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Der Mensch Jens Söring

40.372 Beiträge ▪ Schlüsselwörter: Mord, Kino, Gefängnis ▪ Abonnieren: Feed E-Mail
Zu diesem Thema gibt es eine von Diskussionsteilnehmern erstellte Zusammenfassung im Themen-Wiki.
Themen-Wiki: Der Mensch Jens Söring

Der Mensch Jens Söring

04.10.2018 um 22:46
Zitat von mr_majesticmr_majestic schrieb:Scharfsinnig derjenige, der feststellt, dass sich alles in 2 Richtungen ableiten lässt.
Mit viel Phantasie und noch mehr Chuzpe lässt sich freilich alles in zwei Richtungen ableiten. Aber wie erklärst Du Dir, dass ein anständiger Mensch so über seine Mordgelüste an den (Schwieger-) Eltern schreiben kann?

Allein dafür hätte Söring den Besuch von Knecht Ruprecht verdient. :troll:


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Der Mensch Jens Söring

04.10.2018 um 23:06
Zitat von Mr.StielzMr.Stielz schrieb:die er umdeuten und irgendwie wegerklären muss. Zuviele mißgünstige, undankbare, skrupellose, selbstsüchtige, karrieregeile Intriganten, die ihm an den Kragen wollen; von der Hexe Lizzy, der er das Leben gerettet haben will, bis zu Scotland Yard. Dazu er, der unschuldige Held, der jahrelang alles über sich ergehen hat lassen und sogar noch willig mitgemacht.

Mit viel Phantasie und noch mehr Chuzpe lässt sich freilich alles in zwei Richtungen ableiten. Aber wie erklärst Du Dir, dass ein anständiger Mensch so über seine Mordgelüste an den (Schwieger-) Eltern schreiben kann?

Allein dafür hätte Söring den Besuch von Knecht Ruprecht verdient. :troll:
Vielleicht klappts auch einfach mit weniger Volkstum....

Und bevor sich wieder der nächste juristisch aufs Glatteis begibt. Schau erst mal nach was "Mordgelüste" bedeutet.
Formuliere doch bitte einfach mal präzise....

Aber vielleicht hat er sich die blutige Hand auch einfach in den Mund gesteckt und es vergessen...


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Der Mensch Jens Söring

04.10.2018 um 23:27
Zitat von mr_majesticmr_majestic schrieb:Formuliere doch bitte einfach mal präzise....
Dir zuliebe: Elizabeth Haysom hat es nach dem Mord an ihren Eltern gelüstet. Söring ist auf ihre Bedürfnisse eingegangen und hat sich diese Mordgelüste zueigen gemacht.

Auf Logik und Präzision verzichte ich derzeit übrigens bewusst ;)

Womit übrigens immer noch nicht geklärt wäre, wie Du einen derartigen Briefeschreiber für einen anständigen Menschen halten kannst. Geh ruhig in Dich und lass Dir Zeit, die nächsten paar Tage bin ich leider gut beschäftigt.


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Der Mensch Jens Söring

04.10.2018 um 23:38
Zitat von mr_majesticmr_majestic schrieb:wir gibt schon selbstsicher mit 18 einen Doppelmord aus Liebe zu für jmd anderen....
Einer, der hochintelligent und methodisch ist, so hochmütig und manipulativ wie Jens Söring und - unschuldig und aufrichtig nur seine große Liebe retten will. Der würde das hinbekommen, davon bin ich überzeugt. Aber ein schuldiger, hochmütiger JS, der abgebrüht einen Doppelmord begehen konnte und die gesamte, für einen lebensunerfahrenen 18jährigen erstaunlich kreative und nachhaltige Logistik des Nachtatverhaltens übernommen hat, der würde auch absichtlich Fehler einbauen, weil er in erster Linie seine Haut retten will.


