Ich kann es nicht mehr hören: Das Argument, Herr Söring "lügt" und "ist ein Lügner". Es ist ein ziemliches Nullargument.
Herr Söring beteuert seine Unschuld und bestreitet, den Mord begangen zu haben, für den er verurteilt wurde. Das tut jeder, der sich zu Unrecht verurteilt sieht. Mag sein, dass das nicht die Wahrheit ist. Es gibt gute Gründe, die gegen seine Darstellung sprechen. Und natürlich ein Urteil. Aber daran die Lüge festzumachen ist ein Zirkelschluss, weil dann jeder ein "Lügner" wäre, der sich erfolglos gegen ein rechtskräftiges Urteil eines Rechtsstaats wendet.
Vielleicht gab es nach der Festnahme oder gibt es auch heute gute Gründe nicht die Wahrheit zu sagen. Es ist ein gutes Recht des Angeklagten, nicht die Wahrheit zu sagen. Doch was wirklich die Wahrheit ist, was wirklich war, wahr war und ist, das kann keiner hier ermessen. Keiner ist Gott. Und keiner hier kann nachvollziehen, wie es sich anfühlt, 5, 10 oder 20 Jahre inhaftiert zu sein. Oder gar lebenslänglich bis zum Ende des Lebens. Nicht umsonst gibt es so viele Suizide in deutschen Gefängniszellen. Und Menschen bringen andere Menschen auch nicht aus Jux und Dollerei um, sondern häufig in einer für sie unauflösbaren Konfliktsituation. Sitzen sie dann im Gefängnis, vor den Trümmern ihrer Existenz, bricht alles zusammen. Oder sie beginnen zu kämpfen, bauen sich ihre Wahrheit, die sie am Leben erhält. Ich will in meiner Selbstzufriedenheit kein Verbrecher zu sein meinen Stab darüber nicht brechen.
So mag der Vorwurf der Lüge die eigene Meinung mit einem moralischen Unwerturteil unterstützen und der eigenen moralischen Selbstüberheblichkeit dienen. Aber es bleibt eine Anmaßung, jemanden der Lüge zu bezichtigen, der nicht unmittelbar persönlich darauf entgegnen kann. Der Wahrheitsfindung dient es genauso wenig wie einer sachlichen Bewertung der Tatsache, dass Herr Söring nunmehr freigelassen worden ist.
Edelstoff schrieb:Bild schreibt: "Warum begrüßt ein Vertreter der Regierung diesen verurteilten Doppelmörder?"
Das ist der perfide "BILD"-Jargon, den ich so widerlich finde.
"BILD" schrieb auch: "Warum hätte sich die Bundesregierung für diesen Türken einsetzen sollen?" Und meinte Murat Kurnaz, den (angeblichen) "Bremer Taliban", der mehrere Jahre in Guantanamo in US-Haft saß. Der aufgrund des Antrittsbesuchs von Kanzlerin Angela Merkel 2006 freigelassen wurde. Was Kurnaz in Afghanistan/Pakistan wirklich getrieben hat, weiß bis heute niemand.
Die Antwort ist ganz einfach: Aus humanitären Gründen. Weil ein Jugendlicher Straftäter nach unseren Maßstäben nach spätestens 10 Jahren seine Schuld getilgt hätte. Weil - um das nochmals klarzustellen - die US-Verurteilung zwar im Bundeszentralregister aufgenommen wird, aber NICHT im berühmten Führungszeugnis, das Grundlage dafür ist, wie "bescholten" ein Bürger ist.