Tiergarten schrieb:Eines vorweg: Ausgangspunkt meiner Überlegung, ob es sich beim Verfasser des anonymen Briefes um den Mörder von Claudia Wilbert handeln könnte, war und ist das ausgeprägte Interesse des Autors am Stand des Ermittlungsverfahrens.
So hat er gleich gleich zwei Mal unterstrichen, wie wichtig und drängend ihm eine Auskunft darüber sei, ob DNA-Material sichergestellt werden konnte.
Der Verfasser des Briefes interessiert sich für den Ermittlungsstand und insbesondere dafür, ob Täter-DNA gesichert werden konnte.
Der Verfasser begründet sein Interesse, wie ich finde "durchaus plausibel" damit, dass er, bevor er den ihm bekannten Mann bei der Kripo anzeigt, zunächst mehr Sicherheit erlangen möchte darüber, dass der ihm mit Namen und Adresse bekannte Mann wie von ihm vermutet auch wirklich der Mörder von CW ist und dass man den Mann mittels eines DNA-Abgleichs auch einwandfrei überführen könnte.
Tiergarten schrieb:Das führte mich zu der Frage, wer denn Interesse an einer solchen Auskunft haben könnte, wem derartige Informationen nützlich wären. Meine Schlussfolgerung: Nur der Täter könnte davon profitieren.
Zunächst einmal ist es der Verfasser selbst, wenn man seinen Worten glaubt, der in seinem Brief ein begründetes Interesse an diesen Informationen darlegt.
Dass es der Täter wäre, der ein Interesse an den Informationen hätte, halte ich wie gesagt für einen Fehlschluss.
Dem Täter nützen diese Informationen überhaupt nichts, weil sie außerhalb seines Einflusses liegen. Er könnte zwar versuchen sie zu erfragen. Die Antworten werden ihm aber auch nicht weiterhelfen. Falls die Ermittler ihm "auf den Fersen sind", dann hilft ihm auch das Wissen, dass man ihm "auf den Fersen ist", nichts...
Dass der Täter den Brief geschrieben hat, ließe sich höchstens durch "irrationales Verhalten" erklären (was ja auch eine Mutmaßung von dir war). Ich halte es aber wie gesagt für wenig wahrscheinlich, dass der Täter nach 45 Jahren plötzlich "nervös wird", die Ermittler anschreibt und fordert, dass "sein Fall" bei Aktenzeichen XY ausgestrahlt wird. Selbst wenn er dadurch mehr über den Ermittlungsstand erfahren könnte.
Vergleichsweise finde ich das, was der Verfasser an Begründung für sein Interesse an Ermittlungsstand und Täter-DNA vorgetragen hat, viel überzeugender.
Die Frage ist nur, ob das, was der Verfasser des Briefes schreibt, der Wahrheit entspricht oder ob es "konstruiert" ist.
Wenn ich mir den fünfseitigen Brief durchlese, kommen mir persönlich zumindest Zweifel, ob aus den vom Verfasser wohlgewählten Worten wirklich ein durch seine unbeabsichtigte Kenntnis des mutmaßlichen Täters in eine moralische Zwickmühle geratene und aufrichtig an der Aufklärung eines furchtbaren Verbrechens interessierter Mensch spricht.
Der wiederholte Verweis auf die optische Ähnlichkeit zwischen der Frau seines verstorbenen Verwandten und dem Mordopfer und der Reim, den sich der Verfasser des Briefes darauf gemacht hat, wirkt auf mich übertrieben. Fast schon als würde jemand sich in eine Vorstellung hineinsteigern.
Aber das könnte man ja auch als einen möglichen Beleg zugunsten der Authentizität des Schreibens werten.
Kann man so etwas konstruieren? Vermutlich heißt die Antwort "Ja". Vermutlich gibt es "Hochstapler", die das können.