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05.10.2018 um 00:50
Zitat von BluelleBluelle schrieb:Für mich ist Updike schon aus diesem Grund ein ganz pöser, ich mag, in keiner Art, irgendwelche Manipulationen.
@Bluelle
Irgendwie hat er Elisabeth auch nicht so hart angefasst, habe ich empfunden.
Kein so bohrendes Nachfragen oder wie bei Jens Aussagen, diese kritischer zu untermalen für die Geschworenen


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 04:49
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:soweit ich das richtig verstanden habe, hat die Staatsanwaltschaft in den USA im Gegensatz zu unserer Staatsanwaltschaft eben eine andere Rolle?
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:Es wäre somit die Aufgabe seines Anwalts gewesen, Zeugen zu finden, die keine Verletzungen gesehen haben. Nicht die Aufgabe von Updike, wie das immer wieder hier fälschlich behauptet wird.
Der entscheidende Unterschied zwischen dem amerikanischen (angelsächsischen) System und dem deutschen (napoleonischen) System liegt in der Rolle der drei Juristen, die am idealen Prozess beteiligt sind, das stimmt schon. Der Hauptunterschied liegt in der Rolle des Richters. Im deutschen System ist es der Richter bzw. die Kammer, die investigativ die "Wahrheit" herausfinden soll. Daher vernehmen diese Angeklagte, Zeugen, Opfer und so weiter relativ intensiv.

In den USA ist das ganz und gar nicht Aufgabe des Richters. Er ist lediglich eine Art Schiedsrichter der dafür sorgen soll, dass beide Seiten eine faire Möglichkeit haben, ihren Fall darzustellen, icl. aller Vernehmungen usw. Entscheiden über Schuld und Unschuld muss dann in der Regel die Jury.

Verteidiger und Anklagevertreter haben bewusst eine antagonistische Rolle: beide versuchen auf Basis ihrer Überzeugungen die Jury von Schuld oder Unschuld zu überzeugen. Anders als im deutschen System sind sie es allein, die entscheiden, wer als Zeuge vernommen wird, welche Beweismittel eingebracht werden sollen, welche Fragen gestellt werden usw. Wie bemerkt, in Deutschland ist das weitgehend der Richter.

Es gibt in den USA den Zwang zur "discovery," dem gegenseitigen Austausch aller Beweismittel. Niemand soll vor Gericht von der anderen Seite überrascht werden können, alle sollen genug Gelegenheit haben, auch gegnerische Zeugen befragen oder hinterfragen zu können usw. Daher funktioniert was typischerweise in Fernsehserien gezeigt wird in der Realität nie: der geviewte Anwalt, der den Überraschungszeugen bis zum dramatischen Auftritt im Gerichtssaal geheim hält... das gibt es so nicht mehr.

Discovery bedeutet also, dass hier in diesem Fall die Verteidigung davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass man ein Indiz vorlegen werde, das JS mit einer typischen Verletzung zeigt, wie sie nach einer Messerstecherei vorkommen kann. Nun ist es an der Verteidigung, daraus etwas zu machen oder nicht.

Hier allerdings muss die Anklagevertretung auch alles entlastende Material, das sie im Rahmen ihrer Ermittlungen gefunden hat, der Verteidigung übergeben. Damit wird man der Tatsache gerecht, dass der Staat in der Regel einfach die besseren Möglichkeiten zu Ermittlungen hat. Und, wenn diese so überwiegend sind, sollte auch in den USA der Staatsanwalt verzichten, Anklage zu erheben. Das passiert hier sehr oft, da Staatsanwälte nicht gerne verlieren. Viele der Fälle, die die Polizei zu ihnen bringt, werden abgelehnt, weil der Staatsanwalt nicht überzeugt ist, dass die Beweise ausreichen, eine Verurteilung zu erreichen.

Das ist immer eine strategische Entscheidung: spielt so etwas eine Rolle? Wie wird die Jury auf die Information reagieren? Welche Gründe könnte es geben? Wie glaubwürdig sind die Zeugen? Gibt es Zeugen, die das Gegenteil sagen können? Wie glaubwürdig sind diese Zeugen?

Manchmal gibt es durchaus gute Gründe, als Verteidiger so etwas zu versuchen zu ignorieren, in der Hoffnung, dass die Jury das auch vergessen wird. Hier in unserem Fall wäre zu fragen: wie glaubwürdig ist der Zeuge, dass er sich wiklich an diese Tatsache erinnern kann, an diesem Tag hatte JS die Verletzung usw usw.

