gastric schrieb:Diskriminierung ja, nur keine strukturelle. Einen mit der geschichte gewachsenen sachverhalt allerdings auf 8 jahre zu beschränken, um dann mit diesem vergleichsweise kurzen zeitraum eine ehemalige strukturelle diskriminierung beweisen zu wollen, die aktuell gar nicht mehr stattfindet und das ganze wehrpflichtthema eh auf beide geschlechter ausgeweitet werden soll, halte ich für sinnfrei. Dass du mit dem BverfG urteil deine probleme hast, ist halt so. Ich kann sowas akzeptieren, sagt es schließlich nur aus, dass die wehrpflicht in damaliger form mit der verfassung konform ist.
Gesellschaftlich wurde die benachteiligung der männer durch die wehrpflicht schon länger diskutiert und spätestens seit dem vollen zugang für frauen auch stark kritisiert.
Nur... und das ist weiterhin der springende punkt: Wir reden weiterhin nicht von einer strukturellen diskriminierung.
Das ist jetzt spannend. Du schreibst weiter oben:
In diesem fall wäre es für den mann diskriminierend, wenn er komplett aus der erziehung ausgeschlossen wäre (also er der part wäre, der nicht darf), die frau aber darf und gleichzeitig ein pflichtjahr ablegen muss. Sie wäre hier privilegiert, weil sie das recht hat die erziehung zu übernehmen auch, wenn daraus die pflicht entsteht ein erziehungsjahr einzulegen und gleichzeitig disrkiminiert, weil ihr das ganze allein aufgrund von rollenbildern (frauchen kann gut erziehen) aufgebürdet wird. Der mann wird komplett ausgenommen, die frau komplett eingespannt. Da wird dem mann im vorfeld unterstellt, er wäre nicht zur kindererziehung geeignet, fühlt sich das nicht gut an? So ein tolles privileg sich nicht mit der erziehung der eigenen kinder abmühen zu dürfen pardon müssen. Es werden ganz einfach beide dsikriminiert.
Schönes Beispiel mit der Erziehung. Männer werden ausgeschlossen (also diskriminiert) und Frauen müssen. In diesem Fall, so schreibst du ja selbst, wären Frauen zwar privilegiert, aber
"gleichzeitig disrkiminiert, weil ihr das ganze allein aufgrund von rollenbildern (frauchen kann gut erziehen) aufgebürdet wird". Du stimmst zu, dass es Diskriminierung (auf Basis des Geschlechts) ist. Ich hoffe, wir sind uns weiterhin einig, dass es in diesem Fall (als gesetzlich festgelegte, also formalisierte Regelung) auch
strukturelle Diskriminierung wäre. Warum? Schauen wir uns mal die Definition von struktureller Diskriminierung an:
Als strukturelle Diskriminierung werden die Formen von Diskriminierung gesellschaftlicher Gruppen bezeichnet, die in der Beschaffenheit der Struktur der Gesamtgesellschaft immanent begründet liegen[...] Strukturelle Diskriminierung beruht auf eingespielten und dauerhaften, oft formalisierten und explizit geregelten institutionellen Praktiken.Wikipedia: Strukturelle DiskriminierungFalls du also so eine gesetzlich geregelte Erziehungspflicht mit Ausschluss der Männer, die sich über Rollenbilder eingelebt hat, nicht als strukturelle Diskriminierung ansiehst, fällt mir ehrlich gesagt nichts mehr ein, was ich sonst unter diesem Begriff fassen kann. Er wird dann völlig wachsweich und absolut wertlos.
Und jetzt übertragen wir das mal 1:1 auf die Wehrpflicht. Dann würdest du damit nämlich sagen, dass bis zum Jahr 2001 sowohl Männer als auch Frauen diskriminiert wurden. Frauen, weil sie komplett ausgeschlossen waren und Männer, weil ihnen diese Bürde aufgrund von Rollenbildern auferlegt wurde (Privileg + Pflicht). Es werden
„ganz einfach beide diskriminiert“, wie du oben schreibst. Das Beispiel ist völlig analog. Wenn das oben strukturelle Diskriminierung ist, dann ist es auch das. Soll heißen: Seit Einführung der Wehrpflicht (damals als Ausdruck der bestehenden Rollenbilder!) bis zu ihrer Abschaffung wurden Männer und Frauen gesetzlich (immerhin ~50 Jahre, wenn das nicht "eingespielt" und "formalisiert" ist, was dann?) dadurch strukturell diskriminiert. Eigentlich reicht das schon, bestätigt es doch genau das, was „wir“ zu vermitteln versuchen. Strukturelle Diskriminierung gegenüber Männern kam in der westlichen Welt in jüngster Vergangenheit vor. Verstärkt gilt dies noch im Zeitraum 2001 bis 2011, als Männer mussten und Frauen durften.
Dass das BverfG selbst nach der Öffnung der Bundeswehr für Frauen im Jahr 2001 noch die Verfassungskonformität bestätigt, unterstützt die Betrachtung als "strukturelle Diskriminierung" ja eigentlich nur noch (siehe Definition oben). Denn was es damit letztendlich sagt, ist "die Verfassung wurde damals gemäß der Rollenbilder absichtlich geändert, daher passt das so". Mein Punkt war: Nur weil es mit der Verfassung konform ist, kann es trotzdem Diskriminierung sein. Denn letztendlich steht in der Verfassung ja nur drin, was die Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt dort reinschreiben wollte.