MissMary schrieb:Ich finde, dass eine gewisse Grundversorgung des öffentlichen Verkehrs beibehalten werden muss. Entweder - wie in Japan - öffentlicher Nahverkehr fährt weiterhin, aber der Fahrgast fährt an dem Tag kostenlos = kleine Leute werden nicht belastet, Arbeitgeber verdient aber nichts.
Oder eben zumindest ein "Notbus" oder so etwas. Den Laden komplett schließen ist sehr kontraproduktiv und schadet v.a. den Leuten, die sich keine Alternativen leisten können.
Wie willst du das denn praktisch umsetzen und mit wem? Das Gewerkschaftsmitglied kannst du nicht zwingen, an diesem Tag Bus zu fahren, immerhin gibt es Gesetze, die es ihm erlauben, an diesem Tag zu streiken. Beziehungsweise kannst du auch das Nicht-Gewerkschaftsmitglied nicht zwingen, denn auch dieses hat das Recht, zu streiken. Es verzichtet an diesem Tag allerdings gegebenenfalls auf seinen Lohn, den Gewerkschaftsmitglieder wiederum in Form von Streikgeld bekommen.
Du hast also drei Optionen:
1. Du änderst die Gesetze und zwingst Nicht-Gewerkschaftsmitglieder, an Streiktagen zur Arbeit zu gehen. Ich pack mal meine Kristallkugel aus und behaupte: Da freut sich die Gewerkschaft sogar drüber, denn so ein Mitgliedsantrag ist schnell ausgefüllt. Dann hast du das gleiche Problem in Grün und kannst dieses Mal niemanden mehr zwingen
2. Der AG stellt für den Tag/die Tage Leiharbeiter ein. Kann man machen, macht aber vermutlich wenig Sinn. Erstens dürfte das ein teurer Spaß werden und widerspricht der Aussage, dass kein Geld da ist, um die regulären Arbeitskräfte besser zu bezahlen, ja auch irgendwie. Weiterhin muss so jemand auch erst mal die ganzen Linien kennenlernen, sonst eiert da ein Bus irgendwo in der Gegend rum und niemand hat was davon. Falls es überhaupt genug Leiharbeitskräfte für die ganzen an diesem Tag zu besetzenden Stellen gibt.
3. Wieso nicht mal den AG fahren lassen? Das ist natürlich nicht ganz ernst gemeint, vielen AGs dürften die erforderlichen Qualifikationen fehlen, aber es wäre immerhin mal eine praktische Alternative zur ganzen Jammerei
MissMary schrieb:Unsere Lösung: Mein Mann fährt nun 3x morgens und 2x nachmittags die Stadt an - und steckt vermutlich fluchend im Verkehr, weil das jeder so macht. Und wir können das - was macht denn die alleinerziehende Mutter ohne Auto? Wie kommt da das Kind in die Schule? Frau Schmitt mit Mindestrente, die im 30km entfernten Krankenhaus ihren Bestrahlungstermin hat?
Und ihr seid die einzigen im Ort, die in die Stadt fahren müssen? Mit der gegebenen Vorlaufzeit lassen sich doch prima Fahrgemeinschaften bilden. Gegebenenfalls müssen dann diejenigen, die eine Stunde später hin müssen oder eine Stunde früher frei haben, halt ein bisschen warten.
Das musste ich früher auch, wenn ich erst zur zweiten Stunde aus hatte oder schon nach der fünften frei. Weil einfach nur ein Bus zur ersten Stunde oder erst wieder nach der sechsten gefahren ist. Davon, dass nach der zehnten Stunde gar kein Bus mehr zurück in mein Dorf ging und ich die Heimfahrt an solchen Tagen immer anders organisieren musste, mal ganz zu schweigen.
Und nein, meine Mutter konnte mich da nicht immer fahren. Die hatte lange kein Auto und als sie dann eines hatte, konnte sie sich nicht immer einfach frei nehmen, um ihr Töchterchen von der Schule abzuholen. Sie war zu dem Zeitpunkt bereits alleinerziehend und musste arbeiten.
MissMary schrieb:Welche Branchen zahlen denn 10%? Was machen die Rentner, die ohnehin an der Mindestrente kratzen?