Wenn die Aussage sehr fundiert ist, weil der Zeuge z.B. einen guten Grund hat, sich darin zu erinnern (z.B. ich habe ihm damals ein Pflaster gegeben) und die Verteidigung nur ein paar generelle Zeugen bringen kann, die nichts gesehen haben, aber eben auch gar nicht genau hingesehen haben, dann kann ich durch das Paradieren dieser Zeugen bei der Jury am Ende genau das Gegenteil erreichen: dass sie sich sehr wohl an den Zeugen der Anklage erinnert, dem gegenüber die Verteidigung nichts überzeugendes zu bieten hatte.

Wie schon mal gesagt, man stellt sich hier ein Strafverfahren oft ganz falsch vor. Die Verteidigung hier war sicherlich nicht so grottenschlecht wie manche denken und die Anklagevertretung nicht so pöse, wie manche es gerne hätten.

Am Ende zählen die Beweise. Vor Jahren habe ich meinen ersten Wiederaufnahmeantrag verloren. Der Staatsanwalt kam zu mir und sagte: Machen Sie Sich nichts draus, Sie haben sehr gut argumentiert, aber sie haben nun mal mit dem Mandanten zu tun, den sie haben.

Voriges Jahr, als wir ein anderes Wiederaufnahmeverfahren gewonnen haben, war es genauso: die Staatsanwaltschaft hatte wie ein Löwe gekämpft, mit sehr harten Bandagen aber am Ende siegten einfach unsere überzeugenderen Beweise.


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 07:21
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Die Verteidigung hier war sicherlich nicht so grottenschlecht wie manche denken und die Anklagevertretung nicht so pöse, wie manche es gerne hätten.
Danke, ein sehr interessanter Beitrag und verständlich erklärt.

Der zentrale behauptete Trick war ja hier die Darstellung der Ähnlichkeit beim Sockenabdruck mit Jens Sörings Fuß. Für einige hier besteht wirklich eine frappierende Ähnlichkeit, damit also ein aussagekräftiges Indiz, andere meinen, der Abdruck könne nahezu jedem beliebigen Fuß, vor allem auch dem von Elizabeth zugeordnet werden und der gehörte Sachverständige habe außerdem keine Kompetenz zur Auswertung von Abdruckspuren gehabt. Die übereinandergelegten Folien zum Beweis der passenden Fußform seien folglich eine reine Suggestion, ein "Zaubertrick" der Anklage, um Jens Söring als Täter hinzustellen.

Wenn man deine Ausführungen liest, war der Verteidigung ja im Vorfeld wohl klar, dass die Ähnlichkeit im Prozess vorgetragen wird. Wenn JS sicher war, dass es nicht sein Abdruck sein kann, hätte sich die Verteidigung darauf nicht vermutlich viel vehementer eingelassen und weitere Untersuchungen angestrebt?


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05.10.2018 um 07:48
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Wenn man deine Ausführungen liest, war der Verteidigung ja im Vorfeld wohl klar, dass die Ähnlichkeit im Prozess vorgetragen wird. Wenn JS sicher war, dass es nicht sein Abdruck sein kann, hätte sich die Verteidigung darauf nicht vermutlich viel vehementer eingelassen und weitere Untersuchungen angestrebt?
Zuvor muss ich sagen, ich kenne den Fall JS genau wie alle anderen hier nur aus den Medien. Als er sich ereignet hat, war ich gerade erst mit meiner Ausbildung fertig und noch lange nicht in Mordfälle verwickelt :)

Aber Du hast ganz Recht: auch der dümmste Verteidiger musste wissen, dass diesem Fussabdruck oder Sockenabdruck eine ganz zentrale Rolle zukommen würde. Der Verteidigung stand selbstverständlich im Rahmen der discovery auch alles Material zur Verfügung. Und anders als in Deutschland brauchte die Verteidigung keinerlei Genehmigung des Gerichts um einen eigenen Sachverständigen zu beauftragen, ein Gegengutachten anzufertigen.

