Transsexuell/Bi/Schwul und Co. - Ein Aufmerksamkeitshype?
11.11.2016 um 14:55
Gerne möchte ich noch etwas zu diesem Thema sagen, dass ich ja irgendwie wieder ins Rollen gebracht habe. Ist auch der letzte Beitrag von mir über dieses Thema in diesem Thread.
Ich bin jetzt schon seit 8 Jahren in diesem Homo-Ding drin. Ich will es nicht unbedingt Szene nennen, weil ja irgendwie alles, was mit Homosexualität zu tun hat, irgendwo eine "Szene" ist. Nur die allerwenigsten geben es zu. Es hat mit einem Chat angefangen. Ich habe einen jungen Mann kennengelernt, wir kamen zusammen, war aber nur so sowas wie "Probieren". Erste Schritte. Emotionale Achterbahn. Auch meine zweite Beziehung war ein Experiment. Nichts Ernstes.
Ich war damals furchtbar schüchtern, zurückgezogen und ein klassisches "Opfer". Mit mir hat man nicht so gern geredet, vielleicht irgendwo gemocht, aber eben ein Außenseiter.
Mein Leben hat sich verändert, als ich mich spontan bei Gay-Romeo angemeldet habe. Das ist ein ganz bekannter Chatroom nur für Schwule. Ein Chat, wo es eigentlich keine Regeln gibt, keine Hemmungen, keine Moderatoren. Du kannst deine Orientierung ausleben, wie du möchtest. Ich wusste damals nicht, dass das auch irgendwo eine Eintrittskarte in einen ewigen Teufelskreis sein würde. Als ich mich angemeldet habe, ganz naiv wie ich war, und auch ein nettes Bild hochgeladen habe, war ich erstmal ernstaunt. Innerhalb von 2 Stunden hatte ich 90 Emails von mehr oder weniger willigen Männern. Es war wirklich alles dabei. 18 Jährige, 70 Jährige, Freier, Familienväter, Singles, Türken, Araber, Chinesen, Interessierte, Quickies, einfach alles. Und das war so der Schlüsselmoment: DIE Aufmerksamkeit, die einem jahrelang fehlte, war auf einmal da! Es steigerte sich immer von Tag zu Tag. Man nannte mich "Frischfleisch", "Geile Sau", hat mir sogar beträchtliche Summen angeboten, um sexuelle Dienstleistungen anzubieten, es gab auch welche, die mit dieser Ich-kenn-dich-Schiene gekommen sind. Es gab Eifersüchtige, die mir gedroht haben, mein Bild an sämltichen Bahnhöfen aufzuhängen, weil ich mich "für etwas Besseres halte", obwohl ich diese Personen gar nicht kannte. Ich war noch in einer Illusion gefangen. Endlich schien ich das gefunden zu haben, was ich gesucht habe: einen Ort, wo ich schwul sein konnte, wo ich aus dem Käfig rauskonnte, wo ich meine Meinung sagen konnte, wo es eine Gruppe gab, die mir zuhörte und die immer schön "Ja, du bist schön", "Ja, du bist geil", sagte. Es war eine ganz neue Erfahrung.
Ich blieb in diesem Chat lange Zeit, und merkte nicht, wie es mich veränderte. Auf einmal nahm man die Sprache an, die in diesen Kreise verwendet wurde: "Heterolike", "Daddy", "TG (Taschengeld)", "faker". Ich wurde immer anspruchsvoller, immer oberflächlicher. Ich habe mir nun immer nur Leute ausgesucht, die NUR in MEIN Schema gepasst haben, habe viele Leute herabwürdigend behandelt, beleidigt, habe so getan, als ob ich etwas Besseres sein als die anderen. Ich bin doch "geil". Das waren echt schlimme Zeiten. Ich merkte, dass ich immer aggressiver wurde. Im Alltag. Ich habe angefangen, gegenüber meinen Eltern schneller aufbrausend zu sein. Ich wurde zunehmend respektloser. Zeigte kaum Hemmungen, und das, obwohl wir Moslems sind und bei uns Respekt sehr groß geschrieben wird. Man hat mir immer wieder gesagt, auf meinen Bilder sähe ich "unnahbar" aus. Jemand, an dem man nicht rankommt, der viel zu weit entfernt ist, jemand, der auch nicht an sich rankommen lassen möchte. Ja, das stimmte auch. Ich find Konverstationen mit Schwulen an, und brach sie ab, sobald jemand ein falsches Wort gesagt hat. Keine Ahnung, ein Milimeter zu klein, zu dunkel, zu doof, zu langweilig. Ich war einfach auf einem Level angekommen, wo es immer schwieriger wurde, etwas Passendes zu finden. Ich weinte immer, weil ich alleine war, obwohl ich Aufmerksamkeit bekam. Das ging Jahre so.