Wenn Leute aus anderen Branchen sich nicht drum kümmern, dass sie keinen Reallohnverlust erleiden, ist das deren Ding. Zumal es ja auch nicht nur darum geht, was man jetzt im Geldbeutel hat, sondern auch, was man später an Rente bekommt. Ich kenne jetzt schon Leute, die neben ihrem eigentlichen Vollzeitjob noch einen Zweit- oder sogar Drittjob ausüben müssen, um sich das Leben leisten zu können. Die 10% an sich sind ja auch nicht völlig dahin fantasiert, das ist die reale Inflation.
Fedaykin schrieb:Es geht um den Umfang des Streikes. Vor allem sollte man schauen wen es weh tun soll.
Streiken in öd basiert ja auf "Geiselnahme" es schadet nicht dem AG sondern den Bürgern.
Die sollen Druck ausüben.
Es hält dich niemand davon ab, mitzustreiken oder dich wahlweise an die Verantwortlichen in deiner Gemeinde zu wenden und sie aufzufordern ihren Mitarbeitern mehr Lohn zu zahlen. Macht aber irgendwie kaum jemand. Stattdessen wundern sich dann die Leute, dass sie zum Beispiel keinen Betreuungsplatz für ihr Kind bekommen oder die Pflege im Uniklinikum mangels Personal so dürftig ausfällt.
Dass ein Streik im ÖD der Allgemeinheit weh tut, liegt ja auf der Hand, sonst wäre es kein ÖD. Nichts zu tun, weiter zu arbeiten und gegebenenfalls entweder still oder richtig zu kündigen, kann aber auch nicht im Sinne des Bürgers liegen, weil siehe oben.
Fedaykin schrieb:Welche im besonderen?
Der ÖD ist ja nun ein weites Feld. Menschen mit einem Führerschein, der es ihnen erlaubt, einen Bus zu fahren, können in die Logistik wechseln, Sparkassenmitarbeitende zu privaten Banken. Für die ganzen handwerklichen Berufe wird sich sicher in diversen Betrieben ein neuer Job finden lassen, Kinderbetreuung lässt sich auch privat organisieren (kostet die Eltern dann gegebenenfalls halt mehr), Pflege sowieso. Und selbst für die ganzen Bürojobs gibt es Alternativen. Entgegen der ganzen Klischees können die Leute da doch meistens mehr als Kaffeetrinken.
Fedaykin schrieb:Nein eigentlich die Sicherheit, die Recht gut Bezahlung, der Urlaub uva.
Ob die Bezahlung gut ist, hängt von der Stelle ab und ohne Lohnerhöhung ist die Bezahlung eben über kurz oder lang auch nicht mehr gut. Urlaub, ist nichts, was es nur im ÖD gibt und somit bleibt nur die Sicherheit. Wobei man heutzutage mehr Chancen hat, bei Jobverlust was Neues zu finden, als noch vor einigen Jahren. Also ist selbst das Risiko, in der freien Wirtschaft zu arbeiten, relativ.
Im Gegensatz dazu kann man im ÖD sein Gehalt nicht frei verhandeln. Man hat seine Eingruppierung, seine Erfahrungsstufe und das wars. Den Rest regeln die Gewerkschaften, so wie aktuell. Außerdem sammelt man je nach Arbeitsbereich schnell Massen an Überstunden an, weil chronisch zu wenig Personal da ist, man die ganze Arbeit aber irgendwie auffangen muss.
Ich kenne einige Leute mit dreistelligen Überstundenkonten. Überstunden, die man theoretisch abfeiern kann (ja, wann denn?), die einem im aber nicht, wie häufig in der freien Wirtschaft, ausbezahlt werden können.
Weiterhin wird nach wie vor an der Regel fest gehalten, dass 39 Stunden Vollzeit sind. Ganz ehrlich, ich kenne einige, die sich mit einer geringeren Lohnerhöhung zufrieden geben würden, wenn die Arbeitszeit in Vollzeit auf 35 Stunden herabgesenkt werden würde. Dass dann auch die Arbeit ganz anders organisiert und gegebenenfalls Öffnungszeiten in kommunalen Einrichtungen herunter gefahren werden müsste, mal ganz unbenommen.