Wir wissen heute auch gar nicht, was die Verteidigung unternommen hat und untersucht hat. Denn die Öffentlichkeit sieht ja immer nur das Ergebnis der Überlegungen. Ich wäre allerdings sehr verwundert, wenn die Verteidigung nicht diesen Abdruck eingehend untersucht hätte.

Ich kenne hier nur die Wiedergabe in den Medien, ich war nicht im Gerichtsaal, aber ich kann das Urteil der Jury, dass es sich bei dem Abdruck um den des JS handelt durchaus nachvollziehen. Mir kommt es auch so vor. Mit grossem Interesse würde ich als Jury-Mitglied nun einer Präsentation der Verteidigung entgegensehen, die beweist, dass dem nicht so ist.

Vielleicht erinnern sich einige hier an den berühmt/berüchtigten O.J. Simpson Prozess. Die Staatsanwaltschaft brachte einen blutdurchtränkten Handschuh in den Prozess ein, der auf OJ's Grundstück gefunden wurde, das Blut war das eines der Opfer.

Und siehe da. Die Verteidigung brauchte nicht einmal irgendwelche teuren Sachverständigen mit zehn Doktortiteln um in diesem Moment den Mammutprozess zu gewinnen. Es brauchte nur den inzwischen zum geflügelten Wort gewordenen Satz von Anwalt Johnnie Cochran, der nach einer gefühlten Ewigkeit, in der es OJ Simpson nicht gelang, den Handschuh anzuziehen sagte: "If it doesn't fit you must acquit! (Wenn er nicht passt müssen Sie freisprechen!)"

Das sage ich hier, weil dauernd ein Brimborium um die angebliche Qualifikation oder nicht-Qualifikation des Zeugen gemacht wird, der den Abdruck der Jury vorgestellt hat.

Meine Erfahrung mit Juroren ist, dass sie in solchen Fällen absolut nichts darum geben, wie gebildet und mit wievielen Doktortiteln da jemand kommt oder nicht. "If it doesn't fit you must acquit!" Die Jury glaubt vielmehr ihren eigenen Augen!

Die Staatsanwaltschaft im Simpson Prozess brachte nach diesem desaströsen Moment einen Doktortiteltragenden Experten, der lang und breit erklärte, dass das viele Blut das feine teure Leder zum Schrumpfen gebracht hatte..... alles für die Katz: "If it doesn't fit, you must acquit!"

Hier in unserem Fall genau umgekehrt: Man kann der Jury hundertmal erzählen, dass der angebliche Experte sich doch nur mit Autoreifen auskenne und... Die Antwort der Juroren war offensichtlich: "If it does fit, you must convict! (Wenn er passt musst Du verurteilen)"

In solchen Momenten traut die Jury aus ganz "normalen Menschen" lieber ihren eigenen Augen als irgendwelchen hochtrabenden Titeln.

Daher ist das ganze Gerede vom "Reifenexperten" kompletter Blödsinn. Was ich als Verteidiger hier getan hätte: ausgehend von der einzig vernünftigen Alternative zum Alleintäter JS, dem gemeinschaftlichen Mord durch JS und EH oder der alleinigen Tat durch EH hätte ich mir ihren Fussabdruck genau angesehen und mit dem vom Tatort genau verglichen. Und wenn ich dann selbst gesehen hätte, dass er besser passt als der von JS - dann hätte ich das der Jury präsentiert. Wenn mir dann auch noch so ein schlauer Satz eingefallen wäre, wie damals Johnnie Cochran... :)

Wenn das aber nun nicht gelungen wäre, wenn ich das Gefühl gehabt hätte, die Jury wird eher den Abdruck des JS hier im Tatortabdruck wiedererkennen... tja, dann hätte ich ein Problem gehabt. Dann hätte ich ein eindringliches Gespräch mit meinem Mandanten geführt.


