehrlich wäre ich froh, wenn es bei uns so wäre. Mein Mann hat zwei Jobs: einen selbstständigen - wo vermutlich das gesamte Gehalt 100% wegbricht und eine angestellte Beschäftigung - da bekommt er 67% - glücklicherweise.
Finanziell wird es echt wahnsinnig knapp - v.a. der Eventbereich wird bis Herbst flachliegen ... d.h. wir werden das ganze Jahr extrem rechnen müssen. Wir leben an sich schon sparsam, wird schwierig, uns da noch weiter einzuschränken.
Zudem ist ihm halt ein ganzer Lebensbereich weggebrochen - gerade im Gastro- und Eventbereich gibt es vermutlich viele, die danach einpacken können und insolvent sind. D.h. du sitzt daheim herum, dein gesamtes Umfeld leidet finanziell extrem, du bist nochmal mit einer ganz anderen Bevölkerungsschicht in Kontakt - die, die es halt extrem heftig trifft.