so, ich bin heut mittag auf einen artikel gestossen , interesant es mal durch zu lesen
Fordern und Fordern
Reinhard Jellen 06.05.2013
Die Hartz-IV-Kritikerin Inge Hannemann über ihre Tätigkeit als Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Hamburg
ausschnitt :
Wie viele Arbeitslose schätzen Sie als sanktionswürdig ein?
Inge Hannemann:
Aus meiner persönlichen Sicht, ist kein Erwerbsloser sanktionswürdig, so lange man bereit ist, die tatsächlichen Ursachen für ein Meldeversäumnis oder aufgrund mangelnder Mitarbeit zu suchen. Und das ist auch unsere Aufgabe, welches sogar nach dem Sozialgesetzbuch X durch die §§ 20 und 21 geregelt ist. Gehe ich nach der Hetze in den Medien über den "faulen Hartzer", kann aus eigener Erfahrung von höchstens 3 Prozent gesprochen werden.
Aber auch hier muss darüber nachgedacht werden, warum dieser Erwerbslosen so geworden sind. Jede Gesellschaft muss in der Lage sein, auch solche Menschen zu tragen. Diese finden sich auch im Erwerbsleben und werden durch die Kollegen "mitgeschleppt". Es ist von dem her also keine außergewöhnliche Erscheinung, die nur bei Hartz IV-Empfängern vorkommt.
Wie beurteilen Sie generell die Vermittlungspraxis in den Jobcentern?
Inge Hannemann:
Die Vermittlungspraxis sehe ich sehr kritisch. Dieses liegt zunächst daran, dass es gar nicht genügend Arbeitsplätze für alle gibt. Wohin vermitteln, wenn die Jobs nicht vorhanden sind? Weiterhin sehe ich durchaus die zum Teil vorherrschende fehlende Umsetzung der praktischen Hilfe als auch der Motivation durch die Arbeitsvermittlung oder Fallmanagement in den Jobcentern.
Aus dem "Fördern und Fordern" kristallisiert sich zum großen Teil nur noch das Fordern heraus. Die Fehlentwicklung sehe ich hauptsächlich darin, dass den Mitarbeitern in den Jobcentern kein Grundgerüst mitgegeben wird, wie man Kontakte zu Arbeitgebern und zu Netzwerken herstellt.
Gleichfalls kann beobachtet werden, dass sehr viele junge Mitarbeiter bis Mitte Zwanzig, eingestellt werden, welche gerade die Fachschulen abgeschlossen haben. Selbstverständlich sollen auch sie die Chance zu erhalten, sich beruflich zu beweisen.
Allerdings bezweifle ich, ob die Lebens- und Berufserfahrungen dazu ausreicht, um mit Menschen und ihren oftmals jahrzehntelangen Lebenserfahrungen so zu arbeiten, dass ein konstruktiver Austausch möglich ist. Ein ungleiches Verhältnis kann entstehen und entsteht dann, wenn ein so junger Mensch die Meinung vertritt, dass nur er recht hat, weil er auf der anderen Seite des Tisches sitzt.
Ich bin der festen Meinung, dass jeder Mitarbeiter in den Jobcentern zumindest auch mal einige Jahre in der freien Wirtschaft gearbeitet haben sollte, um Vergleiche zu ziehen. Die Welt in der freien Wirtschaft ist rauer und das kann durchaus prägend sein. Die primäre Vermittlung in den prekären Arbeitsmarkt wie Zeit- oder Leiharbeit muss ein Stopp finden.
Aufgrund der Zumutbarkeitsregel, dass jede Beschäftigung zumutbar ist, wird diese Art Vermittlung favorisiert. Dies belegt schon die hohe Anzahl der Stellenangebote in diesem Bereich. Die einzelnen Teams im Bereich Zeitarbeit erhalten jedes Jahr eine immer höhere Quote, die sie erfüllen müssen.
Das heißt, die einzelnen Mitarbeiter in den Teams müssen eine gewisse Anzahl von erfolgreichen Einstellungen vorweisen, um die festgesetzte Quote zu erfüllen. Diese liegt im Schnitt bei rund acht erfolgreichen Vermittlungen pro Mitarbeiter und Monat. Gespräche mit den Bewerbern werden zumeist aus Zeitgründen nicht geführt.
Die Zuweisung erfolgt somit "blind" und mit Rechtsfolgebelehrung. Bewirbt sich ein Bewerber nicht, so kommt es durchaus vor, dass sich die Zeitarbeitsfirma beim Sachbearbeiter meldet und eine Sperre oder Kürzung des Arbeitslosengeldes fordert.
Derzeit gibt es einzelne Projekte, in denen Arbeitsvermittler nur noch 100 Erwerbslose zu betreuen hat und mit ihnen gezielt nach Arbeitgebern sucht und praktische Hilfe umgesetzt werden soll. Nach Rücksprache mit Mitarbeitern aus diesen Projekten kann gesagt werden, dass der interne Druck abgenommen hat und es durchaus sinnvoll ist, mehr Zeit für die Erwerbslosen aufzubringen. Leider gibt es davon noch viel zu wenig in den Jobcentern. Allerdings schafft dieses auch nicht mehr Arbeitsplätze für die Betroffenen.
vollständiger artikel :
http://www.heise.de/tp/artikel/39/39072/1.html