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 07:59
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Rick_Blaine schrieb:
Die Verteidigung hier war sicherlich nicht so grottenschlecht wie manche denken und die Anklagevertretung nicht so pöse, wie manche es gerne hätten.
Ich finde man sollte bei den angemessenen Termini bleiben...Und da steht für mich "fair" im Raum.
Gardner findet sich fair weil der Sockenabdruck nicht manipuliert war
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Wir wissen heute auch gar nicht, was die Verteidigung unternommen hat und untersucht hat. Denn die Öffentlichkeit sieht ja immer nur das Ergebnis der Überlegungen. Ich wäre allerdings sehr verwundert, wenn die Verteidigung nicht diesen Abdruck eingehend untersucht hätte.
Nach so zweifelhaften Dingen wie unterschlagene entlastende Informationen durch Updike ist die Frage ob die Verteidigung
alle interpretationsfähigen Beweismittel zur Verfügung gestellt hatte.

Alle Schuh-, Fuß und Sockenabdrücke.

Für mich hat man sich für den Prozess denjenigen Fussabdruck von JS ausgewählt, der am nächsten zum LR3 war und
von EH den Abdruck der am weitesten weg war (jeweils Tintenabdrücke).
Das Ergebnis der Berufung war ein "Patt" in Sachen Passform. Alleine darin sollte selbst @Sep13 bemerken, wie
aussagekräftig der Abdruck ist. Interssanter finde ich den linken Abdruck und die Schuhabdrücke die bezeichnender Weise nicht
markiert und offensichtlich nicht als Beweismittel zugelassen wurden. Spätestens beim linken Sockenabdruck der eindeutig von einer anderen Person ist als der rechte, fallen alle Erklärungsversuche raus (Ermittler etc.).


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 08:01
@Rick_Blaine
danke dir für die ausführlichen Erläuterungen, zum amerikanischen Strafsystem.
Zitat von mr_majesticmr_majestic schrieb:Für mich hat man sich für den Prozess denjenigen Fussabdruck von JS ausgewählt, der am nächsten zum LR3 war und
von EH den Abdruck der am weitesten weg war (jeweils Tintenabdrücke).
Das Ergebnis der Berufung war ein "Patt" in Sachen Passform. Alleine darin sollte selbst @Sep13 bemerken, wie
aussagekräftig der Abdruck ist. Interssanter finde ich den linken Abdruck und die Schuhabdrücke die bezeichnender Weise nicht
markiert und als Beweismittel zugelassen wurden. Spätestens beim linken Sockenabdruck der eindeutig von einer anderen Person ist als der rechte fallen alle Erklärungsversuche raus (Ermittler etc.).
danke das du das schreibst. Für DICH, was eben nicht bedeutet, dass es so gewesen ist. Dir ist schon bewusst durch wieviele Instanzen JS ist? meinst du tatsächlich, sowas wäre unberücksichtigt geblieben? Wenn man diese tatsächlich unterschlagen hätte, wie du behauptest?


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05.10.2018 um 08:14
@mr_majestic
andere Frage, warum wurden nie die anderen Abdrücke veröffentlicht? In diesem Buch z. B. der Fall leicht erklärt? Wundert mich doch ein wenig. Denn das könnte man ja anhand der Unterlagen belegen. Wieso macht man das denn nicht? Die Abdrücke vom Tatort von den angeblichen fremden Fußabdrücken sind doch auch veröffentlicht worden? Also die Rechte diesbezüglich scheinen nicht das Problem zu sein ;) Oder gibt es gar keine Abdrücke, die dem von JS nicht ähneln ;) Scheint ja fast so, ansonsten wurde bisher immer alles veröffentlicht. Woher also weiß du das es diese Abdrücke gibt?


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05.10.2018 um 08:29
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:Wenn man diese tatsächlich unterschlagen hätte, wie du behauptest?
Das ist wieder eine komplett falsche Vorstellung von einem normalen Vorgehen in einem Prozess.

Nehmen wir an, wir haben drei Fussabdrücke und einen Abdruck eines Verdächtigen. Die drei wurden an verschiedenen Stellen des Tatorts gefunden.

Der Staatsanwalt hat nun die freie Wahl der Jury vorzustellen:

-einen Abdruck im Vergleich zum Angeklagten. Den, der seiner Meinung nach am besten passt.
-zwei Abdrücke... die beiden, die am besten passen.
-alle drei Abdrücke...
-oder auch gar keinen Abdruck, wenn diese im Vergleich den Fall aus seiner Sicht nicht weiterbringen, also nicht die Schuld des Angeklagten untermauern können.

