Syringa schrieb:Wenn ich mit vielen Menschen in Öffis unterwegs bin, habe ich jedes Mal jedenfalls kein gutes Gefühl, auch einer der Gründe, warum ich diese Situationen meide, wann immer es möglich ist.
Auch wenn ich täglich die Öffis benutze und nicht vorhabe, das zu ändern, sind auffällige, aggressive Menschen, mit denen man entweder im Fahrzeug "eingesperrt" ist oder die einem an Haltestellen immer wieder auf die Pelle rücken, leider ein immer wiederkehrendes und meiner Meinung nach im Vergleich zu so Nickeligkeiten wie "die machen mir keinen Platz beim Aussteigen" oder "am liebsten hätte jeder einen Vierersitz für sich allein" auch ein ernsthaftes Problem.
Ich habe erst gestern mit einem Arbeitskollegen über meine sehr unangenehme Heimfahrt mit der Straßenbahn vorgestern geredet. Da ist kurz nach mir ein junger Mann in die Straßenbahn gestiegen: Sichtlich erregt bis aggressiv, ist die ganze Zeit den Gang rauf und runter getigert, hat mit sich selbst geredet und dabei so Aussagen wie "die Polizei wird mich nicht kriegen" von sich gegeben und die Taschen seiner Jacke, die er trotz 34 Grad Außentemperatur trug waren sichtlich mit allem möglichen vollgestopft. Da hätte gut und gerne auch ein Messer mit drin sein können. Aber selbst wenn nicht: Man kann auch mit der geballten Faust viel Schaden anrichten, wenn das Gegenüber sie nicht erwartet.
Man sitzt dann da und versucht, keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, aber trotzdem wachsam zu bleiben. Was auch immer einem das bringt, wenn man in der vollen Bahn quasi an den Platz genagelt ist. Ich bin dann auch erst eine Haltestelle später als geplant ausgestiegen, weil ich mit dem Typ, nachdem er den Halteknopf fast zerlegt hatte, nicht an der selben Haltestelle stehen wollte.
Und das ist jetzt auch kein Einzelfall. Und klar, Haltestellenbereiche könnte ich theoretisch verlassen. Mit der Konsequenz, dass ich meine Bahn nicht nehmen kann und ggf. zur spät zur Arbeit komme. Wenn ich sehe, dass so ein Mensch in die Bahn einsteigt, die ich nehmen will, kann ich auf die nächste warten. Aber wenn ich schon drin bin und dann so ein Mensch einsteigt, habe ich Pech gehabt.
Wobei ein Teil zumindest meiner Unsicherheit auch dadurch bedingt ist, dass ich gar nicht einschätzen kann, was meine Rechte sind. Also z.B. gerade mit so Haltestellensituationen.
Stand z.B. einmal spätabends an einer Haltestelle und habe auf den Nachtbus gewartet. Der fährt leider nicht so häufig wie die Straßenbahn. Mit mir vor Ort befand sich ein junger Mann, der sich sehr auffällig verhielt, sehr wirr dahin plapperte und mir irgendwann so auf die Pelle gerückt ist, dass ich Abstand schaffen musste. Fand er nicht so toll, aber zum Glück hat er irgendwann davon abgelassen, mir zu folgen und mich zu beschuldigen, Teil irgendeiner Verschwörung zu sein und dann kam auch endlich der Bus.
Was ich am liebsten getan hätte: Die Polizei gerufen. Warum ich es nicht getan habe: Er hatte mir ja nichts getan. Dass man sich press neben mich setzt, obwohl alle anderen Sitzbänke komplett frei waren, ist ja an sich kein Verbrechen, ebenso wenig, dass man sich, nachdem ich aufgestanden bin, immer wieder in meine Richtung bewegt. Da ist dann einfach die Angst da, dass das dann nicht ernst genommen wird. Also auf einer emotionalen Ebene. Rein rational ist vermutlich das schlimmste, was passieren kann, dass die Polizei mir sagt, dass sie da nichts machen kann. Verloren habe ich dadurch dann ja auch nichts.
Und ich glaube, das geht leider vielen so. Jetzt auch unabhängig von Öffis, so ganz allgemein im öffentlichen Raum. Die Menschen, die sich korrekt verhalten und einfach nur ihre Ruhe haben wollen, trauen sich nicht, sich Hilfe zu holen, insbesondere dann, wenn viele Menschen drumherum sind, die das auch nicht tun und diejenigen, die potenziell oder tatsächlich eine Gefahr darstellen, können sich in diesem Unsicherheitsraum ausagieren.