Um dieses leidige Thema einmal zu beenden: Wenn JS Vater Angestellter des Konsulats und Karrierediplomat war, dann heisst das nicht, dass er ausserordentlich wohlhabend gewesen ist. Je nach Grösse des Konsulats verdient ein Generalkonsul, das ist der Chef, ein Gehalt nach Bundesbesoldungsgruppe A 15 oder A 16. Sein(e) Stellvertreter, z.B. der Kanzler (nicht der Bundeskanzler) liegen meist eine Gruppe darunter, das wäre A 14. Das entspricht der Besoldungsgruppe eines Oberstudienrates, also eines Gymnasiallehrers nach 10 Dienstjahren.
Dazu gibt es dann Auslandszuschlag und Familienzuschlag und dies und das, also ein angenehmes Gehalt, aber kein aussergewöhnliches.
Es gibt aber durchaus auch Dienstposten in einem deutschen Konsulat mit weitaus geringerer Besoldungsgruppe, also können wir feststellen, dass sein Vater maximal A 15 verdient haben wird, vermutlich eher A 14 oder gar weniger.
Leisten kann man sich damit einen privaten Rechtsanwalt in den USA schon, es ist ja immer eine Frage, worauf man sonst verzichten will.
Heute kann man Verteidigungskosten für einen solchen Mordprozess in Höhe von mindestens $ 50,000 ansetzen, auch das Doppelte wäre eher gewöhnlich. Nehmen wir mal an, die Familie hat damals nicht daran sparen wollen, dann wäre in heutigen Zahlen $ 100,000 notwendig gewesen. Das entspräche ungefähr 14-15 heutige Monatsgehältern eines leitenden Beamten im konsularischen Dienst. Wenn man will, kann man sich das leisten, soviel kostet oft schon ein entsprechender Oberklasse PKW.
Dennoch muss ich sagen darf man nicht den Fehler machen und glauben, dass die teuersten Anwälte auch die besten sind oder Pflichtverteidiger schlecht sind. Oft ist es gar so, dass die Qualität der Anwälte gar nicht so unterschiedlich ist. Was man sich mit dem vielen Geld kaufen kann sind eher teure Experten, weitere Untersuchungen und Gutachten usw. Man kann für so einen Mordprozess natürlich auch eine Million Dollar ausgeben oder mehr (O.J. Simpson: zwischen 3 und 6 Millionen Dollar) aber das bedeutet nicht, dass man sich freikaufen kann.
Sehr viel ernster zu nehmen sind die Vorwürfe gegenüber dem Anwalt Richard Neaton, der irgendwann im Verfahren einmal JS vertreten hat.
Hier gehen die Informationen etwas auseinander. Fakt zu sein scheint, dass Neaton JS in einem Wiederaufnahmeverfahren vertreten sollte (habeas corpus) und da nicht nur Gelder von JS veruntreut hat, sondern auch einige andere schwerwiegende Fehler gemacht haben soll. Allerdings muss man hier extrem genau die Quellen lesen:
Auf seiner webseite sagt JS dass dieser Anwalt der Hauptverteidiger in der Tatsacheninstanz gewesen ist. Da er nur in Michigan zugelassen war, kann er tatsächlich kein Pflichtverteidiger gewesen sein, denn um in Virginia zu dem Prozess zugelassen zu werden musste er einen gesonderten Antrag stellen und mit einem lokal zugelassenen Anwalt zusammenarbeiten ("pro hac vice").
JS behauptet dann, dieser Anwalt habe im Wiederaufnahmeverfahren (habeas corpus) diese Fehler gemacht. Tatsächlich ist dem Anwalt in Michigan die Zulassung deswegen als Rechtsanwalt entzogen worden (siehe
http://www.finra.org/sites/default/files/NACDecision/p122870.pdf Seite 4).
Aber nun muss man noch einmal genau hinschauen: JS selbst macht keine Vorwürfe, dass der Anwalt während dem eigentlichen Tatsachenprozess Fehler gemacht hat, sondern im habeas corpus Verfahren. Und auch das Standesgericht hat nur das dem Anwalt vorgeworfen.
Wie es in solchen Fällen üblich ist, kann ein Verurteilter daraufhin geltend machen, er sei in seinen Rechten durch Unfähigkeit seines Anwalts verletzt worden und eine Neuaufnahme des Verfahrens beantragen: "inadequate counsel." Das hat JS auch getan, aber der oberste Gerichtshof hat festgestellt, dass dem nicht so gewesen ist.
Masstab ist dabei die Frage, ob das Verhalten des Anwalts so falsch gewesen ist, dass bei einem anderen Anwalt, der sich nach den Regeln der Kunst verhalten hätte, zwingend ein anderes Ergebnis des Verfahrens entstanden wäre. Das hat der oberste Gerichtshof verneint.
(siehe JS eigene webseite:
http://www.jenssoering.com/lawyer_suspended (Archiv-Version vom 28.02.2017))
Und damit ist auch das Thema im Prinzip abgehakt.