Er hat die Wahl. Entscheidet er sich nun dafür nur einen als Indiz einzubringen, ist das ok. Es ist seine freie prozesstaktische Entscheidung. Allerdings muss er, wenn die Polizei alle drei Abdrücke gefunden hat, alle drei der Verteidigung zur Verfügung stellen. Wenn er selbst dann nur einen vorstellt, hat das gar nichts mit Unterschlagung zu tun.

Nun bekommt also der Verteidiger die drei plus den Vergleichsabdruck.

Auch der Verteidiger hat die Wahl: alle, zwei, einen oder gar keinen Abdruck einzubringen, ganz unabhängig davon, was der Staatsanwalt wählt.

Nehmen wir nun mal an, es gäbe unter den drei einen, der dem des Angeklagten sehr ähnlich sieht, und zwei, die weniger ähnlich sehen. Wenn der Verteidiger nun nur diese beiden einbringt, würde man dann auch so vehement von "Unterschlagung" reden?

Man muss sich wirklich einmal die Mühe machen, das adversatorische System zu verstehen: es obliegt jeweils der eigenen Seite, Anklagevertretung oder Verteidigung, die Beweismittel vor Gericht zu bringen, die der eigenen Sache dienen. In diesem System kann man sich nicht zurücklehnen und darauf warten, dass die Gegenseite das tut. Es wäre wohl auch unsinnig, würde man z.B. von der Verteidigung erwarten, alle belastenden Indizien gegen den eigenen Mandanten in den Prozess einzubringen.

Von Unterschlagung kann nur dann die Rede sein, wenn eine Seite ent- oder belastende Beweismittel hat und sie der anderen vorenthält. Vor allem, wenn es um entlastende Beweise geht (Brady v. Maryland). Das ist dann ein Revisionsgrund.

Hier aber ständig so zu tun, als ob der Staatsanwalt der Böse war, der den ganzen Prozess zuungunsten des unschuldigen Angeklagten manipuliert hat... das funktioniert nur im Fernsehen.


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05.10.2018 um 08:30
@Rick_Blaine
Ich muss sagen, du bringst hier mit deiner Erfahrung nochmal einen erweiterten Blick auf den Fall.

Mich würde deine Einschätzung zu den DNA-Spuren interessieren. Wären diese als neue Beweise für einen WAV-Antrag grundsätzlich geeignet?

Zur Beeinflussbarkeit der Jury - ein bisschen Show ist es ja wohl durchaus gewesen. Wie eben auch im Fall  OJ Simpson. Aber eben nicht ohne Hintergrund.

Hier eine Beweisunterschlagung und ein Passendmachen zu behaupten, geht definitiv zu weit. @mr_majestic - deine Gegenbeweisideen in allen Ehren. Ich glaube nicht an eine Verschwörung. Jens Söring und seine Verteidigung hätten längst alle angeblich für einen anderen Täter sprechenden Spuren und Indizien prüfen und vorbringen können und müssen.

Vor allem, wenn man bedenkt, wie schlau der Verurteilte ist, ist seine Erfolglosigkeit bei seiner Verteidigung damit zu erklären, dass er nunmal schuldig ist und er deswegen keine Möglichkeiten hat, seine Unschuld zu beweisen.


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05.10.2018 um 08:37
@Rick_Blaine
danke dir nochmal für deine informativen Erläuterungen. So wie ich @mr_majestic verstanden habe, hat die Staatsanwaltschaft eben nicht alle Abdrücke weitergeben. Ansonsten wüsste ich auch nicht, warum er von einer Unterschlagung ausgeht.


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05.10.2018 um 08:45
O.J.Simpson:
Glaubt irgend jemand dass dieser Mann unschuldig ist. Nicht wirklich oder?

Was das mit Rechtssystem zu tun hat bleibt mir unerklärlich, auch wenn es in ausführlicher Weise hier aufgeführt wird.
Es hat mit Moral nichts zu tun und auch nicht mit Gerechtigkeit.
Für mich sind das unlautere Mittel um zu einem Sieg zu gelangen. Wenn das in Amerika oder sonst in einem Land als
die Realität gesehen wird, dann soll es so sein, aber man muss solche Methoden nicht gut finden.


