LangSchlaefer schrieb:Was anders:
Ich habe langsam den Eindruck, als ob es in den USA fast schon ein absolutes "no go" ist, dem Gegner (Prozess, Ermittlungen, etc. etc.) auch nur mir einem einzigen Wort, einer einzigen Einlassung, entgegen zu kommen und im so im Vorfeld schon Arbeit abzunehmen. Es scheint mir so, als würde das als Schwäche ausgelegt, will den Gegner mit Arbeit eindecken, die "Entscheider" somit mit Denkaufgaben überschütten etc. etc.
Das kann doch nicht bloß eine eigen entwickelte Strategie von JS sein? Oder?
Das kommt drauf an, worum es geht. Generell ist richtig, dass wir hier ein "adversarial system" haben, in dem jede Seite sich um seine Angelegenheiten kümmert und nicht wie in Deutschland darauf angewiesen ist, dass das Gericht das tut. Dementsprechend arbeitet man auch für sich und macht es der Gegenseite nicht absichtlich einfach.
Was dabei unhöflich erscheint hat aber auch einen Sinn: Ich kann mich als Partei und soll mich als Partei nur auf das verlassen, was ich selbst erarbeitet habe. Wenn ich einen Mandanten vertrete, und es geht um 30 Jahre seines Lebens, wäre es sträflich, wenn ich mich auf etwas verlasse, was die Staatsanwaltschaft schon geprüft hat - denn ich weiss ja nicht, ob dort nicht Fehler gemacht wurden usw.
Andererseits gibt das Gesetz sehr strenge Vorgaben, was die Information der Gegenseite angeht. Das nennt man hier "discovery:" Jede Seite ist verpflichtet, die andere Seite über alle Erkenntnisse der eigenen Untersuchungen zu unterrichten - damit die andere Seite dann eben prüfen kann, ob das auch richtig ist, was die erste Seite der Jury präsentieren will.
Beispiel: Eine Blutspur wurde gefunden. Nun veranlasst die Staatsanwaltschaft die Untersuchung und stellt fest, es wurde DNA vom Angeklagten gefunden. Sie muss das nun der Verteidigung mitteilen, und zwar unter der Angabe: wer hat das untersucht, nach welcher Methode usw.
Dann kann die Verteidigung ebenfalls die Blutprobe untersuchen lassen. Sie kann ausserdem nachforschen, ob das Labor, ob der Techniker der StA zuverlässig sind usw. Nehmen wir mal an, sie findet heraus: der Techniker wurde am gleichen Tag wegen Trunkenheit im Verkehr erwischt. Ausserdem handelt es sich bei der Spur tatsächlich um eine Mischspur.
Nun muss die Verteidigung das der StA mitteilen, die wiederum darauf reagieren kann.
Am Ende, in der Hauptverhandlung können nun beide Seiten ihre Ergebnisse der Jury vorlegen. Die Staatsanwaltschaft hat die Probe nochmal untersuchen lassen und gibt nun zu, dass es eine Mischpur ist. Der Techniker jedoch, das hat sie festgestellt, war erst nach Dienstschluss auf eine Party zum Feiern gegangen. Seine Zuverlässigkeit wird nicht in Frage gestellt und wird kein Thema im Prozess sein.
Zum Vergleich: im deutschen System beauftragt das Gericht einen Gutachter. Wenn der nun sagt: klar, die Spur ist vom Angeklagten, dann hat die Verteidigung das Nachsehen. Ohne gewichtige Gründe wird das Gericht kein teures Gegengutachten in Auftrag geben.
Zurück zu JS: Beim jetzigen Stand der Dinge ist freilich zu beachten, dass JS ja ganz bewusst eben nicht mehr auf der Ebene der Gerichte agiert. Das stösst mir so extrem auf: er hat eben gerade nicht, wie vorgesehen, einen Antrag bei Gericht auf Wiederaufnahme des Verfahrens eingelegt, sondern meint politisch Druck auf den Gourverneur ausüben zu können.