Gestern war´s schon zu spät, daher ein Nachtrag mit meinen 5 cents:
Ein Aspekt kommt mir bei dem Thema hier zu kurz:
die Frage danach, wie es denn eigentlich zum Ist-Zustand gekommen ist, also der Massentierhaltung, die wir heute haben?
Beim Thema Tiere als Nahrungsmittellieferanten ist es doch nicht so, daß die Nachfrage den Markt bestimmt.
Andersrum: der Markt hat die Nachfrage bestimmt, bis heute.
Nicht der Konsument hat die letzten Jahrzehnte vorgegeben, was der Markt ihm an Art und Menge zu bieten haben soll,
sondern der Markt hat dem Konsumenten nach seinem vervielfachten Angebot anerzogen, was der für seinen eigenen Bedarf hält!
Heute steht man am Kühlregal allein schon bei der Suche nach einem Joghurt vor einem überquellenden Angebot an Marken und Sorten. Kein Konsument hat 100 Sorten gefordert – diese Auswahl gibt es aus völlig anderen Gründen (bestimmt nicht die Forderung des Kunden nach Geschmacksrichtung x) und die Produktvielfalt rechnet sich für Unternehmen auch aus ganz anderen Gründen als das die Menschen das alles konsumieren würden. So wie wir tonnenweise umsonst produziertes Brot wegwerfen, so verhält es sich mit anderen Lebensmitteln auch. Es wird nicht auf Bedarf produziert sondern nach ganz anderen Kriterien.
Beim Fleisch dasselbe: es werden heute diese Riesen-Massenanlagen „benötigt“, weil der Markt den Konsumenten aus Gründen der Profitsteigerung davon weggebracht hat, alles vom Tier zu essen: nur noch Hähnchenbrust, keine Flügel, Innereien, Füße, Hals etc.
all das wird nicht mehr selbstverständlich konsummiert.
Das „eklige“ Zeug exportieren wir heute tiefgefroren ins Ausland (und ruinieren nebenbei damit deren Markt mit Niedrigstpreisen,
bis sie zugrunde gegangen sind und wir die Lücke dann selbst füllen, mit gestiegenen Preisen, versteht sich).
Ich glaube, die meisten Bürger machen sich Illusionen darüber, wie das abläuft:
Die Redaktionslandschaft (print wie online) ist
Instrument der produzierenden Unternehmen.
Stete Berichterstattung lenkt die Konsumentensicht – was ich jetzt einfach mal wertneutral feststelle – in die ein oder andere Richtung.
Das sieht man ja seit den letzten Jahren auch schön am Thema Vegetarisch/Vegan: trotzdem Vegs der naiveren Sorte gerne glauben möchten, daß sich die Berichterstattung über VegThemen (damit meine ich alles, was von Ernährung über Infos zu Tierrechten bis Gesundheitsthemen – alles Dinge, die mit Konsum- und Konsumgütern in Verbindung stehen) selbst dadurch in die breite Öffentlichkeit gebracht hätten, weil sie mehr geworden wären oder wie es manche gern ausdrücken „weil immer mehr Leute sich Gedanken machen/aufwachen/lauter werden“. Sorry, das ist weltfremd!
Die Veg-Themen haben sich in den letzten Jahren nur deshalb (von einer negativen Darstellung über eine neutrale Besprechung der Themen) ins Positive gewandelt, weil Interessensvertreter diese Themen so positiv gesetzt und platziert haben.
Und funktioniert hat das nur, weil der Markt ein gutes Geschäftsfeld setzen konnte, aus wirtschaftlichen Gründen also.
So funktioniert das Spiel des Marktes und da ist an sich erst mal nichts verwerfliches dran.
Und inzwischen ist es soweit, daß Tierproduzierende Unternehmen ein weiteres Standbein im VegSegmenten gesetzt haben – aber ZUSÄTZLICH zu ihrem Kerngeschäft und nicht um dieses Stückweise zurückzufahren. Damit nehmen sie noch einen weiteren Kundenkreis mit.
Der_wicht hat im Clash und hier auch mehrfach darauf hingewiesen, daß Massentierhaltung mitnichten bloß an der Fleischproduktion hängt. Irgendwie ist da niemand so recht darauf eingegangen…
Die positive Auseinandersetzung der Medien mit den Themen Tierschutz, Nachhaltigkeit, Haltungsbedingungen etc. hat nur folgenden Effekt erzeugt: manche Menschen sind etwas informierter, das ja. Aber unterm Strich haben alle nur gelernt, wie sie sich gern einordnen würden und was sie nach außen vermitteln müssen um sich selbst dorthin zu heben, wo sie sich gerne sehen würden: als den reflektierten, Tierwohl- und Umweltbesorgten Konsumenten.
Ich begegne in letzter Zeit fast nie einem Mensch, der mir nicht ungefragt versichert, er kaufe Fleisch ganz bewußt, sehr selten und wenn dann vom Dorfmetzger seines Vertrauens. Selbst denjenigen, denen ich das wirklich sogar glaube, muß ich sagen:
ihr vergesst aber die Male mitzuberücksichtigen, wo ihr auswärts essen geht oder zu Gast seid. Ihr vergesst alle vollkommen die Kuchen, Kekse und Desserts, die ihr noch häufiger im Supermarkt kauft und/oder im Caféhaus oder bei Tante Emma serviert bekommt.
Ihr lasst jeden Kaffee mit Milch außer Haus unberücksichtigt.
Ganz zu schweigen von der Tatsache, daß der „bekannte Dorfmetzger“ seine Ware zumeist auch beim Großhändler kauft – in der Metro stehen diese Dorfmetzger an, um ihre Ware „aus eigener Schlachtung“ zu besorgen. Dies ist übrigens eine begriffliche Spitzfindigkeit, wie etwa „selbstgemacht“ ;-/ (vielleicht, nur von wem?) usf.
Mein Fazit: jeder weiß nun, das er sich selbst gerne als diesen „guten“ Konsumenten positioniert sehen möchte. Das beruht aber auf einer Selbsttäuschung, weil man viel ausblendet.
@der_wicht hat absolut und unbestreitbar Recht, wenn er runtergekürzt sagt: zur Massentierhaltung gibt es keine Alternative.
Das als Feststellung ausgehend vom Ist-Zustand des aktuellen Konsumverhaltens. Gute Tierhaltung, Bio usw. sind eine Illusion, über die man nicht reden braucht: das mag allenfalls nur funktionieren im Nischendasein, wird aber selbst zur Massenhaltung, wenn sowas allen dienen soll, paradox.
So einfach das Fazit:
wenn man Fleisch konsumiert (und andere Tierprodukte), muß man mit der Massenhaltung klarkommen (auch daß man mit dem eigenen Konsum daran hängt). Man kann nicht Teil des Ganzen sein aber gleichzeitig einen „Heiligenschein“ tragen. Interessant ist hier die Frage: warum möchten Menschen denn das so gerne?