Der große Veganer/Vegetarier Thread - Austausch, Fragen, Tipps und Tricks
19.12.2019 um 23:49Williamschrist schrieb am 16.12.2019:UeberlegenheitsgefuehlDas ist das Gefühl, das hier überhaupt nicht passt.
Wer denkst du denn, fühle sich hier wem gegenüber überlegen? Und warum?
Was denkst du, ist der Grund, dass jemand Veggie wird? Aus einem Abgrenzungsbedürfnis heraus, weil es irgendwie "in" ist, so wie ne neue hippe Handtasche?
Ich weiß nicht, wie es um andre Veggies bestellt ist, aber ich kann ja mal aus meinem persönlichen Nähkästchen plaudern:
Als ich klein war, gab es niemanden, der kein Fleisch gegessen hätte. In meiner Kinderwelt hab ich mir nie Gedanken um Essen gemacht - es gab immer Fleisch, fleischhaltige Speisen, eigentlich täglich ... Lasagne, Schnitzel, und immer mit Liebe gekocht, ich hatte nie Zweifel, zumindest nicht in dieser Hinsicht, dass diese Welt ein schöner und gnädiger Ort ist und Glück und Zufriedenheit ihre Grundschwingung.
Als ich so ungefähr 10, 11, vielleicht auch 12 Jahre alt war (kann mich nicht mehr an das Jahr erinnern, dafür an das Ereignis umso besser), sind wir (wie schon öfter mal) zu einem Teil meiner Familie aufs Land gefahren. Das mochte ich immer sehr, da gab es ganz viele Tiere; freilaufende Hühner, Kälbchen, die mit ihrer rauhen Zunge die Hand abgeleckt haben, wenn man sie gestreichelt hat.
Warme Körper, große Augen, ich hab gespürt, wie sehr diese Wesen bereit waren, sich an Menschen zu binden, wie groß ihr Vertrauen war.
Ich kann es heute noch spüren, wie es sich angefühlt hat, ihnen übers Fell zu streichen, wie sie gerochen haben, wie freundlich sie mir erschienen sind - wie Freunde, die mich schon lange begleiten.
Und dann, an diesem besagten Tag, gab es ein sogenanntes "Schlachtfest" - ich hatte keine Ahnung, was gemeint war, war einfach naiv, unwissend.
Nie werde ich den MOment vergessen, als ich mit Menschen, die mich aufzogen, und die ich teilweise sehr geliebt habe, in einem kalten, sterilen Raum stand, gefliest, mit einem riesigen Etwas aus glänzendem Stahl, das wohl irgendeine Maschine zur Verarbeitung war, und sie haben etwas gegessen, das sich "Blutsuppe" nannte ... es wäre ja so gut und frisch ... es war das noch warme Blut der frisch geschlachteten Tiere.
Bis heute weiß ich nicht genau, was ich da tatsächlich gefühlt habe - aber irgendetwas in mir ist unwiderruflich zerstört worden.
Es war eine Art Verrat an allem, an das ich geglaubt habe - dass die WElt ein friedlicher, guter Ort ist, in der es den Geschöpfen in ihr gut geht ... dass Tiere geachtet und geliebt werden, so, wie ich es aus meinen zahlreichen Märchenbüchern und süßen Tierfilmen gewohnt war ... dass Fleisch essen eine Art abstrakte Tätigkeit ist, und natürlich nichts mit Grausamkeit und Mord und Schmerzen zu tun hat.
Und wer weiß, wenn dieses eine Erlebnis nicht gewesen wäre, vielleicht wäre es mir ja gelungen, die Illusion aufrecht zu erhalten, und auch jetzt noch würde ich die Augen schließen und mir einreden können, wie lecker doch die Currywurst ist (was sie unbestreitbar ist, atürlich), und einfach nicht nachdenken. Bestimmt ist es nicht selten eine besondere Art von Gnade, ein Gefühl des Davongekommenseins, wenn man nicht nachdenken muss.
An diesem Tag hab ich die ganze Bandbreite der gegenteiligen Gefühle kennengelernt, und empfinde sie noch heute bei diesem Thema:
Angst vor diesem latenten Wahnsinn der Menschheit, ihre Kuschel- und Haustiere zu vermenschlichen, und ihre Nutztiere grausam abzuschlachten, und der Selbstverständlichkeit, wie es ihnen gelingt, dies völlig ohne jegliche Emotion voneinander abzuspalten; Verzweiflung, weil ich nichts, aber auch gar nichts unternehmen kann, dass sich das jemals ändern könnte (und das sicher nicht, weil ich einen Antrieb hätte, die Welt verbessern zu wollen, sondern nur aus rein egoistischen Motiven, weil mich dies alles in so große Verzweiflung und geradezu Depression stürzt).
Nie hab ich mich jemals überlegen gefühlt, nur verlassen und verzweifelt - so, wie an diesem Nachmittag.
Weiß nicht, ob diese Zeilen dich jetzt alles in etwas anderem Licht sehen lassen; es geht mir auch nicht darum, mich zu rechtfertigen.
Vielleicht ist es der unbewusste Wunsch, dass es vielleicht eines Tages doch möglich ist, dass jedes empfindende Wesen leben darf, so lang es ihm bestimmt ist, in Frieden und ohne Gewalt.