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05.10.2018 um 08:46
Zitat von Seps13Seps13 schrieb:Ich muss sagen, du bringst hier mit deiner Erfahrung nochmal einen erweiterten Blick auf den Fall.

Mich würde deine Einschätzung zu den DNA-Spuren interessieren. Wären diese als neue Beweise für einen WAV-Antrag grundsätzlich geeignet?

Zur Beeinflussbarkeit der Jury - ein bisschen Show ist es ja wohl durchaus gewesen. Wie eben auch im Fall OJ Simpson. Aber eben nicht ohne Hintergrund.
Danke. Ich hatte mich ja früher schon mal beteiligt, aber dann angesichts der sehr verhärteten Fronten zurückgezogen. Es ist aber schade, wenn man immer wieder ganz falsche Vorstellungen vom System zu lesen bekommt.

Ich bin Strafverteidiger, ich stelle also durchaus beruflich immer wieder die Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft in Frage, ich habe auch schon Wiederaufnahmeverfahren gewonnen, in denen es ähnlich wie hier darum ging, ein einmal ergangenes Urteil in Frage zu stellen - gegen allen Widerstand, den es dann gibt. Ich sage das um deutlich zu machen, dass ich an diesen Fall hier nicht mit der Einstellung gegangen bin, Polizei, Staatsanwaltschaften und Juries haben immer Recht. Im Gegenteil. Aber je mehr ich mich mit diesem Fall beschäftigt habe, desto mehr bin ich der Auffassung, in diesem konkreten Fall hier hatten sie Recht.

Dennoch, ich kenne keinen Beteiligten persönlich und habe nur die Kenntnisse aus den Medien. Daher bin ich auch vorsichtig, ein Urteil über die neuen angeblichen DNA Beweise zu fällen. Dazu müsste ich mir die Gutachten selbst durchlesen usw.

Ich gebe nur zu bedenken, dass aus juristischer Sicht im derzeitigen Punkt des Verfahrens es nicht mehr ausreichend ist, nur eine "mögliche" andere Version des Tatverlaufs darzustellen. Jetzt muss JS seine Unschuld beweisen. Und ob die dargestellten "neuen Beweise" das vermögen - da habe ich Zweifel. Denn selbst ein Nachweis, dass noch eine weitere unbekannte Person am Tatort gewesen ist, widerlegt ja keineswegs die Annahme, dass sich JS dort auch befunden und dort die Tat begangen hat. Das wird immer wieder übersehen.

In einem Fall, in dem ich selbst tätig war, war das ganz ähnlich: am Tatort wurde unbekannte DNA gefunden und die Unterstützer und Familienangehörigen des Verurteilten forderten, das Urteil deswegen aufzuheben. Auch sie wollten erst nicht einsehen, dass die Anwesenheit einer weiteren Person ohne mehr über diese zu wissen, ein völlig unbrauchbares Beweismittel ist. Die DNA kann vom tatsächlichen Mörder sein, von einem Tatbeteiligten, einem Zeugen, einem später hinzukommenden Zeugen, gar einem Ermittler... Wenn man nicht mehr hat als eine unidentifizierte DNA Spur hilft das nichts. Wir haben das WAV ganz anders gewonnen, indem wir nachweisen konnten, dass der Verurteilte nicht am Tatort gewesen sein konnte. Bis heute weiss niemand, von wem die DNA ist, die gefunden wurde.

So auch hier: Soweit ich gelesen habe, ist nicht einmal zweifelsfrei geklärt, ob es sich nicht um eine Verunreinigung der DNA handeln könnte, die erst nach der Tat passierte. Daher kann ich dazu nicht viel sagen.