Dann habe ich mich abgemeldet. Ich habe den Stecker rausgezogen. Schluss mit dem Quatsch. Werd normal. Ich habe halt auch gemerkt, dass man auch immer schwuler wurde, je mehr man sich mit diesen Dingen beschäftigte. Gay-Partys, Gay-Saunas, Schwule Konakte. Überall und alles nur schwul. Nichts Erwachsenes, nichts Männliches. Es ist völlig normal, dass ein Mann ein Kussmund macht. Das kannste in der Öffentlichkeit nicht bringen, aber wenn man die Realität verliert, dann wirds eng.
Nee, so wollte ich das nicht. Habe mich abgemeldet, habe dann aber gemerkt: Shit. Jetzt ist niemand mehr da. Dann wieder angemeldet, abgemeldet, angemeldet, abgemeldet. Ein Teufelskreis. Ich merkte, dass man sich zunehmend von mir abwandte. Keiner interessierte sich mehr für mich. Das wurde alles noch schlimmer. Man stand dann vor dem Spiegel und dachte sich: Mann, warum bist du so hässlich? Warum interessiert sich keiner für dich? Ich war und bin aber hübsch, und nicht hässlich. Dann fing es an: ständig zum Friseur, immer perfekte Klamotten, immer perfekt aussehen wollen, niemals 100 % zufrieden sein, kaum Selbstbewusstsein und wenn, dann nur über das Aussehen. Irgendwann habe ich angefangen, meine Augenringe zu schminken, weil ich mir hässlich vorkam. Wie bescheuert. Irgendwann habe ich nur noch 2 Hosen von 20 angezogen, weil die etwas enger waren. Ich war einfach irgendwann an dem Punkt angekommen, wo ich gesagt habe: nee, das hat keinen Sinn. Du kannst mit den anderern nicht mithalten. Du bist einfach zu hässlich. Beziehungen hielten sich in Grenzen, alle anderen schienen so glücklich zu sein, und du hockst nur herum und vesucht krampfthaft irgendjemanden zu finden, der dir passt. S...-Dates stiegen. Nur um das Selbstwertgefühl zu erhöhen. Irgendwann wollte man das auch nicht mehr. Schlimme Zeiten. Du stehst irgendwann da und denkst dir: Mist, ich habe verloren! Ich habe alles falsch gemacht. du wolltest nur einen partner finden, hast aber zutiefst verletzt, hast morddrohungen bekommen, drohungen, dass man dich verpetzt... Was bist du nur geworden? Voll das Monster!
Als ich mein mein Studium angefangen habe, vor knapp einem Jahr, hat alles zum Glück aufgehört. Ich habe gemerkt, dass ich es bin, der sich selbst ins Aus geschossen hat. Die Anderen sehen nicht besser aus, man kommt einfach selbst nicht mehr mit sich zu recht. Es gibt so viele Mesnchen, die zu mir gesagt haben, dass ich doch sehr schön bin, was ich denn habe, aber man will es einfah nicht wahrhaben. Man denkt, man muss gut aussehen, um dazuzugehören. Ich bin froh, dass das alles vorbei ist. ich führe jetzt ein normales leben und bin nicht mehr in GayRomeo angemeldet. Es gibt dort Leute, die geistern seit fast 20 Jahren (!) herum und bleiben hängen. Stehen an irgendwelchen Kabinen in Gay Saunas und hoffen, dass irgendjemand auch nur einen Hauch von Interesse zeigt. Ich hab einen Mann mal dort gesehen, der hat sich in eine Ecke verkrochen und saß dort im Dunkeln 4 Stunden lang, weinen, weil sie alleine sind und alt. Wie ein Penner. Richtig krass sowas und man selbst sieht gut aus und die rennen dir alle hinterher.
Seit meinem Studium habe ich eben andere Gedanken als das alles vorher. Die Anmeldung und diese ganzen Erlebnisse waren ein Fluch und ein Segen. Ein Segen deshalb, weil es mich auch positiv verändert hat. Ich bin viel mehre aus mir rausgekommen habe mich selbst gefunden, ich weiß wer ich bin, ich wusste das jahrelang nicht. ich traue mich meine meinung zu sagen und habe auch kaum hemmungen wenn es um dieses thema geht. ich bin kaum schüchtern und rede gerne über dieses thema. ich habe viele freunde gefunden hier in der neuen stadt, obwohl ich mich ganz alleine hier eingelebt habe. ein Fluch deshalb wie zuvor beschrieben. Es hinterlässt auch spuren. aber ich gehe gut damit um.
PS: Nein ich habe kein AIDS, ich bin auch kein Escort und ich bin nicht promiskuitiv.
So, und damit verabschiede ich mich nun!
Vielen Dank fürs lesen!