Der Mensch Jens Söring
28.12.2018 um 01:56Rick_Blaine schrieb am 24.12.2018:Erst mal ist es nicht ungewöhnlich, den Grundsatz "in dubio pro reo" nicht zu verstehen. Er besagt keineswegs, dass wenn ein Zweifel an einem Indiz, an einem einzigen Teil des Ganzen besteht, der Angeklagte freizusprechen ist. Er bedeutet vielmehr, dass wenn nach Würdigung aller Beweise, Indizien usw. zusammen Zweifel an der Schuld bestehen, dann freizusprechen ist.Nein, Ersteres wollte ich auch nicht implizieren. Mir geht es schon um die Beweislast als ganzes nicht um ein einziges Teil.
Was den Rest angeht:
Sicher, das Urteil steht und rechtlich gibt es keine wirklich hinreichende Grundlage um daran zu rütteln.
Doch was die Jury angeht wurde doch eben die mitunter von den unzureichenden Beweisen überzeugt, die eigentlich nicht so hätten vorgeführt werden dürfen, beziehungsweise die Prozessführung war im Nachhinein alles andere als Astrein, der Richter wahrscheinlich befangen und Sörings Verteidigung hat es übersehen gewisse Missverhältnisse zu monieren.
Wenn man vom rein rechtlichen weggeht gibts es mit Jurys das gigantische Problem, dass diese oft von Äußerlichkeiten zu sehr beindruckt sind und ihre Zusammensetzung ggf. gar über den Prozess entscheiden kann. Bestes Beispiel dafür ist sicherlich O.J. Simpson wo die Jury hauptsächlich aus Schwarzen bestand und wo diese sich ebenfalls durch Showeffekte beindrucken lies (der Gag mit dem Handschuh ist gar ziemlich vergleichbar mit dem Sockenabdruck). In diesem Fall war Söring sowohl ein Ausländer, der es durch den EUGH gar erfolgreich schaffte sich der gängigen amerikanischen Gesetzgebung zu entziehen, und außerdem scheint mir sein Auftreten im Prozess alles andere als charismatisch. Beides würde ich vermuten kam bei der Jury alles Andere als gut an. Das finde ich lässt alle Male die Frage zu was hier eigentlich bewertet wurde.
Die Frage ist ja was wirklich überzeugend seine Schuld untermauert und da sehe ich nichts was für mein Verständniss (keine Pauschalaussage) reicht. Das was am stärksten gegen ihn spricht ist eigentlich, dass seine Geschichte stellenweise unplausibel ist, aber das reicht einfach nicht, auch nicht wenn man den Rest des Puzzles in Betracht zieht. Ich finde es ja legitim, wenn man sich selbst so seines dabei denkt, aber den Grad der Überzeugung der hier teilweise an den Tag gelegt wird/wurde (die letzten Posts waren eher besser als in meiner Erinnerung), finde ich doch eher erschreckend.
Ich bin auch kein Fan von Pauschalaussagen, allerding bin ich ein ziemlicher Subjektivist, also wenn jemand dagegen halten will und erklären will inwiefern der Prozess alleine Sörings Schuld hinreichend belegen konnte, bin ich ganz Ohr. Das ist wohlgemerkt aber nicht das Gleiche wie die Frage ob er tatsächlich schuldig ist oder nicht (ich denke die kann man ohnehin nicht eindeutig beantworten).
Venice2009 schrieb am 24.12.2018:Da verweise ich auf andere Fälle, was schon ausreichend ist um jemanden lebenslänglich, selbst hier bei uns in Deutschland, wegzusperren. Ohne Geständnis, ohne Flucht etc.Flucht und Geständniss sind beides nicht unbedingt überzeuegende Beweise. Kleinkriminelle neigen im Allgemeinen zur Flucht und viele Geständnisse sind falsch. Davon abgesehen gibt es doch in Deutschland genauso Fälle, die ziemlich zweifelhaft erscheinen. Ebenso gab es auch schon Gerichtsprozesse, die in allen niederen Instanzen das gleiche Urteil erzielten und dann in Karlsruhe gekippt wurden (dazu muss ich sagen, dass ich unseren Bundesgerichtshof in Karlsruhe prinzipiell tatsächlich sehr schätze). Nur weil ein Gericht etwas beschlossen hat, heißt das keineswegs unbedingt, dass das sich wirklich mit unserer Rechtsprechung deckt, Richter sind schließlich auch nur Menschen (und nicht alle Richter sind gleich gut!). Natürlich sollte man idr. von der Richtigkeit und Rechtmäßigkeit der Rechtsprechung ausgehen, unbedingtes Vertrauen halte ich allerdings für falsch. Es werden genug Unschuldige Verurteilt (wie sonnst auch falsche Urteile gefällt) und das sind nur jene, bei denen es sich ziemlich sicher beweisen ließ, dass sie doch unschuldig waren. Ebenso wird es auch Fälle geben bei denen unschuldig Verurteile weniger Glück hatten.
Siehe dafür z.B. Wikipedia: Justizirrtum
oder auch Wikipedia: Liste von Justizirrtümern in der deutschen Rechtsprechung
Allerdings vertraue ich der deutschen Rechtsprechung natürlich deutlich eher als der US-Amerikanischen.