Atrox schrieb:Darin sehe ich eine Problematik. Notwendigkeit und Effektivität sind objektiv messbar, werden aber zur Meinung verklärt.
Derzeit ist allgemeine Meinung, dass es notwendig ist, die Referenzzahl max. 50 Infizierte pro 100.000 Einwohner innerhalb von 7 Tagen zu erreichen, um die Pandemie für die Nachverfolgung durch die Gesundheitsämter beherrschbar zu machen.
Aus rein epidemiologischer bzw. medizinischer Sicht wäre, um diese Zahl zu erreichen, natürlich die theoretisch effektivste (auch im Sinne von Schnelligkeit) Methode, überhaupt keine Kontakte zu erlauben. Da diese ideale Lösung aber bekanntlich nicht geht, muss man nach der in diesem Sinne theoretisch zweiteffektivsten und zweitschnellsten Möglichkeit fragen (konsequenter harter Lockdown mit ganztägigen Ausgangssperren außer zur Arbeit nur in absolut systemrelevanten Bereichen, der Rest der Bevölkerung bleibt ausnahmslos zu Hause und wird mit Lebensmitteln beliefert. Arztbesuche sind nur erlaubt, wenn vorher die Beschwerden am Telefon geschildert wurden und der Arzt den Praxisbesuch für notwendig hält. Nur Hundebesitzer dürfen mal mit dem Hund raus). Gelockert wird erst, wenn die Referenzzahl erreicht ist.
Wer bei der Effektivitätsfrage in nicht unerheblichem Umfang nun aber auch (volks-)wirtschaftliche und andere Aspekte berücksichtigt wissen will und muss, kommt natürlich zwangsläufig von so einem idealen rein epidemiologischen Ansatz weg und muss bei den Maßnahmen weitere Kompromisse machen. Genau da fängt die Politik an, und da stellen sich dann die Fragen, die diskutiert werden müssen.
Was wir aber jetzt erleben, ist ein bereits sechs Wochen andauernder Lockdown Light, der einen Kompromiss zwischen den Vorstellungen - und Schwerpunkten - der Bundesregierung und denen der Bundesländer darstellt. Die Bundesregierung, insbesondere Frau Merkel als Naturwissenschaftlerin, argumentiert mehr aus epidemiologischer Sicht, die Bundesländer mehr unter anderen Aspekten.
Leider funktioniert der auf diese Weise gefundene Kompromiss, was man schon länger weiß, nicht so, wir man sich das vor allem auf Länderebene vorgestellt hat. Frau Merkel hat das Desaster kommen sehen, nehme ich an, kann aber in Länderkompetenzen nicht eingreifen. Die Länder unternehmen aber außer Ausgangsbeschränkungen bisher nichts weiter, und dass DAS jetzt Kritik auslöst, finde ich nachvollziehbar.