Wenn, dann muss man immer den ganzen Wald im Auge behalten, nicht nur einen Baum anschauen. Einige sagen, das sei nun der Beweis für ein Szenario EH+X. Dagegen ist zu sagen: weder gibt es Beweise für die Anwesenheit von EH, noch gibt es irgendwelche anderen glaubwürdigen Indizien die auf eine Verbindung EH mit X hinweisen, wenn man einmal darüber nachdenkt, dass nicht jeder X sich einfach mir nichts dir nichts auf einen Doppelmord einlässt, keine weiteren Spuren hinterlässt, jahrzehntelang dichthält, und so weit ersichtlich keinerlei Vorteil von einer solchen Tat gehabt hat. Das kann man von dem naheliegenderen Szenario JS allein oder JS+EH eben nicht sagen.

Daher, kurz gesagt: solange kein Beweis vorliegt, dass JS nicht am Tatort gewesen sein kann, sehe ich hier keine Entlastung.


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 09:02
@Bluelle
Hast du den Film über OJ gesehen? Sehr sehenswert. Es war nicht so, dass man ihn tatsächlich für unschuldig hielt. Aber eben nicht ohne jeden Zweifel. Was letztendlich zu seinem Freispruch führte. Da war niemand tatsächlich der Meinung, er sei unschuldig. Leider hat es die Staatsanwaltschaft versäumt, jegliche Zweifel auszuräumen und hat sich ausserdem einige Fehler geleistet die letztendlich zum Freispruch führten.


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 09:16
Zitat von Venice2009Venice2009 schrieb:Es war nicht so, dass man ihn tatsächlich für unschuldig hielt.
Ich halte OJ absolut für schuldig. Ich habe oben das Beispiel ja auch nicht als Vorbild gebracht, sondern als Beweis für die These, dass eine Jury viel eher den eigenen Augen glaubt, als was ein hochgebildeter Experte theoretisch darlegt. Und genau darum ging es ja im "Sockenabdruck-Thema." Und dass die Verteidigung eben genauso die Chance hatte, die Jury zu überzeugen, wenn sie visuell hätte darlegen können, dass z.B. EHs Abdruck besser passte.

Mal davon abgesehen, dass Du ganz Recht hast: Hier gibt es doch viele, die fordern, man muss unbedingt "im Zweifel für den Angeklagten" sprechen. Das ist im Fall OJ passiert. Und doch sind manche dann nicht zufrieden.


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Der Mensch Jens Söring

05.10.2018 um 09:24
Zitat von Rick_BlaineRick_Blaine schrieb:Das ist im Fall OJ passiert. Und doch sind manche dann nicht zufrieden.
genau so ist es. Selbst OJ Simpson´s bester Freund und einer seiner Verteidiger Robert Kardashian hat sich nach dem Freispruch von ihm distanziert.
Es hat aber trotzdem zum Freispruch gereicht. Die Verteidigung war überzeugender gewesen, als die Anklage.
Ist übrigens eine Serie auf Netflix mit Orginalaufnahmen von allen Beteiligten und teilweise als Film. Wirklich sehenswert, denn da bekommt einen Eindruck von den Tätigkeiten der verschiedenen Personen mit.


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05.10.2018 um 09:33
@Venice2009

Ich habe damals den Prozess live im Fernsehen verfolgt wann immer ich Zeit hatte. Ich war fest von der Schuld überzeugt und bin das heute noch. Ich war geschockt als das Urteil verkündet wurde.

Heute, mit vielen Jahren Berufserfahrung, kann ich viel besser einschätzen was passiert ist und welche gravierenden Fehler die Staatsanwaltschaft und die Polizei in diesem Fall gemacht haben - und ich kann anerkennen, dass das System auf diese Fehler so reagiert hat, wie es reagieren sollte: mit einem Freispruch für den Angeklagten wegen vernünftiger Zweifel an der Schuld. Es ist zwar ärgerlich, dass m.E. ein Mörder unbestraft bleibt, aber besser als umgekehrt.

Jahre später habe ich einmal mit Angehörigen eines der Opfer gesprochen, die unter diesem Ausgang des Verfahrens heute noch sehr leiden. Ich kann diese Emotionen gut nachvollziehen und würde sie nie verurteilen.

Hier in unserem Fall allerdings sind manchmal Emotionen im Spiel, die ich nicht mehr nachvollziehen kann.


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